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waren. Um ihnen ein Ende zu bereiten, bedurfte man keiner Soldaten.

Die wilden Tiere, besonders die Löwen, hatten sich seit den drei Jahren, die der Krieg währte, vermehrt. Naradas hatte eine große Treibjagd veranstaltet, wobei er in bestimmten Abständen Ziegen an Pfähle gebunden und damit die Bestien in die Säge gelockt hatte.

Dort hausten sie noch, als ein Kundschafter der Alten ankam, um festzustellen, was von den Barbaren noch übrig sei.

Auf der ganzen Ebene lagen Löwen und Leichen. Tote, Waffen und Kleider bildeten eine einzige Masse. Fast allen Leichnamen fehlte der Kopf oder irgendein Glied. Wenige nur sahen unversehrt aus, manche waren zu Mumien ausgedörrt. Staubbedeckte Schädel grinsten aus Helmen. Fleischlose Füße sahen ans Beinschienen hervor. Skelette trugen noch Mäntel, und gebleichte Gebeine leuchteten wie helle Flecken im Sande.

Die Löwen ruhten mit der Brust uud ihren vorgestreckten Vordertatzen auf dem Boden.

Geblendet vom Sonnenlicht, das grell von den weißen Felsen zurückstrahlte, blinzelten sie. Andre saßen auf deu Hintertatzen und starrten vor sich hin. Wieder andre schliefen, zu Knäueln zusammengerollt, halb verdeckt von ihren dichten Mähnen. Alle sahen

übersättigt, träge und gelangweilt aus. Uubeweglich lagen sie wie das Gebirge und die Toten. Die Nacht sank herab. Breite rote Streifen flammten im Westen am Himmel.

Aus einem der unregelmäßig über die Erde verstreuten Haufen erhob sich eine Gestalt,

undeutlich wie ein Gespenst. Einer der Löwen schritt ihr entgegen. Sein Riesenkörper hob sich als schwarzer Schatten vom purpurroten Himmelsgrund ab. Als er dem Manne ganz

nahe war, schlug er ihn mit einem Schlag seiner Tatze zu Boden.

Dann legte er sich laug auf ihn nieder und zerrte mit seinen Zähnen langsam die Eingeweide heraus. Nach einiger Zeit öffnete er seinen Rachen in ganzer Weite und stieß mehrere Minuten hindurch ein langes Gebrüll ans, dessen Echo die Berge zurückwarfen,

bis es schließlich in der Einöde verhallte.

Plötzlich rollten kleine Steine von der Höhe herab. Tritte huschten über den Boden. Von der Schlucht und der Drahtsperre her tauchten spitze Schnauzen und große Stehohren auf.

Fahlrote Augäpfel funkelten. Das waren die Schakale, die herbeischlichen, die Überreste zu verzehren.

Der Karthager, der das, über den steilen Rand der Halde herabgebeugt, sah, machte sich auf den Heimweg.

15

Kapitel

Matho

Karthago frohlockte in tiefer, allgemeiner, maßloser, wahnwitziger Freude. Man hatte die Zerstörungen flüchtig ausgebessert, die Götterbilder neu bemalt, das Pflaster mit Myrtenzweigen bestreut und an den Straßenecken Weihrauch entzündet. Die Menge auf den Terrassen glich mit ihren bunten Gewändern großen Blumeubeeten in hängenden Gärten.

Das unaufhörliche Summen der Stimmen ward durch die Rufe der Wasserträger

übertönt, die das Pflaster besprengten. Sklaven Hamilkars boten in seinem Namen geröstete Gerste und Stücke rohen Fleisches dar. Man begrüßte und umarmte einander unter Tränen. Die tyrischen Städte waren erobert, die Nomaden zerstreut, die Barbaren mit Stumpf und Stiel vernichtet. Die Akropolis war vor lauter bunten Zeltdächern kaum noch zu sehen. Die Schnäbel der Kriegsschiffe, die vor dem langen Außenkai in einer Paradelinie vor Anker lagen, blinkten wie eine lange Diamantenkette. Überall war die Ordnung wiederhergestellt. Neues Leben begann. Ein ungeheures Glück schwebte über allem: es war der Tag von Salambos Hochzeit mit dem Numidierfürsten Naravas.

Auf dem flachen Dache des Khamontempels standen, mit massigem Goldgerät beladen,

drei lange Tafeln, an denen die Priester, die Alten und die Patrizier Platz nehmen sollten.

