"Unleash your creativity and unlock your potential with MsgBrains.Com - the innovative platform for nurturing your intellect." » » Salambo- Französische Literatur Gustave Flaubert · Deutsch

Add to favorite Salambo- Französische Literatur Gustave Flaubert · Deutsch

Select the language in which you want the text you are reading to be translated, then select the words you don't know with the cursor to get the translation above the selected word!




Go to page:
Text Size:

Asklepien wucherten in den Rosenbeeten. Allerlei Gewächse rankten sich durcheinander

und formten Lauben. Wie in einem Walde malten die schrägen Sonnenstrahlen da und dort die Schatten der Blätter auf die Erde. Zahme Tiere, die wieder verwildert waren, flohen beim leisesten Geräusch. Bisweilen erblickte man eine Gazelle, an deren zierlichen schwarzen Hufen verlorene Pfauenfedern hingen. Der ferne Lärm der Stadt ertrank im Rauschen der Meereswogen. Der Himmel war tiefblau. Kein Segel leuchtete auf den Fluten.

Naravas hatte auserzählt. Salambo blickte ihn an, ohne zu sprechen. Er trug ein mit Blumen bemaltes Linnengewand mit goldenen Fransen am Saum. Zwei silberne Pfeile hielten sein über den Ohren geflochtenes Haar zusammen. Mit der Rechten lehnte er sich auf den Schaft seiner Lanze, der mit Bernsteinringen und Tierhaarbüscheln geschmückt war.

Wie Salambo ihn so betrachtete, versank sie tiefer und tiefer in lose Gedanken. Der Jüngling mit seiner sanften Stimme und seiner frauenhaften Gestalt bezauberte ihre Augen durch die Anmut seiner Erscheinung. Er erschien ihr wie eine ältere Schwester, von den Göttern zu ihrem Schutze gesandt. Da aber überkam sie die Erinnerung an Matho, und sie konnte der Neugier nicht widerstehen, nach dem künftigen Schicksal des Libyers zu fragen.

Naravas antwortete ihr, daß die Karthager auf Tunis marschierten, um es zu erobern. Je ausführlicher er über die Wahrscheinlichkeit des Gelingens und über Mathos Schwäche sprach, desto mehr schien sie von einem ganz besonderen Wunsche erfüllt. Ihre Lippen bebten, ihre Brust atmete tief. Als Naravas endlich versprach, ihn mit eigener Hand zu töten, rief sie:

»Ja! Töte ihn! Es muß sein!«

Der Numidier entgegnete, auch er wünsche Mathos Tod leidenschaftlich, da der Krieg

dann beendet sei und er ihr Gemahl werde.

Salambo schrak zusammen und ließ den Kopf sinken.

Naravas aber fuhr fort und verglich seine Wünsche mit Blumen, die nach dem Regen dürsten, und mit verirrten Wanderern, die des Tages harren. Er sagte ihr, sie sei schöner als der Mond, köstlicher als der Morgenwind und holder als das Antlitz eines Gastes. Er wolle Dinge für sie aus dem Negerlande kommen lassen, die es in Karthago nicht gäbe, und die Gemächer ihres Schlosses sollten mit Goldstaub bestreut werden.

Der Abend nahte. Balsamische Düfte durchwehten die Luft. Die beiden blickten einander lange schweigend an, und Salambos Augen blitzten zwischen ihren breiten Schleiern wie zwei Sterne aus einem Wolkenspalt. Ehe die Sonne verschwand,

verabschiedete sich Naravas.

Die Alten fühlten sich von einer großen Sorge befreit, als Naravas Karthago wieder verließ. Das Volk hatte ihm mit noch größerer Begeisterung zugejauchzt, als bei seinem

ersten Kommen. Wenn Hamilkar und der Numidierfürst allein über die Söldner triumphierten, so war jeder Widerstand gegen die beiden unmöglich! Daher beschlossen die Gerusiasten, ihren Liebling, den alten Hanno, an der Rettung der Republik teilnehmen zu lassen.

