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Ferienschluß, eine Fotografie von ihm haben willst? Erst wollte ich Dir ja ein Kinderbild von mir schicken. Eines, wo ich als nackiges Baby auf einem Eisbärenfell liege! Aber Du schreibst, daß es unbedingt ein funkelnagelneues Bild sein muß! Na, da bin ich gleich zum Fotografen gerannt, obwohl ich eigentlich gar keine Zeit hatte, und habe ihm genau erklärt, weswegen ich das Bild so eilig brauche. Sonst, habe ich ihm gesagt, erkennt mich meine Luise nicht wieder, wenn ich sie von der Bahn abhole! Das hat er zum Glück eingesehen. Und so kriegst Du das Bild noch rechtzeitig.

Hoffentlich tanzt Du den Fräuleins im Heim nicht so auf der Nase herum wie Deinem Vater, der Dich tausendmal grüßt und große Sehnsucht nach Dir hat!«

»Schön!« sagt Lotte. »Und lustig! Dabei sieht er auf dem Bild so ernst aus!«

»Wahrscheinlich hat er sich vor dem Fotografen geniert, zu lachen«, vermutet Luise. »Vor anderen Leuten macht er immer ein strenges Gesicht. Aber wenn wir allein sind, kann er sehr komisch sein.«

Lotte hält das Bild ganz fest. »Und ich darf es wirklich behalten?«

»Natürlich«, sagt Luise, »deswegen hab' ich's mir doch schicken lassen!«

Die pausbäckige Steffie sitzt auf einer Bank, hält einen Brief in der Hand und weint. Sie gibt dabei keinen Laut von sich.

Die Tränen rollen unaufhörlich über das runde, unbeweg-liche Kindergesicht.

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Trude schlendert vorbei, bleibt neugierig stehen, setzt sich daneben und schaut Steffie abwartend an.

Christine kommt hinzu und setzt sich auf die andere Seite.

Luise und Lotte nähern sich und bleiben stehen.

»Fehlt dir etwas?« fragt Luise.

Steffie weint lautlos weiter. Plötzlich senkt sie die Augen und sagt monoton: »Meine Eltern lassen sich scheiden!«

»So eine Gemeinheit!« ruft Trude. » D a schicken sie dich erst in die Ferien, und dann tun sie so was! Hinter deinem Rücken!«

»Der P a p a liebt, glaub' ich, eine andere Frau«, schluchzt Steffie.

Luise und Lotte gehen rasch weiter. Was sie eben gehört haben, bewegt ihre Gemüter aufs heftigste.

»Unser Vater«, fragt Lotte, »hat doch aber keine neue Frau?«

»Nein«, erwidert Luise. »Das wüßte ich.«

»Vielleicht eine, mit der er nicht verheiratet ist?« fragt Lotte zögernd.

Luise schüttelt den Lockenkopf. »Bekannte hat er natürlich. Auch Frauen. Aber du sagt er zu keiner! Aber wie ist das mit Mutti? Hat Mutti einen — einen guten Freund?«

»Nein«, meint Lotte zuversichtlich. »Mutti hat mich und ihre Arbeit, und sonst will sie nichts vom Leben, sagt sie.«

Luise blickt die Schwester ziemlich ratlos an. » J a , aber warum sind sie denn dann geschieden?«

Lotte denkt nach. »Vielleicht waren sie gar nicht auf dem Gericht? So, wie Steffies Eltern das wollen?«

»Warum ist Vater in Wien und Mutti in München?« fragt Luise. »Warum haben sie uns halbiert?«

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»Warum«, fährt Lotte grübelnd fort, »haben sie uns nie erzählt, daß wir gar nicht einzeln, sondern eigentlich Zwillinge sind? Und warum hat Vater dir nichts davon erzählt, daß Mutti lebt?«

»Und Mutti hat dir verschwiegen, daß Vati lebt!« Luise stemmt die Arme in die Seiten. »Schöne Eltern haben wir, was? Na warte, wenn wir den beiden einmal die Meinung geigen! Die werden staunen!«

»Das dürfen wir doch gar nicht«, meint Lotte schüchtern.

»Wir sind ja nur Kinder!«

»Nur?« fragt Luise und wirft den Kopf zurück.

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V I E R T E S K A P I T E L

Gefüllte Palatschinken, wie entsetzlich! — Die geheimnisvollen Oktavhefte — Schulwege und Gutenachtküsse —

Es ist eine Verschwörung im Gange — Das Gartenfest alsGeneralprobe — Abschied von Seebühl am Bühlsee Die Ferien gehen dem Ende zu. In den Schränken sind die Stapel frischer Wäsche zusammengeschmolzen. Die Be-trübnis, das Kinderheim bald verlassen zu müssen, und die Freude aufs Zuhause wachsen gleichmäßig.

Frau Muthesius plant ein kleines Abschiedsfest. Der Vater eines der Mädchen, dem ein Kaufhaus gehört, hat eine große Kiste Lampions, Girlanden und viele andere Dinge geschickt.

Nun sind die Helferinnen und die Kinder eifrig dabei, die Veranda und den Garten gehörig herauszuputzen. Sie schleppen Küchenleitern von Baum zu Baum, hängen bunte Later-nen ins Laub, schlingen Girlanden von Zweig zu Zweig und bereiten auf einem langen Tisch eine Tombola vor. Andere schreiben auf kleine Zettel Losnummern. Der Hauptgewinn: ein P a a r Rollschuhe mit Kugellagern!

»Wo sind eigentlich die Locken und die Zöpfe?« fragt Fräulein Ulrike. (So nennt man Luise und Lotte neuerdings!)

»Och die!« meint Monika abfällig. »Die werden wieder irgendwo im Gras sitzen und einander an den Händen halten, damit der Wind sie nicht auseinanderweht!«

Die Zwillinge sitzen nicht irgendwo im Gras, sondern im Garten der Försterei. Sie halten einander auch nicht an den 41

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