Ein vierter, etwas erhöht stehender Tisch war für Hamilkar, Naravas und die Braut bestimmt. Da Salambo das Vaterland durch den Wiederraub des Schleiers gerettet hatte, feierte das Volk ihre Hochzeit wie ein Nationalfest und harrte drunten auf dem Platze ihres Erscheinens.

Noch ein andres wilderes Verlangen reizte die allgemeine Ungeduld: Mathos Tod war für diese Feier verheißen.

Zuerst hatte man vorgeschlagen, ihn lebendig zu schinden, ihm Blei in die Eingeweide

zu gießen oder ihn verhungern zu lassen. Dann sollte er an einen Baum gebunden werden und ein Affe sollte ihm mit einem Stein aus den Kopf schlagen. Hatte er doch Tanit beleidigt! Die heiligen Tiere der Göttin sollten Rache üben! Andre machten den Vorschlag, man solle ihn auf einem Dromedar durch die Stadt führen, nachdem man ihn

mit ölgetränkten Flachsdochten an verschiedenen Körperteilen gespickt hätte. Man ergötzte sich bereits bei dem Gedanken, wie das große Tier durch die Straßen jagte und der Mensch darauf unter den Flammen zuckte wie ein Kerzenlicht im Winde.

Aber welche Bürger sollten mit seiner Hinrichtung betraut werden, und warum sollte man die andern des Genusses berauben? Man forderte darum allgemein eine Todesart, an

der die ganze Stadt teilnehmen durfte, bei der ihn alle Hände, alle Waffen, buchstäblich ganz Karthago bis zum Straßenpslaster und den Fluten des Golfes, zerreißen, zermalmen, vernichten konnten. So bestimmten denn die Alten, daß er ohne Geleit, die Hände auf den Rücken gebunden, von seinem Kerker bis zum Khamonplatze gehen sollte. Man verbot aber, ihn ins Herz zu treffen – damit er möglichst lange lebe – , oder ihm die Augen

auszustechen – , damit er seine Marter bis zu Ende selber sehen könne. Auch durfte nicht nach ihm geworfen werden, und niemand sollte ihn nicht mit mehr als drei Fingern berühren.

Obwohl er erst gegen Abend losgelassen werden sollte, glaubte man ihn lange vorher schon ein paarmalzu erblicken. Man stürzte nach der Burg. Die Straßen leerten sich, dann aber kehrte man mit lautem Murren wieder zurück. Einzelne standen schon seit dem frühen Morgen auf ein und derselben Stelle. Sie riefen einander von weitem zu und zeigten ihre Fingernägel, die sie sich hatten wachsen lassen, um sie recht tief in Mathos Fleisch bohren zu können. Andre gingen aufgeregt auf und ab. Manche waren so blaß, als ob sie ihrer eigenen Hinrichtung entgegensahn.

Plötzlich tauchten am Ende der Mappalierstraße hohe Federfächer über den Köpfen auf.

Das war Salambo, die vom väterlichen Palast her nahte. Seufzer der Erleichterung liefen durch die Menge.

Aber es dauerte noch lange, ehe der Zug herankam. Er bewegte sich feierlich-langsam.

Zuerst zogen die Priester der Kabiren heran, dann die Eschmuns, Melkarths, und alle übrigen Priesterschaften, eine nach der andern, mit denselben Abzeichen und der gleichen Ordnung wie damals beim Opfer. Die Molochpriester kamen mit gesenkter Stirn. Die Menge, von einer Art Reue ergriffen, wich vor ihnen zurück. Die Priester der Tanit aber nahten stolzen Schrittes, Leiern in den Händen. Die heiligen Hetären folgten ihnen in durchsichtigen Gewändern von gelber oder von schwarzer Farbe. Sie stießen Vogelrufe aus, wanden sich wie Schlangen oder drehten sich bei Flötenklang im Kreise, um den Reigen der Sterne nachzuahmen. Ihren leichten Gewändern entströmten schwere Düfte überallhin. Mit besonderem Beifall begrüßte man unter diesen Weibern die Kedischim mit ihren bemalten Augenlidern. Sie versinnbildlichten die Doppelgeschlechtlichkeit der Gottheit. Ihnen waren die Wohlgerüche und die gleiche Tracht eigen wie den priesterlichen Hetären, denen sie trotz ihrer flachen Brüste und ihrer schmalen Hüften ähnelten. Überhaupt beherrschte und erfüllte die Verherrlichung des Weiblichen an diesem Tage alles. Eine mystische Lüsternheit schwängerte die schwüle Luft. Schon flammten die Fackeln in der Tiefe der heiligen Haine auf, wo in der Nacht eine allgemeine geschlechtliche Tummelei stattfinden sollte. Drei Schiffe aus Sizilien hatten Dirnen hergeführt, und auch aus der Wüste waren welche gekommen.

