"Unleash your creativity and unlock your potential with MsgBrains.Com - the innovative platform for nurturing your intellect." » » Salambo- Französische Literatur Gustave Flaubert · Deutsch

Add to favorite Salambo- Französische Literatur Gustave Flaubert · Deutsch

Select the language in which you want the text you are reading to be translated, then select the words you don't know with the cursor to get the translation above the selected word!




Go to page:
Text Size:

Taanach trat wieder zu Salambo; und nachdem sie zwei Lampen aufgestellt hatte, deren

Flammen in wassergefüllten Kristallkugeln brannten, färbte sie die Handflächen ihrer Herrin mit Henna, streute ihr auf die Wangen Zinnober, Antimon über die Augenlider, und verlängerte ihre Wimpern mit einem Brei aus Gummi, Moschus, Ebenholz und

zerquetschten Fliegenfüßen.

Salambo saß auf einem Stuhle mit Elfenbeinfüßen und überließ sich der Sorgfalt ihrer

Sklavin. Doch die Hantierungen, der Duft der Parfümerien und der Hunger nach dem langen Fasten gingen über ihre Kräfte. Sie wurde so bleich, daß Taanach innehielt.

»Fahr fort!« gebot Salambo.

Sie nahm sich gewaltsam zusammen und kam allmählich wieder zu sich. Jetzt ward sie

voller Unruhe und trieb Taanach zur Eile an. Die alte Dienerin murmelte:

»Ja, ja, Herrin! Es erwartet dich doch niemand!«

»Doch!« erwiderte Salambo. »Es erwartet mich wohl jemand!«

Taanach fuhr vor Erstaunen zurück, und um mehr zu erfahren, fragte sie:

»Was befiehlst du, Herrin? Denn wenn du fort mußt … «

Da brach Salambo in Tränen aus.

»Du leidest!« rief die Sklavin. »Was fehlt dir? Geh nicht fort! Nimm mich mit! Als du noch ganz klein warst, nahm ich dich an mein Herz, wenn du weintest, und brachte dich mit den Spitzen meiner Brüste zum Lachen. Du hast sie ausgesogen, Herrin!« Dabei schlug sie sich auf ihren vertrockneten Busen. »Jetzt bin ich alt und kann nichts mehr für dich tun! Du liebst mich nicht mehr! Du verheimlichst mir deine Schmerzen! Du verachtest die Amme!« Sie weinte vor Liebe und Ärger, und die Tränen rannen an ihren

Wangen herab durch die Narben ihrer Tätowierung.

»Nein!« sagte Salambo. »Ich liebe dich doch! Sei guten Muts!«

Mit einem Lächeln, das der Grimasse eines alten Affen glich, nahm Taanach ihre Beschäftigung wieder auf. Die Herrin hatte ihr auf Schahabarims Geheiß befohlen, sie prächtig zu schmücken, und so ward Salambo nach einem barbarischen Geschmack geputzt, der eine Mischung von Unnatur und Naivität war.

Über das dünne weinrote Hemd zog sie ein Kleid, mit Vogelfedern bestickt. Ein breiter goldschuppiger Gürtel umschloß ihre Hüften, von dem ihre blauen bauschigen mit

Silbersternen besetzten Beinkleider herabwallten. Dann legte ihr Taanach ein zweites Gewand aus weißer Chinaseide mit grüuen Streifen an. Auf den Schultern befestigte sie ihr ein viereckiges Purpurtuch, dessen Saum von Sandasterkörnern beschwert war. Über all diese Kleider hing sie einen schwarzen Mantel mit langer Schleppe. Hierauf betrachtete sie Salambo; und stolz auf ihr Werk, konnte sie nicht umhin, zu erklären:

»Am Hochzeitstage wirst du nicht schöner aussehen!«

»Am Hochzeitstage!« wiederholte Salambo und verlor sich in Träumereien, indes sie den Ellbogen auf die Stuhllehne aus Elfenbein stützte.

Taanach stellte vor ihr einen Kupferspiegel auf, der so hoch und breit war, daß sie sich vollständig darin erblicken konnte. Da erhob sich Salambo und schob mit einer leichten Handbewegung eine Locke zurück, die zu tief herabhing.

