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Für diese Qual wurde jedoch der erregte Zuschauer im zweiten Teil der Vorführung, ebenso wie der Wolf selbst, entschädigt. Nach Abwickelung jenes raffinierten Dressurprogramms nämlich und nachdem der Bändiger über der Lamm und Wolfgruppe sich triumphierend mit süßem Lächeln verbeugt hatte, 170

wurden die Rollen vertauscht. Der harryähnliche Tierbändiger legte plötzlich seine Peitsche mit tiefem Bückling dem Wolfe zu Füßen und begann ebenso zu zittern, einzuschrumpfen und elend auszusehen wie vorher das Tier. Der Wolf aber leckte sich lachend das Maul, Krampf und Verlogenheit fielen von ihm ab, sein Blick leuchtete, sein ganzer Leib wurde straff und blühte in wiedererlangter Wildheit auf.

Und nun befahl der Wolf, und der Mensch mußte gehorchen. Auf Befehl sank der Mensch in die Knie nieder, spielte den Wolf, ließ die Zunge heraushängen, riß sich mit den plombierten Zähnen die Kleider vom Leibe. Er ging, je nachdem der Menschenbändiger befahl, auf zweien oder auf vieren, machte das Männchen, stellte sich tot, ließ den Wolf auf sich reiten, trug ihm die Peitsche nach. Hündisch und begabt ging er auf jede Demütigung und Perversion phantasievoll ein. Ein schönes Mädchen kam auf die Bühne, näherte sich dem dressierten Mann, streichelte ihm das Kinn, rieb ihre Wange an seiner, aber er blieb auf allen vieren, blieb Vieh, schüttelte den Kopf und fing an, der Schönen die Zähne zu zeigen, zuletzt so drohend und wölfisch, daß sie entfloh.

Schokolade wurde ihm vorgesetzt, die er verächtlich beschnoberte und wegstieß.

Und zuletzt wurde das weiße Lamm und das fette gescheckte Kaninchen wieder hereingebracht, und der gelehrige Mensch gab sein Letztes her und spielte den Wolf, daß es eine Lust war. Mit Fingern und Zähnen packte er die schreienden Tierchen, riß ihnen Fetzen von Fell und Fleisch heraus, kaute grinsend ihr lebendiges Fleisch und soff hingegeben, trunken mit wollustgeschlossenen Augen, ihr warmes Blut.

Entsetzt floh ich durch die Tür hinaus. Dieses magische Theater, sah ich, war kein reines Paradies, alle Höllen lagen unter seiner hübschen Oberfläche. 0 Gott, gab es denn auch hier keine Erlösung?

Angstvoll lief ich auf und ab, spürte den Geschmack von Blut und den Geschmack von Schokolade im Munde, einen ebenso häßlich wie den andern, wünschte sehnsüchtig dieser trüben Welle zu entrinnen, rang inbrünstig in mir selbst um erträglichere, freundlichere Bilder. «O Freunde, nicht diese Töne!»

sang es in mir, und mit Entsetzen erinnerte ich mich an jene scheußlichen Photographien von der Front, die man während des Krieges zuweilen zu Gesicht 171

bekommen hatte, an jene Haufen ineinander verknäuelter Leichname, deren Gesichter durch Gasmasken in grinsende Teufelsfratzen verwandelt waren. Wie war ich damals noch dumm und kindlich gewesen, als ich mich, ein menschenfreundlich gesinnter Kriegsgegner, über diese Bilder entsetzt hatte!

Heute wußte ich, daß kein Tierbändiger, kein Minister, kein General, kein Irrsinniger Gedanken und Bilder in seinem Gehirn auszubrüten fähig war, die nicht ebenso scheußlich, ebenso wild und böse, ebenso roh und dumm in mir selber wohnten.

Aufatmend erinnerte ich mich jener Inschrift, der ich vorher, beim Beginn des Theaters, jenen hübschen Jüngling so stürmisch hatte folgen sehen, der Inschrift: Alle Mädchen sind dein

und es schien mir, alles in allem, doch eigentlich nichts anderes so begehrenswert wie dieses. Froh darüber, der verfluchten Wolfswelt wieder entrinnen zu können, ging ich hinein.

