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Es läutet. Die Pause ist zu Ende. So sollte man wenigstens denken.

Die Lehrerinnen betreten die Klassenzimmer. Die Klassenzimmer sind leer. Die Lehrerinnen treten an die Fenster und starren empört auf den Schulhof hinunter. Der Schulhof ist überfüllt. Die Lehrerinnen dringen ins Zimmer des Direktors, um im Chor Beschwerde zu führen.

»Nehmen Sie Platz, meine Damen!« sagt er. »Der Schul-diener hat mir soeben die neue Nummer der >Münchner Illustriertem gebracht. Die Titelseite ist für unsere Schule recht interessant. Darf ich bitten, Fräulein Bruckbaur?« Er reicht ihr die Zeitschrift.

Und nun vergessen auch die Lehrerinnen, genau wie im Schulhof die kleinen Mädchen, daß die Pause längst vorüber ist.

Fräulein Irene Gerlach steht, elegant wie immer, in der Nähe der Oper und starrt betroffen auf das Titelblatt der

»Münchner Illustrierten«, wo zwei kleine bezopfte Mädchen abgebildet sind. Als sie aufblickt, starrt sie noch mehr.

Denn an der Verkehrskreuzung hält ein Taxi, und in dem Taxi sitzen zwei kleine Mädchen mit einem Herrn, den sie 148

gut gekannt hat, und einer Dame, die sie nie kennenlernen möchte!

Lotte zwickt die Schwester. »Du, dort drüben!«

»Au! Was denn?«

Lotte flüstert, daß es kaum zu hören ist: »Fräulein Gerlach!«

»Wo?«

»Rechts! Die mit dem großen Hut! Und mit der Zeitung in der Hand!« Luise schielt zu der eleganten Dame hinüber. Am liebsten möchte sie ihr triumphierend die Zunge herausstrecken.

»Was habt ihr denn, ihr zwei?«

Verflixt, nun hat die Mutti wohl doch etwas gemerkt?

Da beugt sich, zum Glück, aus dem Auto, das neben dem Taxi wartet, eine vornehme alte Dame herüber. Sie hält der Mutti eine illustrierte Zeitung hin und sagt lächelnd: »Darf ich Ihnen ein passendes Präsent machen?«

Frau Palffy nimmt die Illustrierte, sieht das Titelbild, dankt lächelnd und gibt die Zeitung ihrem Mann.

Die Autos setzen sich in Bewegung. Die alte Frau nickt zum Abschied. Die Kinder klettern neben Vati auf den Wagensitz und bestaunen das Titelbild.

»Dieser Herr Eipeldauer!« sagt Luise. »Uns so hineinzu-legen!«

»Wir dachten doch, wir hätten alle Fotos zerrissen!« meint Lotte.

» E r hat ja die Platten!« erklärt die Mutti. »Da kann er noch Hunderte von Bildern abziehen!«

»Wie gut, daß er euch angeschmiert hat«, stellt der Vater fest. »Ohne ihn wäre Mutti nicht hinter euer Geheimnis 149

gekommen. Und ohne ihn wäre heute keine Hochzeit gewesen.«

Luise dreht sich plötzlich um und schaut zur Oper zurück.

Aber von Fräulein Gerlach ist weit und breit nichts mehr zu sehen.

Lotte sagt zur Mutti: »Wir werden dem Herrn Eipeldauer einen Brief schreiben und uns bei ihm bedanken!«

Das »aufgebackene« Ehepaar klettert in der Rotenturmstraße mit den Zwillingen die Stiegen hinauf. An der offenen Tür wartet schon die Resi in ihrem sonntäglichen Trach-tenstaat, grinst über das ganze breite Bäuerinnengesicht und überreicht der jungen Frau einen großmächtigen Blumen-strauß.

»Ich dank' Ihnen schön, Resi«, sagt die junge Frau. »Und ich freu' mich, daß Sie bei uns bleiben wollen!«

Resi nickt wie eine Puppe aus dem Kasperltheater, so energisch und ruckartig. Dann stottert sie: »Ich hätte ja auf den Hof z'ruck sollen. Zum Herrn Vater. Aber ich hab' doch das Fräul'n Lottchen so arg gern!«

Der Herr Kapellmeister lacht. »Zu uns drei anderen sind S' nicht eben höflich, Resi!« Resi zuckt ratlos mit den Schultern.

Frau Palffy greift rettend ein. »Wir können doch nicht ewig auf dem Treppenflur stehenbleiben!«

»Bitt' schön!« Resi reißt die Tür ganz weit auf.

»Momenterl!« sagt der Herr Kapellmeister gemächlich.

»Ich muß erst einmal in die andere Wohnung!«

Alle außer ihm erstarren. Schon am Hochzeitstag will er 150

wieder ins Atelier am Ring? (Nein, die Resi erstarrt ganz und gar nicht! Sie lacht vielmehr lautlos in sich hinein.) Herr Palffy geht zu Herrn Gabeles Wohnungstür, zückt einen Schlüssel und schließt in aller Seelenruhe auf!

Lottchen rennt zu ihm. An der Tür ist ein neues Schild angebracht, und auf dem Schild steht deutlich zu lesen:

»Palffy!«

»O Vati!« ruft sie überglücklich.

Da steht auch schon Luise neben ihr, liest das Schild, kriegt die Schwester am Kragen und beginnt mit ihr eine Art Veitstanz aufzuführen. Das alte Stiegenhaus wackelt in allen Fugen.

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