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Da dreht sich Luise um und rennt, als werde sie von Löwen und Tigern verfolgt, in den Garten.

»Luise!« ruft Fräulein Ulrike. »Luise!« Dann zuckt sie die Achseln und bringt erst einmal die zwanzig Neulinge ins Haus. Als letzte, zögernd und unendlich verwundert, spaziert das kleine Zopfmädchen.

Frau Muthesius

Frau Muthesius, die Leiterin des Kinderheims, sitzt im Büro und berät mit der alten, resoluten Köchin den Speise-zettel für die nächsten Tage.

Da klopft es. Fräulein Ulrike tritt ein und meldet, daß die Neuen gesund, munter und vollzählig eingetroffen seien.

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»Freut mich. Danke schön!«

»Dann wäre noch eins . . . «

» J a ? « Die vielbeschäftigte Heimleiterin blickt kurz hoch.

»Es handelt sich um Luise Palffy«, beginnt Fräulein Ulrike zögernd. »Sie wartet draußen vor der Tür . . . «

»Herein mit dem Fratz!« Frau Muthesius muß lächeln.

»Was hat sie denn wieder ausgefressen?«

»Diesmal nichts«, sagt die Helferin. »Es ist bloß . . . « Sie öffnet behutsam die Tür und ruft: »Kommt herein, ihr beiden! Nur keine Angst!«

Nun treten die zwei kleinen Mädchen ins Zimmer. Weit voneinander entfernt bleiben sie stehen.

»Da brat' mir einer einen Storch!« murmelt die Köchin.

Während Frau Muthesius erstaunt auf die Kinder schaut, sagt Fräulein Ulrike: »Die Neue heißt Lotte Körner und kommt aus München.«

»Seid ihr miteinander verwandt?«

Die zwei Mädchen schütteln unmerklich, aber überzeugt die Köpfe.

»Sie haben einander bis zum heutigen Tage noch nie gesehen!« meint Fräulein Ulrike. »Seltsam, nicht?«

»Wieso seltsam?« fragt die Köchin. »Wie können s' einander denn g'sehn ham? Wo doch die eine aus München stammt und die andere aus Wien?«

Frau Muthesius sagt freundlich: »Zwei Mädchen, die einander so ähnlich schauen, werden sicher gute Freundinnen werden. Steht nicht so fremd beieinand', Kinder! Kommt, gebt euch die Hand!«

»Nein!« ruft Luise und verschränkt die Arme hinter dem Rücken.

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Frau Muthesius zuckt die Achseln, denkt nach und sagt abschließend: »Ihr könnt gehen.«

Luise rennt zur Tür, reißt sie auf und stürmt hinaus. Lotte macht einen Knicks und will langsam das Zimmer verlassen.

»Noch einen Augenblick, Lottchen«, meint die Leiterin. Sie schlägt ein großes Buch auf. »Ich kann gleich deinen Namen eintragen. Und wann und wo du geboren bist. Und wie deine Eltern heißen.«

»Ich hab' nur noch meine Mutti«, flüstert Lotte.

Frau Muthesius taucht den Federhalter ins Tintenfaß.

»Zuerst also, dein Geburtstag!«

Lotte geht den Korridor entlang, steigt die Treppen hinauf, öffnet eine Tür und steht im Schrankzimmer. Ihr Koffer ist noch nicht ausgepackt. Sie fängt an, ihre Kleider, Hemden, Schürzen und Strümpfe in den ihr zugewiesenen Schrank zu tun. Durchs offene Fenster dringt fernes Kinderlachen.

Lotte hält die Fotografie einer jungen Frau in der Hand.

Sie schaut das Bild zärtlich an und versteckt es dann sorg-fältig unter den Schürzen. Als sie den Schrank schließen will, fällt ihr Blick auf einen Spiegel an der Innenwand der Tür.

Ernst und forschend mustert sie sich, als sähe sie sich zum erstenmal. Dann wirft sie, mit plötzlichem Entschluß, die Zöpfe nach hinten und streicht das H a a r so, daß ihr Schopf dem Luise Palffys ähnlich wird.

Irgendwo schlägt eine Tür. Schnell, wie ertappt, läßt Lotte die Hände sinken.

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Luise hockt mit ihren Freundinnen auf der Gartenmauer und hat eine strenge Falte über der Nasenwurzel.

»Ich ließe mir das nicht gefallen«, sagt Trude, ihre Wiener Klassenkameradin. »Kommt da frech mit deinem Gesicht daher!«

»Was soll ich denn machen?« fragt Luise böse.

»Zerkratz es ihr!« schlägt Monika vor.

»Das beste wird sein, du beißt ihr die Nase ab!« rät Christine. »Dann bist du den ganzen Ärger mit einem Schlag los!«

Dabei baumelt sie gemütlich mit den Beinen.

»Einem so die Ferien zu verhunzen!« murmelt Luise, auf-richtig verbittert.

»Sie kann doch nichts dafür«, erklärt die pausbäckige Steffie. »Wenn nun jemand käme und sähe wie ich aus . . . «

Trude lacht. »Du glaubst doch selber nicht, daß jemand anderer so blöd wäre, mit deinem Kopf herumzulaufen!«

Steffie schmollt. Die anderen lachen. Sogar Luise verzieht das Gesicht.

Da ertönt der Gong.

»Die Fütterung der Raubtiere!« ruft Christine. Und die Mädchen springen von der Mauer herunter.

Frau Muthesius sagt im Speisesaal zu Fräulein Ulrike:

»Wir wollen unsere kleinen Doppelgängerinnen nebeneinander setzen. Vielleicht hilft eine Radikalkur!«

Die Kinder strömen lärmend in den Saal. Schemel werden gerückt. Die Mädchen, die Dienst haben, schleppen damp-14

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