Wunderlich — so sagenhaft und zugleich so tief vertraut, daß ich aufschauerte

— kam mir hier der Duft meiner Jugend entgegengeweht, die Atmosphäre meiner Knaben und Jünglingszeit, und in meinem Herzen floß das Blut von damals. Was ich eben noch getan und gedacht hatte und gewesen war, sank hinter mir hinab, und ich war wieder jung. Noch vor einer Stunde, noch vor Augenblicken hatte ich recht wohl zu wissen geglaubt, was Liebe, was Begehren, was Sehnsucht sei, aber das war die Liebe und Sehnsucht eines alten Mannes gewesen. Jetzt war ich wieder jung, und was ich in mir fühlte, dieses glühend fließende Feuer, diese gewaltig ziehende Sehnsucht, diese wie Tauwind im März auflösende Leidenschaft, war jung, neu und echt. Oh, wie brannten die vergessenen Feuer wieder auf, wie schwellend und dunkel klangen die Töne des Ehemals, wie blühte es flackernd im Blut, wie schrie es und sang in der Seele!

Ich war ein Knabe, fünfzehn oder sechzehn Jahre alt, mein Kopf war voll von Latein und Griechisch und schönen Dichterversen, meine Gedanken voll von Streben und Ehrgeiz, meine Phantasien voll von Künstlertraum, aber viel tiefer, stärker und furchtbarer als all diese lodernden Feuer brannte und zuckte in mir 172

das Feuer der Liebe, der Hunger des Geschlechts, die zehrende Vorahnung der Wollust.

Ich stand auf einem der Felshügel über meiner kleinen Heimatstadt, es roch nach Tauwind und ersten Veilchen, aus dem Städtchen blitzte der Fluß herauf und die Fenster meines Vaterhauses, und das alles blickte, klang und roch so rauschend voll, so neu und schöpfungstrunken, strahlte so farbentief und wehte im Frühlingswinde so überwirklich und verklärt, wie ich einst in den vollsten, dichterischen Stunden meiner ersten Jugend die Welt gesehen hatte. Ich stand auf dem Hügel, der Wind strich mir durchs lange Haar; mit irrender Hand, in träumerische Liebessehnsucht verloren, riß ich vom eben ergrünenden Gebüsch eine junge halboffne Blattknospe, hielt sie vors Auge, roch an ihr (und schon bei diesem Geruch fiel alles von damals mir wieder glühend ein), dann faßte ich das kleine grüne Ding spielend mit den Lippen, die noch immer kein Mädchen geküßt hatten, und begann es zu kauen. Und bei diesem herben, aromatisch bitteren Geschmack wußte ich plötzlich genau, was ich erlebe, alles war wieder da. Ich erlebte eine Stunde aus meinem letzten Knabenjahre wieder, einen Sonntagnachmittag im ersten Frühling, jenen Tag, an dem ich auf meinem einsamen Spaziergang die Rosa Kreisler angetroffen, und sie so schüchtern gegrüßt, und mich so betäubend in sie verliebt hatte.

Damals hatte ich dem schönen Mädchen, das allein und träumerisch bergaufwärts gegangen kam und mich noch nicht sah, voll banger Erwartung entgegengesehen, hatte ihr Haar gesehen, das in dicken Zöpfen aufgebunden war und doch noch zu beiden Seiten der Wangen offne Strähnen hatte, die im Winde spielten und flossen. Ich hatte gesehen, zum erstenmal in meinem Leben, wie schön dies Mädchen war, wie schön und traumhaft dies Spiel des Windes in ihrem zarten Haar, wie schön und sehnsuchtweckend der Fall ihres dünnen blauen Kleides über die jungen Glieder hinab, und ebenso, wie mich mit dem bitterwürzigen Geschmack der zerkauten Knospe die ganze bange süße Lust und Angst des Frühlings durchtränkte, so erfüllte mich beim Anblick des Mädchens die ganze tödliche Ahnung der Liebe, die Ahnung vom Weibe, das erschütternde Vorgefühl ungeheurer Möglichkeiten und Versprechungen, namenloser Wonnen, unausdenklicher Verwirrungen, Ängste und Leiden, innigster Erlösung und 173

tiefster Schuld. 0 wie brannte der bittre Frühlingsgeschmack auf meiner Zunge! 0

wie strömte der spielende Wind durch das lose Haar neben ihren roten Wangen!