Hanno begab sich unverzüglich nach den westlichen Provinzen, damit die Orte, die seine Schmach erlebt hatten, auch seine Rache sähen. Doch die Einwohner und die Barbaren waren tot, versteckt oder entflohen. Nun ließ er seine Wut an dem Lande aus. Er verbrannte die Trümmer der Trümmer, ließ keinen Baum, keinen Halm stehen, richtete die Kinder und die Kranken, die man aufgriff, unter Martern hin, und gab seinen Soldaten die Weiber preis, ehe er sie morden ließ. Die schönsten wurden in seine Sänfte geworfen, denn seine scheußliche Krankheit reizte ihn zu wilden Gelüsten, die er mit der ganzen Wut eines Verzweifelten befriedigte.

Oft sanken auf dem Kamme der Hügel schwarze Zelte, wie vom Winde verweht, zusammen, und breite Scheiben mit glänzendem Rande, die man als Wagenräder erkannte,

rollten mit knarrendem, fast klagendem Laut hinab in die Täler. Auf diese Weise irrten einzelne Stämme, die von der Belagerung Karthagos Abstand genommen hatten, durch die

Provinzen und warteten auf eine Gelegenheit, auf einen Sieg der Söldner, um wiederzukommen. Doch aus Furcht oder Hunger schlugen sie schließlich alle den Heimweg ein und verschwanden. Hamilkar war auf Hannos Erfolge keineswegs

eifersüchtig. Trotzdem hatte er es eilig, den Krieg zu beenden. Er befahl ihm also, sich auf Tunis zu werfen, und Hanno, der glühende Patriot, fand sich am befohlenen Tage vor den Mauern der Stadt ein.

Sie hatte zu ihrer Verteidigung die eingeborene Bevölkerung, dazu zwölftausend Söldner und alle Esser unreiner Speisen, denn sie standen ebenso wie Matho im Banne Karthagos. Der Pöbel wie der Schalischim betrachteten von fern seine hohen Mauern und träumten von den unendlichen Genüssen, die sie bargen. Bei solchem Einklang im Hasse

war der Widerstand rasch ins Werk gesetzt. Man nahm Schläuche, um Helme daraus zu machen, fällte alle Palmen in den Gärten, um Lanzen herzustellen, grub Zisternen und fischte, um Lebensmittel zu haben, am Ufer des Hafen die großen weißen Fische, die sich von Leichen und Abfällen nährten. Die Wälle, die dank der Eifersucht Karthagos in Trümmern lagen, waren freilich so schwach, daß man sie durch einen Stoß mit der Schulter umwerfen konnte. Matho ließ die Löcher und Lücken darin mit den Steinen der

Häuser verstopfen. Es galt den letzten Kampf. Er hoffte nichts mehr, und doch sagte er sich, das Glück sei wandelbar.

Beim Anrücken bemerkten die Karthager auf dem Wall einen Mann, der halb über die

Brustwehr ragte. Die Pfeile, die ihn umschwirrten, schienen ihn nicht mehr zu schrecken als ein Schwarm von Schwalben. Seltsamerweise traf ihn keins der Geschosse.

Hamilkar schlug sein Lager auf der Südseite der Stadt auf, Naravas besetzte östlich davon das ebene Land um Rades. Hanno nahm eine Stellung nördlich von Tunis, an der

Straße nach Karthago ein. Die drei Generale sollten später auf Verabredung die Stadtmauern von allen Seiten zugleich angreifen.

Zuvörderst aber wollte Hamilkar den Söldnern zeigen, daß er sie wie Sklaven zu behandeln gedachte. Er ließ die zehn Gesandten, einen neben dem andern, auf einer

Anhöhe im Angesicht der Stadt ans Kreuz schlagen.

Bei diesem Anblick verließen die Belagerten den Wall. Matho erfuhr, daß Hannos Lager nicht genügend gesichert sei und daß daselbst Unordnung und Sorglosigkeit herrsche. Sofort entschloß er sich zu einem kräftigen Ausfall. Dieser gelang so vollkommen, daß Matho die überraschten Karthager über den Haufen warf und, den Flüchtlingen nachdrängend, in das Lager und bis an Hannos Zelt gelangte, der gerade dreißig der vornehmsten Karthager, die gesamte Gerusia, bei sich hatte.