Ihr Haar war mit Goldstaub gepudert, auf der Stirn gekräuselt und floß in laugen Locken, an deren Enden Perlen hingen, den Rücken hinab. Das Licht der Lampe belebte

die Schminke auf ihren Wangen, das Gold auf ihren Gewändern und die Blässe ihrer Haut.

Um die Hüften, an den Handgelenken, Fingern und Zehen trug sie eine solche Fülle von

Edelsteinen, daß der Spiegel wie von Sonnenstrahlen sprühte. So stand Salambo hochaufgerichtet neben Taanach, die sich vorbeugte, um sie zu betrachten, und lächelte über all den Glanz.

Dann ging sie hin und her, damit ihr die Zeit, die ihr noch blieb, schneller vergehe.

Da ertönte ein Hahnenschrei. Schnell steckte Salambo einen langen gelben Schleier auf ihrem Haar fest, schlang ein Tuch um den Hals, fuhr mit den Füßen in blaue Lederschuhe und befahl Taanach:

»Geh und sieh unter den Myrtenbäumen nach, ob da nicht ein Mann mit zwei Pferden

wartet!«

Kaum war Taanach zurück, so stieg Salambo die Galeerentreppe hinunter.

»Herrin!« rief ihr die Amme nach.

Salambo wandte sich um und legte einen Finger auf den Mund, zum Zeichen, daß sie

schweigen und sich nicht rühren solle.

Taanach schlich leise an den Schiffsschnäbeln vorüber an das Geländer. Im Scheine des Mondes bemerkte sie unten in der Zypressenallee einen gigantischen Schatten, der schräg zur Linken von Salambo hinhuschte. Das mußte ein Vorzeichen des Todes sein!

Taanach lief in das Zimmer zurück. Dort warf sie sich lang hin, zerriß ihr Gesicht mit den Fingernägeln, raufte sich das Haar und stieß ein lautes, gellendes Geheul aus.

Dann aber kam ihr der Gedanke, man könne sie hören. Da ward sie still und schluchzte

nur noch ganz leise, den Kopf in die Hände und die Stirn auf den Boden gepreßt.

11

Kapitel

Im Zelte

Der Mann, der Salambo führte, ritt mit ihr in der Richtung nach der Totenstadt, erst bergauf, über den Leuchtturm hinaus, dann durch die langgestreckte Vorstadt Moluya mit ihren abschüssigen Gassen. Der Himmel begann hell zu werden. Balken aus Palmenholz,

die aus den Mauern herausragten, zwangen sie bisweilen, sich zu bücken. Obwohl die beiden Pferde im Schritt gingen, glitten sie doch oft aus. So gelangten sie endlich an das Tevester Tor.

Die schweren Torflügel standen halb auf. Die beiden ritten hindurch. Dann schloß sich das Tor hinter ihnen.

Zuerst zogen sie eine Zeitlang am Fuße der Festungswerke hin. Auf der Höhe der Zisternen angelangt, nahmen sie die Richtung nach der Taenia, einer schmalen Nehrung aus gelbem Sande, die den Golf vom Haff trennt und sich bis nach Rades erstreckte.

Kein Mensch war zu sehen, weder in Karthago, noch auf dem Meer oder in der Ebene.

Die schiefergraue Flut brandete leise, und der leichte Wind, der mit dem Schaum spielte, jagte weiße Flocken meerwärts. Trotz aller ihrer Kleider und Schleier fröstelte Salambo in der Morgenkühle. Die Bewegung und die frische Luft betäubten sie. Dann aber ging die

Sonne auf. Bald brannte sie ihr auf den Hinterkopf und machte sie schläfrig. Die beiden Pferde trotteten im Paß nebeneinander her. Ihre Hufe versanken lautlos im Sande.

Als sie den Berg der Heißen Wasser hinter sich hatten, wurde der Boden fester. Nun ritten sie in flotterer Gangart weiter.

Obwohl es die Zeit des Ackerns und Säens war, dehnten sich die Felder, soweit der Blick reichte, doch öde hin wie eine Wüste. An einzelnen Stellen lagen Haufen von Getreide unordentlich da. Anderswo fielen die Körner aus überreifen Ähren. Am hellen Horizont hoben sich Dörfer in losen, zackigen, schwarzen Umrissen ab.

Are sens