Dann war sie mir nahe gekommen, hatte aufgeblickt und mich erkannt, war einen Augenblick schwach errötet und hatte beiseite geblickt; dann grüßte ich sie, mit gezogenem Konfirmandenhut, und Rosa, alsbald gefaßt, grüßte lächelnd und ein wenig damenhaft zurück, erhobenen Gesichts, und ging langsam, sicher und überlegen weiter, umsponnen von tausend Liebeswünschen, Forderungen und Huldigungen, die ich ihr nachsandte.

So war es einst gewesen, an einem Sonntag vor fünfunddreißig Jahren, und alles Damalige war in diesem Augenblick wiedergekehrt: Hügel und Stadt, Märzwind und Knospengeruch, Rosa und ihr braunes Haar, aufschwellende Sehnsucht und süße würgende Angst. Alles war wie damals, und mir schien, ich habe niemals mehr in meinem Leben so geliebt, wie ich damals Rosa liebte. Aber diesmal war es mir gegeben, sie anders zu empfangen als jenesmal. Ich sah ihr Erröten, als sie mich erkannte, sah ihr Bemühen, das Erröten zu verbergen, und wußte sofort, daß sie mich gern habe, daß ihr diese Begegnung dasselbe bedeute wie mir. Und statt wieder den Hut zu ziehen und feierlich mit gezogenem Hut zu stehen, bis sie vorüber wäre, tat ich diesmal trotz Angst und Beklemmung, was mein Blut mich tun hieß, und rief: «Rosa! Gott sei Dank, daß du gekommen bist, du schönes schönes Mädchen. Ich habe dich so lieb.» Das war vielleicht nicht das Geistreichste, was sich in diesem Augenblick sagen ließ, allein es bedurfte hier keines Geistes, es genügte vollkommen. Rosa machte kein Damengesicht und ging nicht weiter, Rosa blieb stehen, sah mich an und wurde noch röter als vorher und sagte: «Grüß Gott, Harry, hast du mich denn wirklich gern?» Dazu strahlten ihre braunen Augen aus dem kräftigen Gesicht, und ich spürte: mein ganzes vergangenes Leben und Lieben war falsch und verworren und voll dummen Unglücks gewesen von dem Augenblick an, wo ich Rosa an jenem Sonntag hatte davonlaufen lassen. Jetzt aber war der Fehler gutgemacht, und es wurde alles anders, wurde alles gut.

Wir gaben einander die Hände, und Hand in Hand gingen wir langsam weiter, unsäglich glücklich, sehr verlegen, wußten nicht, was sagen und was tun, begannen aus Verlegenheit schneller zu laufen und trabten, bis wir den Atem 174

verloren und stehenbleiben mußten, ohne aber unsre Hände loszulassen. Wir waren beide noch in der Kindheit und wußten nicht recht was miteinander anzufangen, wir kamen an jenem Sonntag nicht einmal bis zu einem ersten Kuß, aber wir waren ungeheuer glücklich. Wir standen und atmeten, wir setzten uns ins Gras, und ich streichelte ihre Hand, und sie fuhr mir mit der ändern Hand schüchtern übers Haar, und dann standen wir wieder auf und probierten zu messen, wer von uns größer sei, und eigentlich war ich um einen Fingerbreit größer, aber ich gab es nicht zu, sondern stellte fest, daß wir ganz genau gleich groß seien, und daß der liebe Gott uns füreinander bestimmt habe, und daß wir uns später heiraten würden. Da sagte Rosa, sie rieche Veilchen, und wir knieten im kurzen Frühlingsgras und suchten und fanden ein paar Veilchen mit kurzen Stielchen, und jedes schenkte die seinen dem ändern, und als es kühler wurde und das Licht schon schräg über die Felsen fiel, sagte Rosa, sie müsse heim, und da wurden wir beide sehr traurig, denn begleiten durfte ich sie nicht, aber nun hatten wir ein Geheimnis miteinander, und das war das Holdeste, was wir besaßen. Ich blieb oben in den Felsen, roch an Rosas Veilchen, legte mich über einem Absturz an den Boden, das Gesicht über der Tiefe, und schaute hinab auf die Stadt und lauerte, bis ihre süße kleine Gestalt tief unten erschien und am Brunnen vorbei und über die Brücke lief. Und jetzt wußte ich sie in ihres Vaters Haus angekommen, und dort ging sie durch die Stuben, und ich lag hier oben weit von ihr, aber von mir zu ihr lief ein Band, lief ein Strom, wehte ein Geheimnis.

