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Alphabet des Ben Sira
V. Eine fabelhafte Ethik
nicht. Schela, der weiß, dass auch die Beamten ihm genau dies vor-dieselbe Weise sterben möge, wie der Sohn gestorben ist. Aber Ben werfen würden, wenn ihnen jemand erklärte, wie Schela sie wis-Sira weigert sich, Speisen, die der König ihm hinstellt, zu essen, sentlich getäuscht hat, bringt den Beobachter um. Auch dafür findet weil diese nicht den Reinheitsbestimmungen entsprechen, die die Schela eine Entschuldigung: Der, der ihn beobachtet hat, will ihn bei Tora vorsieht. Damit stellt sich Ben Sira erneut sichtbar in die jü-dem König anzeigen. Das bringt ihn selbst in Gefahr, und die Tora dische Tradition, und Nebukadnezar bleibt nichts anderes übrig, als erlaubt, das eigene Leben in diesem Fall zu retten. Auch nach diesem dies zu respektieren. Er erlaubt Ben Sira, sich seine Speisen selbst Mord geht Schela schlicht zum Tagesgeschäft über: Er exegesiert zuzubereiten. Ben Sira tut dies so, dass die ihm von Nebukadnezar den Bibelabschnitt des zuvor zitierten Gebetes.
verordnete Eierspeise nicht schadet. Nebukadnezar aber, der von der Vor dem Hintergrund von bBer 58a wirkt die Darstellung im Al-Speise des Ben Sira isst, wird sogleich sterbenskrank. Er verspricht phabet des Ben Sira geradezu schlicht: Ben Sira macht keinen Knie-Ben Sira eine hohe Belohnung, wenn er ihn heilt, was Ben Sira durch fall vor dem König, er heuchelt keine Sympathie, er lügt nicht, auch Auflegen eines Amuletts gelingt.
nicht, als es darum geht, die Tochter des Königs zu heiraten. Ben Einen weiteren Rückgriff auf bBer 58a bietet dann der Schluss Sira handelt im Gegensatz zu Schela aufrichtig. Er zitiert Ez 23,20
der Erzählung. Nebukadnezar fragt Ben Sira, warum er ihm ein töd-als Begründung, stellt sich damit in die jüdische Tradition und zieht liches Gift gegeben habe. Ben Sira bezieht sich in seiner Antwort den Groll des Königs auf sich. Ben Sira hält den Kopf hin, wo Schela
– genau wie Schela – auf den Fall der eigenen Lebensrettung. Im ihn zurückzieht. Ben Sira trägt die Verantwortung für seine Worte, Falle einer tödlichen Gefahr ist es erlaubt, den Verfolger zu töten, Schela nicht. Wenn es stimmt, dass der Weise an seiner Wirkung um das eigene Leben zu retten. Vergleicht man aber beide Fälle, erkannt wird, dann ist der Blick auf Schela und Ben Sira entlarvend.
wird deutlich, dass nur Ben Sira berechtigt ist, sich auf diese sehr Ben Sira hat sich vom naseweisen Lümmel zu einem Menschen mit spezielle Anweisung zur Rettung des eigenen Lebens zu beziehen.
aufrechtem Gang gewandelt. Und: es ist nicht die traditionelle rabbi-Ben Sira ist unschuldig in Gefahr geraten, und er hätte unschuldig nische Literatur, die hier ein vorbildliches Gelehrtenbild entwickelt.
sein Leben verloren, wenn der König seiner Willkür hätte nachge-Es ist das Alphabet des Ben Sira.