Die Priesterschaften stellten sich in der Reihenfolge ihres Eintreffens auf, in den Höfen, in den Vorhallen und längs der doppelten Treppen des Tempels, die an der Mauer emporliefen und sich oben wieder einander näherten. Reihen langer weißer Gewänder wehten zwischen den Säulen, und der ganze Bau bevölkerte sich mit lebendigen Bildsäulen, die unbeweglich wie Steinbilder standen.

Dann kamen die Würdenträger, die Statthalter der Provinzen und alle Patrizier. Unten erhob sich gewaltiges Getöse. Aus den anstoßenden Straßen strömte das Volk hervor.

Tempeldiener stießen es mit Stockschlägen zurück. Umschart von Gerusiasten, die goldene Tiaren trugen, erschien jetzt in einer Sänfte, unter einem hohen purpurnen Baldachin, Salambo.

Ungeheures Geschrei ertönte. Die Zimbeln und Kastagnetten schallten lauter, die Tamburine rasselten, und der große Purpurbaldachin verschwand zwischen den beiden

Pylonen.

Auf dem ersten Stockwerk kam er wieder zum Vorschein. Salambo schritt, nunmehr zu

Fuß, langsam unter ihm hin und dann quer über die Terrasse, um sich im Hintergrund auf einem Thron niederzulassen, der aus einer Schildkrötenschale geschnitzt war. Man schob ihr einen Elfenbeinschemel mit drei Stufen unter die Füße. Am Rande der untersten knieten zwei Negerkinder. Hin und wieder legte sie ihre mit schweren Ringen belasteten Hände auf die Köpfe der Kleinen.

Von den Knöcheln bis zu den Hüften war sie in ein Gewebe gehüllt, dessen enge Maschen wie Fischschuppen aussahen und wie Perlmutter glänzten. Ein dunkelblauer Gürtel umschloß ihren Leib und ließ über zwei mondsichelförmigen Ausfchnitten ihre Brüste sehen, deren Knospen durch Karfunkelgehänge verdeckt waren. Ihr Kopfputz bestand aus edelsteinbesetzten Pfauenfedern. Ihr weiter schneeweißer Mantel fiel hinter ihr herab. So saß sie da, die Ellbogen angelegt, die Knie geschlossen, die Oberarme mit Diamantenreifen geschmückt, starr und steif wie ein Götterbild.

Auf zwei niedrigeren Sitzen ließen sich ihr Vater und ihr Gatte nieder. Naravas, in einen hellgelben Talar gekleidet, trug seine Hochzeitskrone aus Steinsalz, aus der zwei gewundene Haarflechten wie Ammonshörner hervorsahen. Hamilkar, in violetter, mit goldenen Weinranken bestickter Tunika, trug sein Schlachtschwert an der Seite.

Vor den Festtafeln auf dem Boden lag die Pythonschlange des Eschmuntempels

zwischen Lachen von Rosenöl und beschrieb, sich in den Schwanz beißend, einen großen

schwarzen Kreis. In seiner Mitte stand eine kupferne Säule, die ein Kristallei trug. Da die Sonne darauf fiel, sprühte es glitzernde Strahlen nach allen Seiten.

Hinter Salambo stellten sich die Tanitpriester in ihren Linnengewändern auf. Rechts von ihr bildeten die Alten mit ihren Tiaren eine lange goldene Reihe, links die Patrizier mit ihren Smaragdzeptern ein breites grünes Band, während die Molochpriester mit ihren roten Mänteln den Hintergrund wie mit einer Purpurwand abschlossen. Die übrigen Priesterschaften nahmen die unteren Terrassen ein. Das Volk füllte die Straßen, stieg auf die Dächer und stand in dichten Reihen bis zur Akropolis hinauf. Wie Salambo so das Volk zu ihren Füßen, den Himmel über ihrem Haupte und um sich das unendliche Meer,

den Golf, die Berge und den Fernblick in die Binnenländer hatte, da ward sie in ihrem Glanze eins mit Tanit und erschien als Karthagos Patronin, als die verkörperte Seele der Stadt.

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