Sichtlich entsetzt über die kühnen Eindringlinge, rief er nach seinen Unterführern. Aber die Barbaren griffen mit zahllosen Händen nach seiner Gurgel und schrien ihn mit Schimpfworten an. Es entstand ein allgemeines Gedränge, und die, die Hanno in den Händen hatten, hielten ihn nur mit großer Mühe fest. Iuzwischen suchte er ihnen ins Ohr zu flüstern: »Ich gebe euch alles, was ihr verlangt! Ich bin reich! Rettet mich nur!« Man zerrte ihn fort. So schwer er war, so berührten doch seine Füße den Boden nicht. Die Alten hatte man bereits von ihm fortgerissen.

Sein Schrecken steigerte sich: »Ihr habt mich besiegt! Ich bin euer Gefangener! Ich kaufe mich los! Hört mich, meine Freunde!«

Unter den zahllosen Händen, die sich gegen ihn reckten, wiederholte er immer wieder:

»Was wollt ihr? Was verlangt ihr? Ihr seht ja, ich widersetze mich nicht! Ich bin immer gutmütig gewesen!«

Ein riesiges Kreuz stand vor dem Tore. Die Barbaren brüllten: »Hierher! Hierher!«

Hanno überschrie sie und beschwor sie bei ihren Göttern, ihn zum Schalischim zu führen, denn er habe diesem etwas anzuvertrauen, wovon ihr Heil abhinge.

Man hielt inne. Einige meinten, es wäre klug, Matho zu rufen. Man eilte, ihn zu suchen.

Hanno sank auf den Rasen. Rings um sich sah er Kreuz an Kreuz, als ob sich die Todesmarter, die ihm bevorstand, im voraus vervielfältige. Er suchte sich einzureden, daß er sich täusche, daß nur ein einziges dastehe, ja, daß überhaupt keins vorhanden sei. Da hob man ihn auf.

»Rede!« sprach Matho.

Hanno erbot sich, Hamilkar auszuliefern. Dann wolle er zusammen mit dem Söldner in

Karthago einziehen, beide als Könige.

Matho entfernte sich, indem er ein Zeichen gab, sich zu beeilen. Er hielt den Vorschlag nur für eine List, um Zeit zu gewinnen.

Der Barbar täuschte sich. Hauno war in einer jener verzweifelten Lagen, wo man nichts mehr achtet. Überdies haßte er Hamilkar so sehr, daß er ihn bei der geringsten Hoffnung auf Rettung mit allen seinen Soldaten geopfert hätte.

Am Fuße der dreißig Kreuze lagen die Alten halb ohnmächtig am Boden. Schon waren

ihnen Stricke unter die Achseln gelegt. Da begriff der alte Suffet, daß er sterben mußte, und begann zu weinen. Man riß ihm die Reste seiner Kleider vom Leibe, und sein widerlicher Körper kam zum Vorschein. Schwären bedeckten die kaum noch menschliche

Gestalt. Die Nägel seiner Füße verschwanden unter den Fettwülsten seiner Beine. An seinen Fingern hing es wie grünliche Lappen, und die Tränen, die zwischen den

Eiterbeulen seiner Wangen herabrannen, verliehen seinem Gesicht etwas so entsetzlich Trauriges, daß es aussah, als ob sie hier mehr Raum einnähmen als auf einem andern Menschenantlitz. Seine Hoheitsbinde hatte sich halb gelöst und schleifte mit feinen weißen Haaren im Staube. Man glaubte, nicht genügend starke Stricke zu haben, um ihn

am Kreuze emporziehen zu können. Daher nagelte man ihn, ehe das Holz wieder aufgerichtet ward, nach punischem Brauche daran fest. Sein Stolz erwachte im Schmerze.

Er begann die Barbaren mit Schmähworten zu überschütten. Er schäumte und wand sich

wie ein Meerungeheuer, das man am Strande erschlägt. Er weissagte ihnen, daß sie alle noch viel schrecklicher umkommen und daß er gerächt werden würde.

Er war es bereits. Auf der andern Seite der Stadt rangen die zehn Gesandten der Söldner an ihren Kreuzen mit dem Tode.

Are sens