ben können (wenn er nicht todkrank geworden wäre). Ben Sira plant Vor dem Hintergrund der gerade in Erinnerung gerufenen Text-auch nicht, den König zu töten. Der König verursacht letztlich aus stelle aus bBer 58a klingt die nun von Nebukadnezar gestellt Frage, Unwissenheit die todbringende Situation selbst. Ben Sira wird nicht wie man einen Menschen heimlich töten könne, zynisch. War es in aktiv, um den König zu töten; er wartet auf ein gerechtes Gottesur-bBer 58a Schela, der vorführte, wie ein Mensch, der nichts davon teil, und er wartet nicht umsonst. Damit vermittelt das Alphabet des ahnt, umgebracht werden kann, fragt der weniger phantasiebegabte Ben Sira die Moral, auch in persönlicher Höchstgefahr Gottvertrau-Nebukadnezar, wie er dieses Problem lösen könne. Ben Sira, dem en zu beweisen. Der Missbrauch der Tora zur Rechtfertigung eines klar ist, dass es um den eigenen Hals geht, lässt den König wissen, zweckdienlichen Mordes, wie ihn Schela begeht, wird damit massiv dass er ihn durchschaut hat. Er wählt dazu ein Gleichnis und bringt kritisiert und abgelehnt.
den König dazu zu lügen. Nebukadnezar streitet ab, dass er Ben Sira Kaum ist der König genesen, erreicht ihn die Nachricht, dass sein töten will. Nun weiß Ben Sira, dass der König feige ist. Ben Sira wenige Tage alter Sohn ebenfalls zu sterben droht. Nebukadnezar macht dem König klar, dass er ihm nicht glaubt, dass er aber den-sieht darin keine Strafe dafür, dass er den Tod seines älteren Sohn noch dem Wunsch des Königs nachkommt. Er rät dem König, bei verursacht hat. Er fragt Ben Sira lediglich, warum Kinder in der erder Person, die er töten will, eine Eiweißvergiftung zu verursachen.
sten Woche nach der Geburt besondern häufig sterben und fordert Im Folgenden lässt das Alphabet des Ben Sira den König in im-Ben Sira auf, das Kind ebenso zu heilen, wie er ihn geheilt habe.
mer schlechterem Licht stehen. Es entwickelt geradezu einen Laster-Wieder droht er Ben Sira mit dem Tod, wenn die Heilung des Kin-katalog anhand der Verhaltensweise des Nebukadnezar. Der König des misslinge und so fertigt Ben Sira ein hilfreiches Amulett gegen unterstellt Ben Sira, er wolle sich auf seine Kosten den Bauch voll Lilit.
schlagen. Daher will er testen, ob das von Ben Sira vorgeschlagene Verfahren überhaupt tödlich wirkt. Da er davon ausgeht, dass Ben Sira ihn täuschen will, nimmt er einen seiner Söhne als Testperson.
Als der Sohn stirbt, wird Nebukadnezars Hass auf Ben Sira so stark, dass er an nichts anderes denken kann, als daran, dass Ben Sira auf 314
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Würde Nebukadnezar die Tradition des Ben Sira kennen, hätte er 2. Zuviel und Zuwenig
seine Frage nicht zu stellen brauchen. In bBB 16a findet sich bereits die Antwort. Der König fragt Ben Sira also Dinge, die ein Gebildeter wissen könnte. Zum anderen zeigt sich in der Frage des Königs des-Nach der siebten Frage ist eine inhaltliche Zäsur erreicht. Nebu-sen zwiespältiger Charakter. Er gibt vor, die Weisheit Ben Siras te-kadnezar und Ben Sira haben die jeweiligen Grenzen abgesteckt.
sten zu wollen, testet aber hier dessen Umgangsformen. Da es einem Als König hat Nebukadnezar die Macht, Ben Sira zu töten. Aber es Frommen untersagt ist, dem eigenen Körper allzu viel Beachtung zeigte sich, dass Ben Sira den Tod abwenden konnte. Damit stehen zu schenken, geschweige denn die Körperbehaarung zu betrachten, sich beide auf gleicher Augenhöhe gegenüber: Nebukadnezar als muss Ben Sira diese Frage theoretisch beantworten. Der König testet Gebieter über den Tod, Ben Sira als Gebieter über das Leben.
