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Herr Eipeldauer, der Fotograf

Luise springt auf. »Zeig mir's!« Sie zerrt die andere vom Stuhl herunter und aus dem Garten.

»Nanu!« ruft da jemand empört. »Was sind denn das für neue Moden?« Es ist die Förstersfrau. »Limonade trinken und nicht zahlen?«

Luise erschrickt. Sie kramt mit zitternden Fingern in ihrem kleinen Portemonnaie, drückt der Frau einen mehrfach gekniffenen Schein in die Hand und läuft zu Lotte zurück.

»Ihr kriegt etwas heraus!« schreit die Frau. Aber die Kinder hören sie nicht. Sie rennen, als gälte es das Leben.

»Was mögen die kleinen Gänse bloß auf dem Kerbholz haben?« brummt die Frau. Dann geht sie ins Haus. Der alte Jagdhund trottet hinterdrein.

Lotte kramt im Kinderheim hastig in ihrem Schrank.

Unter dem Wäschestapel holt sie eine Fotografie hervor und hält sie der am ganzen Körper zitternden Luise hin.

Luise schaut scheu und ängstlich auf das Bild. Dann ver-klärt sich ihr Blick. Ihre Augen saugen sich förmlich an dem Frauenantlitz fest.

Lottes Gesicht ist erwartungsvoll auf die andere gerichtet.

Luise läßt, vor lauter Glück erschöpft, das Bild sinken und nickt selig. Dann preßt sie es wild an sich und flüstert:

»Meine Mutti!«

Lotte legt den Arm um Luises Hals. »Unsere Mutti.«

Zwei kleine Mädchen drängen sich eng aneinander. Hinter dem Geheimnis, das sich ihnen eben entschleiert hat, warten neue Rätsel, andere Geheimnisse.

Der Gong dröhnt durchs Haus. Kinder rennen lachend 30

und lärmend treppab. Luise will das Bild in den Schrank zu-rücklegen. Lotte sagt: »Ich schenk' dir's!«

Fräulein Ulrike steht im Büro vor dem Schreibtisch der Leiterin und hat vor Aufregung krebsrote, kreisrunde Flek-ken auf beiden Backen. »Ich kann es nicht für mich behalten!« stößt sie hervor. »Ich muß mich Ihnen anvertrauen!

Wenn ich nur wüßte, was wir tun sollen!«

»Na, n a « , sagt Frau Muthesius, »was drückt Ihnen denn das Herz ab, meine Liebe?«

»Es sind gar keine astrologischen Zwillinge!«

»Wer denn?« fragt Frau Muthesius lächelnd. »Der englische König und der Schneider?«

»Nein! Luise Palffy und Lotte Körner! Ich habe im Auf-nahmebuch nachgeschlagen! Sie sind beide am selben Tag in Linz geboren! Das kann kein Zufall sein!«

»Wahrscheinlich ist es kein Zufall, meine Liebe. Ich habe mir auch schon bestimmte Gedanken gemacht.«

»Sie wissen es also?« fragt Fräulein Ulrike und schnappt nach Luft.

»Natürlich! Als ich die kleine Lotte, nachdem sie angekommen war, nach ihren Daten gefragt und diese eingetragen hatte, verglich ich sie mit Luises Geburtstag und Geburtsort.

Das lag doch einigermaßen nahe. Nicht wahr?«

» J a , ja. Und was geschieht nun?«

»Nichts.«

»Nichts?«

»Nichts! Falls Sie den Mund nicht halten sollten, schneide ich Ihnen die Ohren ab, meine Liebe.«

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»Aber . . . «

»Kein Aber! Die Kinder ahnen nichts. Sie haben sich vorhin fotografieren lassen und werden die Bildchen heimschik-ken. Wenn sich die Fäden hierdurch entwirren, gut! Doch Sie und ich, wir wollen uns hüten, Schicksal zu spielen. Ich danke Ihnen für Ihre Einsicht, meine Liebe. Und jetzt schicken Sie mir, bitte, die Köchin.«

Fräulein Ulrike macht kein sonderlich geistreiches Gesicht, als sie das Büro verläßt. Übrigens wäre das bei ihr auch etwas völlig Neues.

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D R I T T E S K A P I T E L

Neue Kontinente werden entdeckt — Rätsel über Rätsel —

Der entzweigeteilte Vorname — Eine ernste Fotografie undein lustiger Brief — Steffies Eltern lassen sich scheiden —

Darf man Kinder halbieren?

Die Zeit vergeht. Sie weiß es nicht besser.

Haben die zwei kleinen Mädchen ihre Fotos beim Herrn Eipeldauer im Dorf abgeholt? Längst! Hat sich Fräulein Ulrike neugierig erkundigt, ob sie die Fotos nach Hause geschickt hätten? Längst! Haben Luise und Lotte mit dem Kopf genickt und »ja« gesagt? Längst!

Und ebensolang liegen dieselben Fotos, in lauter kleine Fetzen zerpflückt, auf dem Grunde des flaschengrünen Bühlsees bei Seebühl. Die Kinder haben Fräulein Ulrike ange-logen! Sie wollen ihr Geheimnis für sich behalten! Wollen es zu zweit verbergen und, vielleicht, zu zweit enthüllen!

Und wer ihren Heimlichkeiten zu nahe kommt, wird rück-sichtslos beschwindelt. Es geht nicht anders. Nicht einmal Lottchen hat Gewissensbisse. Das will viel heißen.

Die beiden hängen neuerdings wie die Kletten zusammen.

Trude, Steffie, Monika, Christine und die anderen sind manchmal böse auf Luise, eifersüchtig auf Lotte. Was hilft's?

Gar nichts hilft es! Wo mögen sie jetzt wieder stecken?

Sie stecken im Schrankzimmer. Lotte holt zwei gleiche Schürzen aus ihrem Schrank, gibt der Schwester eine davon und sagt, während sie sich die andere umbindet: »Die Schürzen hat Mutti beim Oberpollinger gekauft.«

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»Aha«, meint Luise, »das ist das Kaufhaus in der Neu-hauserstraße, beim . . . wie heißt das Tor?«

Are sens