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»Daumen halten!« flüstert Luise aufgeregt. Vier kleine Daumen werden von vier kleinen Händen umklammert und gedrückt!

Lotte bewegt tonlos die Lippen.

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»Betest du?« fragt Luise.

Lotte nickt. Da fängt auch Luise an, die Lippen zu bewegen. »Komm, Herr Jesus, sei unser Gast und segne, was du uns bescheret hast!« murmelt sie halblaut.

Lotte schüttelt unwillig die Zöpfe.

»Es paßt nicht«, flüstert Luise entmutigt. »Aber mir fällt nichts anderes ein. — Komm, Herr Jesus, sei unser Gast und s e g n e . . . «

»Wenn wir einmal von uns beiden gänzlich absehen«, sagt gerade Herr Palffy nebenan und schaut unentwegt auf den Fußboden, »so wäre es zweifellos das beste, die Kinder würden nicht wieder getrennt.«

»Bestimmt«, meint die junge Frau. »Wir hätten sie nie auseinanderreißen sollen.«

Er schaut noch immer auf den Fußboden. »Wir haben vieles gutzumachen.« Er räuspert sich. »Ich bin also damit einverstanden, daß du — daß du beide Kinder zu dir nach München nimmst.«

Sie greift sich ans Herz.

»Vielleicht«, fährt er fort, »erlaubst du, daß sie mich im Jahr vier Wochen besuchen?« Als sie nichts erwidert, meint er: »Oder drei Wochen? Oder vierzehn Tage wenigstens?

Denn, obwohl du es am Ende nicht glauben wirst, ich habe die beiden sehr lieb.«

»Warum soll ich dir denn das nicht glauben?« hört er sie erwidern.

Er zuckt die Achseln. »Ich hab' es zu wenig bewiesen!«

»Doch! An Lottchens Krankenbett!« sagt sie. »Und woher willst du wissen, daß die beiden glücklich würden, wie wir's ihnen wünschen, wenn sie ohne Vater aufwachsen?«

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»Ohne dich ginge es doch erst recht nicht!«

»Ach, Ludwig, hast du wirklich nicht gemerkt, wonach sich die Kinder sehnen, und was sie nur nicht auszusprechen gewagt haben?«

»Natürlich hab' ich's gemerkt!« Er tritt ans Fenster. » N a -

türlich weiß ich, was sie wollen!« Ungeduldig zerrt er an dem Fensterriegel. »Sie wollen, daß auch du und ich beisammenbleiben!«

»Vater und Mutter wollen sie haben, unsere Kinder! Ist das unbescheiden?« fragt die junge Frau forschend.

»Nein! Aber es gibt auch bescheidene Wünsche, die nicht 140

erfüllbar sind!« Er steht am Fenster wie ein Junge, der in die Ecke gestellt wurde und der aus Trotz nicht wieder her-vorkommen will.

»Warum nicht erfüllbar?«

Überrascht wendet er sich um. »Das fragst du mich? Nach allem, was war?«

Sie schaut ihn ernst an und nickt, kaum merklich. Dann sagt sie: » J a ! Nach allem, was gewesen ist!«

Luise steht an der Tür und preßt die Augen ans Schlüsselloch. Lotte steht daneben und hält beide kleinen Fäuste, die Daumen kneifend, weit von sich.

»Oh, oh, oh!« murmelt Luise. »Vati gibt Mutti einen Kuß!«

Lottchen schiebt, ganz gegen ihre Gewohnheit, die Schwester unsanft beiseite und starrt nun ihrerseits durchs Schlüsselloch.

»Nun?« fragt Luise. »Noch immer?«

»Nein«, flüstert Lottchen und richtet sich strahlend hoch.

»Jetzt gibt Mutti Vati einen Kuß!«

Da fallen die Zwillinge einander jauchzend in die Arme!

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ZWÖLFTES K A P I T E L

Herr Grawunder wundert sich — Direktor Kilians komischeErzählung — Luises und Lottchens Heiratspläne — DieTitelseite der »Münchner Illustrierten« — Ein neues Schildan einer alten Tür — »Auf gute Nachbarschaft, Herr Kapellmeister!« — Man kann verlorenes Glück nachholen —

Kinderlachen und ein Kinderlied — »Und lauter Zwillinge!«

Herr Benno Grawunder, ein alter, erfahrener Beamter im Standesamt des ersten Wiener Bezirks, nimmt eine Trauung vor, die ihn, bei aller Routine, ab und zu ein bißchen aus der Fassung bringt. Die Braut ist die geschiedene Frau des Bräutigams. Die beiden einander entsetzlich ähnlichen zehn-jährigen Mädchen sind die Kinder des Brautpaars. Der eine Trauzeuge, ein Kunstmaler namens Anton Gabele, hat keinen Schlips um. Dafür hat der andere Zeuge, ein Hofrat Professor Doktor Strobl, einen Hund! Und der Hund hat im Vorzimmer, wo er eigentlich bleiben sollte, einen solchen Lärm gemacht, daß man ihn hereinholen und an der standes-amtlichen Trauung teilnehmen lassen mußte! Ein Hund als Trauzeuge! Nein, so was!

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