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»Ein Karthager!« schrie er.

Im Nu war in dem Talkessel, von der Drahtsperre bis zu den Felsblöcken, alles auf den Beinen.

Der Karthager schritt an den abschüssigen Hängen hin. Die Barbaren sahen ihm von unten aus zu.

Spendius nahm einen Ochsenschädel auf, krönte ihn um die Hörner mit einer Art Diadem, aus zwei Gürteln hergestellt, und befestigte ihn als Symbol friedlicher Gesinnung an einer Stange.

Der Karthager verschwand. Man wartete.

Endlich am Abend fiel plötzlich von der Felswand ein Bandolier herab wie ein losgelöster Stein. Es war aus rotem Leder, mit Stickereien bedeckt und mit drei Diamantsternen besetzt. In der Mitte trug es ein Siegel mit dem Wappen des Großen Rates: ein Roß unter einem Palmbaum. Das war Hamilkars Antwort, der Geleitbrief, den

er ihnen sandte.

Die Söldner hatten im Grunde nichts zu fürchten: jede Änderung ihres Schicksals war

wenigstens das Ende der bisherigen Qual. Maßlose Freude ergriff sie. Sie umarmten einander unter Tränen. Spendius, Autarit und Zarzas, vier Italiker, ein Neger und zwei Spartiaten erboten sich zu Unterhändlern. Man erteilte ihnen unverzüglich Vollmacht.

Allerdings wußten sie noch nicht, wie sie aus der Enge kommen sollten.

Da erscholl ein Krach in der Richtung der Eingangsschlucht. Der oberste Felsblock wankte und rollte über die andern hinab. Während die Blöcke nämlich auf der Seite der Barbaren unerschütterlich waren, da man sie eine schräge Fläche hätte hinaufschieben müssen – zudem waren sie durch die Enge der Schlucht zusammengedrängt – , so genügte

von der andern Seite ein starker Stoß, um sie umzuwerfen. Die Karthager taten dies, und bei Tagesanbruch rollten die Blöcke in die Tiefebene hinunter wie die Stufen einer zerstörten Riesentreppe.

Aber auch so konnten die Barbaren noch nicht ohne weiteres über sie hinweg. Man reichte ihnen Leitern. Alle stürzten sich darauf. Das Geschoß eines schweren Geschützes trieb die Menge zurück. Nur die Zehn wurden durchgelassen.

Sie marschierten zwischen Klinabaren, wobei sie sich mit einer Hand auf den Rücken der Pferde aufstützen durften, sonst hätten sie sich vor Mattigkeit nicht aufrecht halten können.

Nachdem die erste Freude vergangen war, begannen sich die Zehn Sorgen zu machen.

Hamilkars Forderungen würden grausam sein! Doch Spendius beruhigte sie:

»Ich werde schon reden!« Und er rühmte sich zu wissen, was zum Heile des Heeres zu

sagen dienlich sei.

Hinter jedem Busch bemerkte man versteckt aufgestellte Posten. Beim Anblick des Bandoliers, das Spendius über seine Schulter trug, salutierten die Posten.

Im punischen Lager angelangt, wurde die Gesandtschaft von der Menge umdrängt. Man

vernahm Geflüster und Lachen. Eine Zelttür öffnete sich.

Hamilkar saß im Hintergrunde auf einem Schemel neben einem niedrigen Tische, auf dem sein blankes Schwert lag. Offiziere umstanden ihn.

Als er die Unterhändler erblickte, fuhr er zurück. Dann beugte er sich vor, um sie zu betrachten. Ihre Augen waren unnatürlich groß. Breite schwarze Kreise, die bis zu den Ohren reichten, umschatteten sie. Ihre bläulichen Nasen standen spitz und weit ab von den hohlen, tief gefurchten Wangen. Die Haut war für die Körper zu weit geworden und überdies unter einer schiefergrauen Staubkruste kaum zu sehen. Die Lippen klebten an den gelben Zähnen. Ein widerlicher Geruch machte sich bemerkbar, wie aus geöffneten Gräbern, von wandelnden Leichen.

