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»Sie hat sich ins Nichts gestürzt - wie alle anderen hier.«

Atréju dachte an die wahnsinnigen Tänzer, die er draußen vor der Stadt im Nebel beobachtet hatte.

»Warum?« murmelte er, »warum sind sie nicht geflohen?«

»Sie hatten keine Hoffnung mehr. Das macht euereins schwach. Das Nichts zieht euch mächtig an, und keines von euch wird ihm mehr lang widerstehen.«

Während er das sagte, ließ Gmork ein tiefes, böses Lachen hören.

»Und du?« fragte Atréju weiter, »du redest, als gehörtest du nicht zu uns.

«

Gmork sah ihn wieder mit diesem lauernden Blick an.

»Ich gehöre nicht zu euch.«

»Woher kommst du dann?«

»Weißt du denn nicht, was ein Werwolf ist?«

Atréju schüttelte stumm den Kopf.

»Du kennst nur Phantasien«, sagte Gmork. »Es gibt noch andere Welten.

Zum Beispiel die der Menschenkinder. Aber es gibt Wesen, die haben keine eigene Welt. Dafür können sie in vielen Welten ein-und ausgehen. Zu denen gehöre ich. In der Menschenwelt erscheine ich als Mensch, aber ich bin keiner. Und in Phantasien nehme ich phantásische Gestalt an - aber ich bin keiner von euch.«

Atréju hockte sich langsam auf den Boden nieder und schaute den sterbenden Werwolf mit großen, dunklen Augen an.

»Du warst in der Welt der Menschenkinder?«

»Ich bin oft hin und her gegangen zwischen ihrer Welt und der euren.«

»Gmork«, stammelte Atréju, und er konnte nicht verhindern, daß seine Lippen zitterten, »kannst du mir den Weg in die Welt der Menschenkinder verraten?«

In Gmorks Augen blitzte ein grünes Fünkchen auf. Es war, als ob er innerlich lachte. »Für dich und deinesgleichen ist der Weg hinüber sehr einfach. Die Sache hat nur einen Haken für euereins: Ihr könnt nie wieder zurück. Ihr müßt für immer dort bleiben. Willst du das?«

»Was muß ich tun?« fragte Atréju entschlossen.

»Das, was alle anderen hier schon vor dir getan haben, Söhnchen. Du mußt nur in das Nichts springen. Aber das hat keine Eile, denn du wirst es früher oder später sowieso tun, wenn die letzten Teile Phantåsiens verschwinden.«

Atréju stand auf.

Gmork bemerkte, daß der Junge am ganzen Leib zitterte. Da er den wahren Grund dafür nicht kannte, sagte er beschwichtigend: »Du mußt keine Angst haben, es tut nicht weh.« »Ich habe keine Angst«, antwortete Atréju. »Ich hätte nie gedacht, daß ich gerade hier und durch dich alle Hoffnung wiederbekommen würde.«

Gmorks Augen glühten wie zwei schmale grüne Monde.

»Zur Hoffnung hast du keinen Anlaß, Söhnchen - was auch immer du vorhaben magst. Wenn du in der Menschenwelt erscheinst, dann bist du

nicht mehr, was du hier bist. Das ist gerade das Geheimnis, das niemand in Phantasien wissen kann.«

Atréju stand da mit hängenden Armen.

»Was bin ich dort?« fragte er. »Sag mir das Geheimnis!«

Gmork schwieg lange und regte sich nicht. Atréju fürchtete schon, keine Antwort mehr zu bekommen, doch schließlich hob ein schwerer Atemzug die Brust des Werwolfs, und er begann mit heiserer Stimme zu reden:»Wofür hältst du mich, Söhnchen? Für deinen Freund? Sieh dich vor!

Ich vertreibe mir nur die Zeit mit dir. Und du kannst jetzt noch nicht einmal weggehen. Ich halte dich mit deiner Hoffnung fest. Aber während ich rede, schließt sich das Nichts von allen Seiten um die Spukstadt, und bald wird es keinen Ausgang mehr geben. Dann bist du verloren. Wenn du mir zuhörst, hast du dich schon entschieden. Aber noch kannst du fliehen.«

Der grausame Zug um Gmorks Maul verstärkte sich. Atréju zögerte einen winzigen Augenblick, dann flüsterte er: »Sag mir das Geheimnis! Was bin ich dort?«

Wieder antwortete Gmork lange nicht. Sein Atem ging jetzt röchelnd und stoßweise. Doch ganz plötzlich richtete er sich auf, so daß er nun auf seine Vorderpranken gestützt dasaß und Atréju zu ihm aufblicken mußte. Jetzt erst sah man seine ganze gewaltige Größe und Schrecklichkeit. Als er nun weitersprach, klang seine Stimme rasselnd.

»Hast du das Nichts gesehen, Söhnchen?«

»Ja, viele Male.«

»Wie sieht es aus?«

»Als ob man blind ist.«

»Nun gut -, und wenn ihr da hineingeraten seid, dann haftet es euch an, das Nichts. Ihr seid wie eine ansteckende Krankheit, durch die die Menschen blind werden, so daß sie Schein und Wirklichkeit nicht mehr unterscheiden können. Weißt du, wie man euch dort nennt?« »Nein«, flüsterte Atréju.

»Lügen!« bellte Gmork.

Atréju schüttelte den Kopf. Alles Blut war aus seinen Lippen gewichen.

»Wie kann das sein?«

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