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Dann sah Bastian die Bewohner. Es waren Männer, Frauen und Kinder.

Der Gestalt nach schienen sie gewöhnliche Menschen, doch ihre Kleidung sah aus, als seien sie allesamt närrisch geworden und könnten nicht mehr unterscheiden zwischen Dingen, die zum Anziehen, und Gegenständen, die zu anderem Zwecke dienten. Auf den Köpfen trugen sie Lampenschirme, Sandeimerchen, Suppenschüsseln, Papierkörbe, Tüten oder Schachteln.

Und um ihre Leiber hingen Tischtücher, Teppiche, große Stücke Silberpapier oder sogar Tonnen. Viele zogen oder schoben Handkarren und Wagen herum, auf denen alles mögliche Gerümpel aufgestapelt war, zerbrochene Lampen, Matratzen, Geschirr, Lumpen und Flitterkram.

Andere wieder schleppten ähnlichen Plunder in riesigen Ballen auf dem Rücken herum. Je tiefer Bastian in die Stadt hinunterging, desto dichter wurde das Gewimmel. Doch schien keiner der Leute recht zu wissen, wohin er wollte. Mehrmals beobachtete Bastian, daß einer seinen Karren, den er mühsam in die eine Richtung gezogen hatte, nach kurzer Zeit schon wieder in die entgegengesetzte Richtung zerrte, um wenig später abermals eine neue Richtung einzuschlagen. Aber alle waren fieberhaft tätig.

Bastian beschloß, einen von ihnen anzusprechen.

»Wie heißt diese Stadt?«

Der Angeredete ließ seinen Karren los, richtete sich auf, rieb sich eine Weile die Stirn, als ob er angestrengt nachdächte, dann ging er fort und ließ seinen Karren einfach stehen. Er schien ihn vergessen zu haben. Doch schon wenige Minuten später bemächtigte sich eine Frau desFahrzeugs und zog es mühsam irgendwohin. Bastian fragte sie, ob der Plunder ihr gehöre.

Die Frau stand eine Weile in tiefes Grübeln versunken, dann ging sie weg.

Bastian versuchte es noch ein paarmal, aber auf keine einzige Frage bekam er eine Antwort. »Es ist zwecklos, sie zu fragen«, hörte er plötzlich eine kichernde Stimme, »sie können dir nichts mehr sagen. Man könnte sie die Nichtssagenden nennen.«

Bastian drehte sich nach der Stimme um und sah auf einem Mauervorsprung (der die Unterseite eines Erkers war, der verkehrt herum stand) einen kleinen grauen Affen sitzen. Das Tier hatte einen schwarzen Doktorhut auf, von dem eine Quaste baumelte, und schien angelegentlich damit beschäftigt, etwas an den Fingern seiner Füße abzuzählen. Dann grinste es Bastian an und sagte:

»Verzeihung, ich habe mir bloß schnell etwas ausgerechnet.«

»Wer bist du?« fragte Bastian.

»Argax, mein Name, sehr angenehm!« antwortete das Äffchen und lüpfte den Doktorhut, »und mit wem habe ich das Vergnügen?«

»Ich heiße Bastian Balthasar Bux.«

»Eben!« sagte das Äffchen befriedigt.

»Und wie heißt diese Stadt?« erkundigte sich Bastian.

»Sie hat eigentlich keinen Namen«, erklärte Argax, »aber man könnte sie

- sagen wir mal die Alte Kaiser Stadt nennen.«

»Die Alte Kaiser Stadt?« wiederholte Bastian beunruhigt. »Warum? Ich sehe hier niemand, der wie ein Alter Kaiser aussieht.«

»Nein?« - das Äffchen kicherte - »und doch waren alle, die du hier siehst, zu ihrer Zeit einmal Kaiser von Phantasien - oder sie wollten es wenigstens werden.«

Bastian erschrak.

»Woher weißt du das, Argax?«

Der Affe lüpfte wieder den Doktorhut und grinste.

»Ich bin - sagen wir mal - der Aufseher über die Stadt.«

Bastian blickte herum. Ganz in der Nähe hatte ein alter Mann eine Grube ausgehoben. Jetzt stellte er eine brennende Kerze hinein und schaufelte das Loch wieder zu.

Das Äffchen kicherte.

»Kleine Stadtbesichtigung gefällig, Herr? Sagen wir mal - erste Bekanntschaft machen mit deinem künftigen Wohnort?«

»Nein«, sagte Bastian, »was redest du da?«

Das Äffchen sprang auf seine Schulter.

»Komm nur!« wisperte es, »kostet nichts. Hast schon alles bezahlt, was dich zum Eintritt berechtigt.«

Bastian begann zu gehen, obwohl er eigentlich lieber fortgelaufen wäre.

Ihm war unbehaglich, und dieses Gefühl wuchs mit jedem Schritt. Er beobachtete die Leute, und ihm fiel auf, daß sie auch untereinander nicht redeten. Sie kümmerten sich überhaupt nicht umeinander, ja, sie schienen sich nicht einmal wahrzunehmen.

»Was ist los mit ihnen?« erkundigte sich Bastian, »warum benehmen sie sich so sonderbar?« »Nicht sonderbar«, kicherte Argax ihm ins Ohr, »sie sind deinesgleichen, könnte man sagen, oder besser, sie waren es zu ihrer Zeit.«

»Was meinst du damit?« Bastian blieb stehen. »Willst du sagen, daß es Menschen sind?« Argax hüpfte vor Belustigung auf Bastians Rücken auf und nieder:

»So ist es! So ist es!«

Bastian sah mitten auf seinem Weg eine Frau sitzen, die mit einer Stopfnadel Erbsen von einem Teller zu piken versuchte.

»Wie kommen die hierher? Was machen sie hier?« fragte Bastian.

»Oh, es hat zu allen Zeiten Menschen gegeben, die nicht in ihre Welt zurückgefunden haben«, erklärte Argax. »Erst wollten sie nicht mehr, und jetzt - sagen wir mal - können sie nicht mehr.«

Bastian blickte einem kleinen Mädchen nach, das mit größter Anstrengung einen Puppenwagen schob, der viereckige Räder hatte.

»Warum können sie nicht mehr?« fragte er.

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