Mitten im Zelt stand auf einer Matte, auf der sich die Offiziere niederlassen sollten, eine Schüssel mit dampfenden Kürbissen. Die Barbaren starrten sie an, am ganzen Leibe schlotternd. Tränen traten ihnen in die Augen. Trotzdem bezwangen sie sich.

Hamilkar wandte sich um, um mit einem der Offiziere zu sprechen. Da stürzten die Zehn über das Gericht her, indem sie sich flach auf den Bauch warfen. Ihre Gesichter tauchten in das Fett, und das Geräusch des Hinterschlingens mischte sich mit dem freudigen Schluchzen, das sie dabei ausstießen. Offenbar mehr aus Verwunderung denn aus Mitleid ließ man sie die Schüssel leeren. Als sie sich wieder erhoben hatten, winkte Hamilkar dem Träger des Bandoliers, zu reden.

Spendius ward ängstlich. Er stotterte.

Hamilkar hörte ihm zu, während er den großen goldnen Siegelring an seinem Finger drehte, mit dem er das Wappen Karthagos auf das Bandolier gedrückt hatte. Er ließ ihn auf die Erde fallen. Spendius hob ihn rasch auf. Vor seinem Herrn und Meister kam sein ehemaliges Sklaventum wieder zum Vorschein. Die andern erbebten vor Entrüstung über

diese freiwillige Demütigung.

Jetzt erhob der Grieche die Stimme, wies auf Hannos Übeltaten hin, den er als Feind des Barkas kannte, und suchte Hamilkar durch eine Schilderung der Einzelheiten ihres Elends und durch den Hinweis auf ihre frühere Ergebenheit zu erweichen. Er sprach lange, in rascher, durchtriebener, bisweilen heftiger Weise. Von seinem Enthusiasmus fortgerissen, vergaß er sich schließlich.

Hamilkar erwiderte, er nehme ihre Entschuldigungen an. Es solle also Friede gemacht

werden, und diesmal endgültig! Doch verlange er, daß man ihm zehn Söldner nach seiner Wahl ausliefere, ohne Waffen und ohne Kleidung.

Solche Milde hatten sie nicht erwartet.

»O, zwanzig, wenn du willst, Herr!« rief Spendius aus.

»Nein, zehn genügen mir!« antwortete Hamilkar gnädig.

Man ließ die Gesandten aus dem Zelte, damit sie sich beraten konnten. Sobald sie allein waren, sprach Autarit zugunsten der zu opfernden Kameraden, und Zarzas sagte zu Spendius:

»Warum hast du ihn nicht getötet? Sein Schwert lag dicht neben dir!«

»Ihn!« stieß Spendius hervor. Und mehrmals wiederholte er: »Ihn! Ihn!« – als ob das ein Ding der Unmöglichkeit und Hamilkar ein Unsterblicher sei.

Eine solche Mattigkeit überkam alle, daß sie sich mit dem Rücken auf die Erde legten.

Sie wußten nicht, wozu sie sich entschließen sollten.

Spendius riet zur Annahme der Bedingung. Endlich willigten sie ein und traten wieder

in das Zelt.

Nun legte der Marschall seine Hand der Reihe nach in die Hände der zehn Barbaren und

drückte ihnen den Daumen. Hinterher wischte er sich die Hand an seinem Gewand ab, denn die klebrige Haut dieser Menschen verursachte bei der Berührung eine rauhe und zugleich weiche Empfindung, ein fettiges, widerliches Kribbeln. Sodann sprach er zu ihnen:

»Ihr seid also die Obersten der Barbaren und habt als Bevollmächtigte die Bedingung angenommen… .«

»Jawohl!« antworteten sie.

»… aus freien Stücken, ohne Arglist, und in der Absicht, die Zusage zu halten?«

Sie versicherten, daß die Bedingung nach ihrer Rückkehr zum Heere erfüllt würde.

»Gut!« sagte der Suffet. »Kraft der Vereinbarung, zwischen mir, Hamilkar Barkas, und

euch, den Bevollmächtigten der Söldner, geschlossen, wähle ich euch und behalte euch

Spendius sank ohnmächtig auf die Matte. Die Barbaren drängten sich nach der andern

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