also an dieser Stelle, ob Ben Sira bereit ist, sich bloßzustellen, um Der König, den Ben Sira ebenso wie dessen neugeborenen Sohn eine Antwort geben zu können. Von hier ist es zu verstehen, dass Ben von einer tödlichen Krankheit retten konnte, bitte ihn nun darum, Sira zum Schluss den Vergleich zum Regen zieht, der auf die Erde auch eine Tochter zu heilen, die an einer Krankheit leidet, die sie fällt. Er lenkt den Blick vom Körper auf die Gesamtschöpfung. Hier alltagsuntauglich macht. Sie muss ständig so heftig niesen, dass sie wie dort hat Gott bei der Schöpfung mit dem richtigen Maß gemes-ihren Körper nicht kontrollieren kann. Eine Überreaktion des Kör-sen und ein Zuviel [des Guten] vermieden.
pers – ein Zuviel – soll Ben Sira zum Verschwinden bringen. Ben Auch in der zehnten Frage geht es um den Sinn der göttlichen Sira schafft es mit Hilfe einer Geschichte, die Aufmerksamkeit des Schöpfungsordnung: Welchen Sinn hat es, Mücken zu erschaffen, Mädchens derart zu fesseln, dass es drei Tage nichts anderes tut, als die nur einen Tag leben? Auch diese Frage ist bereits im Talmud, in darauf zu achten, sich ihr Niesen für einen bestimmten Zeitpunkt bChul 58b, beantwortet:
aufzusparen. Diese Strategie führt zum Ziel. Als sie nach drei Tagen ihr Niesen vorführen soll, ist sie nicht mehr dazu in der Lage und Rab sagte:
somit geheilt. Der König ist überglücklich und bittet Ben Sira, ihm Es gibt keine Mücke, die einen Tag alt wird, und es gibt die Medizin zu nennen, die er der Tochter gegeben hat. Ben Sira wie-keine Fliege, die ein Jahr alt wird.
derum legt ihm die Behandlung dar, die er vorgenommen hat, was einschließt, den König darauf hinzuweisen, dass die Tochter ohne R. Papa sagte zu Abaje:
Medizin geheilt wurde.1
Die Leute pflegen ja zu sagen: Sieben Jahre grollte das Mit Frage neun wird die Umgebung des Königspalastes verlas-Mückenweibchen dem Mückenmännchen, indem es zu ihm sen. Nun geht es dem König darum, Haarspaltereien zu betreiben, sprach: Du hast einen Mann aus Machosa gesehen, wie er denn die Frage nach der Beschaffenheit von Haaren zielt tiefer. Hat im Wasser badete, heraufstieg und sich in Laken wickelte.
Gott den Menschen sinnvoll erschaffen? Ben Sira bejaht dies. Gäbe Sodann setztest du dich auf ihn und sogst an ihm, ohne es es jeweils zwei Haare in einer Kopfhaarpore, wäre dies ein „Zu-mir zu sagen.
viel“, das dem Menschen die Sicht nehmen würde. Diese Antwort Er [Abaje] sagte:
ist bereits rabbinisch belegt. Nach bBB 16a heißt es zu Hiob 38,1-2
Die Leute pflegen auch zu sagen: Sechzig Minen Eisen (Auf, gürte deine Lenden wie ein Mann, so will ich dich fragen und kann man der Mücke an den Stachel hängen.
du belehre mich):
Ist dies etwa nach deiner Auffassung möglich, [wenn du Er [Gott] sprach zu ihm [Hiob]:
berücksichtigst,] wie groß sie selbst ist?
Wie viele Haare habe ich am Menschen geschaffen? Und Es ist also so zu verstehen: ihre Minen und ebenso ihre für jedes einzelne Haar habe ich eine Pore geschaffen, Jahre [sind gemeint].
damit nicht zwei ihre Nahrung aus einer Pore ziehen.
Hätte Nebukadnezar diesen Dialog gekannt, hätte er gewusst, dass Denn würden zwei ihre Nahrung aus einer Pore ziehen, so die Perspektive der Betrachtung entscheidend ist. Aus des Königs würden sie das Augenlicht des Menschen mindern.