Wir sahen uns wieder, hier und dort, auf den Felsen, bei den Gartenzäunen, diesen ganzen Frühling lang, und gaben uns, als der Flieder anfing zu blühen, den ersten ängstlichen Kuß. Wenig war es, was wir Kinder einander geben konnten, und unser Kuß war noch ohne Glut und ohne Fülle, und das lose Haargekräusel um ihre Ohren wagte ich nur leise zu streicheln, aber alles war unser, wessen wir an Liebe und Freude fähig waren, und mit jeder schüchternen Berührung, mit jedem unreifen Liebeswort, mit jedem bangen Aufeinanderwarten lernten wir ein neues Glück, stiegen wir eine kleine Stufe an der Liebesleiter empor.

So lebte ich, mit Rosa und den Veilchen beginnend, mein ganzes Liebesleben 175

noch einmal durch, unter glücklicheren Sternen. Rosa verlor sich, und Irmgard erschien, und die Sonne wurde heißer, die Sterne trunkener, aber nicht Rosa noch Irmgard wurde mein, Stufe um Stufe mußte ich steigen, viel erleben, viel lernen, mu ßte auch Irmgard, auch Anna wieder verlieren. Jedes Mädchen, das ich einst in meiner Jugend geliebt, liebte ich wieder, aber jedem vermochte ich Liebe einzuflößen, jeder etwas zu geben, von jeder beschenkt zu werden.

Wünsche, Träume und Möglichkeiten, die einst einzig in meiner Phantasie gelebt hatten, waren jetzt Wirklichkeit und wurden gelebt. 0 ihr schönen Blumen alle, Ida und Lore, ihr alle, die ich einst einen Sommer lang, einen Monat lang, einen Tag lang geliebt habe!

Ich begriff, daß ich jetzt der hübsche glühende kleine Jüngling war, den ich zuvor so eifrig nach der Liebespforte hatte laufen sehen, daß ich jetzt dies Stück von mir, dies nur zu einem Zehntel, einem Tausendstel erfüllte Stück meines Wesens und Lebens auslebte und wachsen ließ, unbeschwert von allen den ändern Figuren meines Ichs, ungestört vom Denker, ungequält vom Steppenwolf, ungeschmälert vom Dichter, vom Phantasten, vom Moralisten.

Nein, jetzt war ich nichts andres als Liebender, atmete kein andres Glück und kein andres Leid als das der Liebe. Schon Irmgard hatte mich tanzen, Ida mich küssen gelehrt, und die Schönste, Emma, war die erste, die mir, am Herbstabend unterm wehenden Ulmenlaub, ihre bräunlichen Brüste zu küssen und den Becher der Lust zu trinken gab.

Vieles erlebte ich in Pablos kleinem Theater, und kein Tausendstel da von ist mit Worten zu sagen. Alle Mädchen, die ich je geliebt, waren nun mein, jede gab mir, was nur sie allein zu geben hatte, jeder gab ich, was nur sie von mir zu nehmen wußte. Viel Liebe, viel Glück, viel Wollust, viel Verwirrung auch und Leid bekam ich zu kosten, alle versäumte Liebe meines Lebens blühte in dieser Traumstunde zauberhaft in meinem Garten, keusche zarte Blumen, grelle lodernde Blumen, dunkle schnellwelkende Blumen, flackernde Wollust, innige Träumerei, glühende Schwermut, angstvolles Sterben, strahlende Neugeburt. Ich fand Frauen, die nur eilig und im Sturm zu gewinnen waren, und andre, um welche lang und sorgfältig zu werben ein Glück war; jeder dämmernde Winkel meines Lebens tauchte wieder auf, in welchem einst, sei es nur eine Minute lang, 176

die Stimme des Geschlechts mir gerufen, ein Frauenblick mich entzündet, ein Schimmer weißer Mädchenhaut mich gelockt hatte, und alles Versäumte ward eingeholt. Jede wurde mein, jede auf ihre Art. Die Frau mit den merkwürdigen tiefbraunen Augen unter flachshellem Haar war da, neben der ich einst eine Viertelstunde am Fenster im Gang eines Schnellzugs gestanden, und die später mehrmals in meinen Träumen erschienen war, — sie sprach kein Wort, aber sie lehrte mich ungeahnte, erschreckende, tödliche Liebeskünste. Und die glatte, stille, glasig lächelnde Chinesin vom Hafen in Marseille, mit dem glatten tiefschwarzen Haar und den schwimmenden Augen, auch sie wußte Unerhörtes.

