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Illuán verneigte sich abermals und entfernte sich.

Ein wenig später landeten Fuchur und Atréju, die weit vorausgeflogen waren, neben Bastian. Der Heerzug machte gerade Mittagsrast.

»Ich weiß nicht, was ich davon halten soll«, begann Atréju. »Drei bis vier Wegstunden voraus haben wir mitten im Orchideenwald ein Bauwerk gesehen, das wie eine große Hand aussieht, die aus dem Boden ragt. Es macht einen ziemlich unheimlichen Eindruck. Wenn wir die bisherige Richtung beibehalten, laufen wir genau darauf zu.«

Bastian berichtete, was er inzwischen durch Illuán wußte.

»In diesem Fall«, meinte Atréju, »wäre es vernünftiger, die Richtung zu ändern, meinst du nicht?«

»Nein«, sagte Bastian.

»Aber es gibt keinen Grund, der uns zwingt, mit Xayíde zusammenzutreffen. Es wäre besser, wir vermeiden die Begegnung.«

»Es gibt einen Grund«, sagte Bastian.

»Welchen?«

»Weil ich es möchte«, sagte Bastian.

Atréju schwieg und schaute ihn groß an. Da sich wieder von allen Seiten Phantásier herandrängten, um einen Blick von Bastian zu erhaschen, setzten sie das Gespräch nicht fort. Aber nach dem Mittagsmahl kam Atréju zurück und schlug Bastian in scheinbar unbekümmertem Ton vor:

»Hättest du nicht Lust, mit mir zusammen auf Fuchur zu fliegen?«

Bastian verstand, daß Atréju etwas auf dem Herzen hatte. Sie schwangen sich auf den Rücken des Glücksdrachen, Atréju vorne, Bastian hinter ihm, und stiegen in die Luft empor. Es war das erste Mal, daß sie gemeinsam flogen.

Kaum waren sie außer Hörweite, als Atréju sagte:

»Es ist jetzt schwer, dich allein zu sprechen. Aber wir müssen unbedingt miteinander reden, Bastian.«

»Das hab’ ich mir gedacht«, antwortete Bastian lächelnd. »Was gibt’s denn?« »Wohin wir da geraten sind«, begann Atréju zögernd, »und worauf wir uns da zubewegen hängt das mit einem neuen Wunsch von dir zusammen?«

»Vermutlich«, erwiderte Bastian ein wenig kühl.

»Ja«, fuhr Atréju fort, »das haben wir uns schon gedacht, Fuchur und ich.

Was für ein Wunsch mag das wohl sein?«

Bastian schwieg.

»Versteh mich nicht falsch«, fügte Atréju hinzu, »es handelt sich nicht darum, daß wir Angst vor irgend etwas oder irgendwem haben. Aber als deine Freunde machen wir uns Sorgen um dich.«

»Das ist unnötig«, gab Bastian noch kühler zurück.

Atréju schwieg längere Zeit. Schließlich wandte Fuchur den Kopf nach ihnen und sagte: »Atréju hat einen sehr vernünftigen Vorschlag zu machen, den solltest du dir anhören, Bastian Balthasar Bux.«

»Habt ihr wieder einen guten Rat?« fragte Bastian mit spöttischem Lächeln. »Nein, kein Rat, Bastian«, antwortete Atréju, »einen Vorschlag, der dir vielleicht im ersten Augenblick nicht gefallen wird. Aber du solltest erst darüber nachdenken, ehe du ihn ablehnst. Wir haben uns die ganze Zeit den Kopf zerbrochen, wie wir dir helfen können. Alles liegt an der Wirkung, die das Zeichen der Kindlichen Kaiserin auf dich hat. Ohne AURYNS Macht kannst du dich nicht weiterwünschen, aber mit AURYNS

Macht verlierst du dich selbst und erinnerst dich immer weniger daran, wohin du überhaupt willst. Wenn wir nichts tun, kommt der Moment, wo du es gar nicht mehr weißt.«

»Darüber haben wir schon gesprochen«, sagte Bastian, »was weiter?«

»Als ich damals das Kleinod trug«, fuhr Atréju fort, »war alles anders.

Mich hat es geführt, und es hat mir nichts genommen. Vielleicht weil ich kein Mensch bin und deshalb keine Erinnerung an die Menschenwelt zu verlieren habe. Ich will sagen, es hat mir nicht geschadet, ganz im Gegenteil. Und deshalb wollte ich dir vorschlagen, daß du mir AURYN

gibst und dich meiner Führung einfach anvertraust. Ich werde deinen Weg für dich suchen. Was hältst du davon?«

»Abgelehnt!« sagte Bastian kalt.

Fuchur wandte wieder seinen Kopf zurück.

»Willst du nicht wenigstens einen Augenblick darüber nachdenken?«

»Nein«, antwortete Bastian, »wozu?«

Jetzt wurde Atréju zum ersten Mal zornig.

»Bastian, nimm Vernunft an! Du mußt einsehen, daß du so nicht weitermachen kannst! Merkst du denn nicht, daß du dich ganz verändert hast? Was hast du überhaupt noch mit dir selbst zu tun? Und was wird noch aus dir werden?«

»Danke schön«, sagte Bastian, »vielen Dank, daß ihr euch pausenlos um meine Angelegenheiten kümmert! Aber es wäre mir, ehrlich gesagt, sehr viel lieber, wenn ihr mich endlich damit verschonen würdet. Ich -falls ihr das vergessen habt -ich bin nämlich der, der Phantásien gerettet hat, ich bin der, dem Mondenkind ihre Macht anvertraut hat. Und irgendeinen Grund muß sie dafür wohl gehabt haben, sonst hätte sie AURYN ja dir lassen können, Atréju. Aber sie hat dir das Zeichen abgenommen und hat es mir gegeben! Ich hab’ mich verändert, sagst du? Ja, mein lieber Atréju, da

kannst du schon recht haben! Ich bin nicht mehr der harmlose und nichtsahnende Tropf, den ihr in mir seht! Soll ich dir sagen, warum du AURYN in Wahrheit von mir haben willst? Weil du ganz einfach eifersüchtig auf mich bist, nichts als eifersüchtig. Ihr kennt mich noch nicht, aber wenn ihr in dieser Art weitermacht ich sage es euch noch einmal im Guten - dann werdet ihr mich kennenlernen!« Atréju antwortete nicht.

Fuchurs Flug hatte plötzlich alle Kraft verloren, er schleppte sich mühsam durch die Luft und sank tiefer und tiefer wie ein angeschossener Vogel.

»Bastian«, brachte Atréju schließlich mit Mühe heraus, »was du da eben gesagt hast, kannst du nicht ernstlich glauben. Wir wollen es vergessen. Es ist nie gesagt worden.« »Na gut«, antwortete Bastian, »wie du willst. Ich habe nicht damit angefangen. Aber meinetwegen: Schwamm drüber.«

Eine Weile sagte keiner mehr ein Wort.

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