Jede hatte ihr Geheimnis, duftete nach ihrem Erdreich, küßte, lachte auf ihre Weise, war auf ihre besondere Art schamhaft, auf ihre besondere Art schamlos.

Sie kamen und gingen, der Strom führte sie mir zu, spülte mich zu ihnen hin, von ihnen weg, es war ein spielendes, kindliches Schwimmen im Strom des Geschlechts, voll Reiz, voll Gefahr, voll Überraschung. Und ich staunte darüber, wie reich mein Leben, mein scheinbar so armes und liebloses Steppenwolfleben, an Verliebtheiten, an Gelegenheiten, an Lockungen gewesen war. Ich hatte sie fast alle versäumt und geflohen, war über sie hinweggestolpert, hatte sie schleunigst vergessen — aber hier waren sie alle aufbewahrt, lückenlos, Hunderte. Und jetzt sah ich sie, gab mich ihnen hin, stand ihnen offen, sank in ihre rosig dämmernde Unterwelt hinab. Auch jene Verführung kehrte wieder, die mir Pablo einst angeboten hatte, und andre, frühere, die ich zu ihrer Zeit nicht einmal ganz begriffen hatte, phantastische Spiele zu dreien und vieren, lächelnd nahmen sie mich in ihren Reigen mit. Viele Dinge geschahen, viele Spiele wurde gespielt, nicht mit Worten zu sagen.

Aus dem unendlichen Strom der Lockungen, der Laster, der Verstrickungen tauchte ich wieder empor, still, schweigend, gerüstet, mit Wissen gesättigt, weise, tief erfahren, reif für Hermine. Als letzte Figur in meiner tausendgestaltigen Mythologie, als letzter Name in der unendlichen Reihe tauchte sie auf, Hermine, und zugleich kehrte mir das Bewußtsein wieder und machte dem Liebesmärchen ein Ende, denn ihr wollte ich nicht hier in der Dämmerung eines Zauberspiegels begegnen, ihr gehörte nicht nur jene eine Figur meines Schachspiels, ihr gehörte der ganze Harry. Oh, ich würde nun mein 177

Figurenspiel so umbauen, daß alles sich auf sie bezog und zur Erfüllung führte.

Der Strom hatte mich an Land gespült, wieder stand ich im schweigenden Logengang des Theaters. Was nun? Ich griff nach den Figürchen in meiner Tasche, aber schon war dieser Antrieb wieder verblaßt. Unerschöpflich umgab mich diese Welt der Türen, der Inschriften, der magischen Spiegel. Willenlos las ich die nächste Aufschrift und schauderte:

Wie man durch Liebe tötet

stand da geschrieben. Schnell aufzuckend leuchtete ein Erinnerungsbild in mir, eine Sekunde lang: Hermine, am Tisch eines Restaurants, plötzlich von Wein und Speisen weg in ein abgründiges Gespräch verloren, furchtbaren Ernst im Blick, wie sie mir sagte, daß sie mich nur darum in sich verliebt machen werde, um von meiner Hand getötet zu werden. Eine schwere Woge von Angst und Dunkelheit flutete über mein Herz, plötzlich stand wieder alles vor mir, plötzlich spürte ich im Innersten wieder Not und Schicksal. Verzweifelnd griff ich in meine Tasche, um die Figuren hervorzulangen, um ein wenig Magie zu treiben und die Ordnung meines Schachbretts umzustellen, Es waren keine Figuren mehr da. Statt der Figuren zog ich ein Messer aus der Tasche. Zu Tode erschrocken lief ich durch den Korridor, an den Türen vorbei, stand plötzlich dem riesigen Spiegel gegenüber, blickte hinein. Im Spiegel stand, hoch wie ich, ein riesiger schöner Wolf, stand still, blitzte scheu aus unruhigen Augen. Flackernd blinzelte er mich an, lachte ein wenig, daß die Lefzen sich einen Augenblick trennten und die rote Zunge zu sehen war.

Wo war Pablo? Wo war Hermine? Wo war der kluge Kerl, der so hübsch vom Aufbau der Persönlichkeit geschwatzt hatte?

Are sens

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