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Zu den Spannerven der Steingeschütze benutzte man Genicksehnen von Stieren oder Sprungsehnen von Hirschen. Nun aber gab es in Karthago weder Hirsche noch Stiere mehr. Hamilkar forderte daher von den Alten das Haupthaar ihrer Frauen. Alle opferten es. Doch das genügte noch nicht. In den Gebäuden der Syssitien befanden sich zwölfhundert mannbare Sklavinnen, die für die Prostitution in Griechenland und in Italien bestimmt waren und deren Haar, sehr geschmeidig durch den Gebrauch von Salben, vorzüglich geeignet gewesen wäre. Doch der Verlust hätte sich später zu fühlbar gemacht.

Daher ward beschlossen, unter den Frauen der Plebejer das schönste Haar auszuwählen.

Aber gleichgültig gegen die Bedürfnisse des Vaterlandes schreien sie verzweifelt, als die Schergen der Hundertmänner mit Scheren kamen und Hand an sie legten.

Vermehrte Wut beseelte die Barbaren. Man sah von weitem, wie sie Leichenfett ausschmolzen, um ihre Maschinen damit zu ölen. Andre rissen den Toten die Nägel von

den Händen und Füßen und nähten sie Stück für Stück aneinander, um Panzer herzustellen. Man kam auf den Einfall, Gefäße voll Schlangen, die von Negern herbeigebracht wurden, in die Ballisten zu laden. Die so in die Stadt geschleuderten Tontöpfe zerbrachen auf dem Pflaster, die Schlangen schlüpften heraus und waren schließlich in solchen Mengen anzutreffen, daß es aussah, als kämen sie aus den Mauern.

Fortwährend verbesserten die Barbaren ihre Erfindungen, da sie ihnen noch immer nicht genügten. Sie schleuderten Unrat aller Art, Menschenkot, Stücke von Aas und Leichen.

Die Pest brach in der Stadt aus. Den Karthagern fielen die Zähne aus dem Munde, und ihr Zahnfleisch ward blaß, wie das der Kamele nach einer allzu weiten Reise.

Die Maschinen wurden auf dem Erdwall aufgestellt, obwohl er noch nicht überall die Höhe der Stadtmauer erreicht hatte. Vor den dreiundzwanzig Steintürmen erhoben sich dreiundzwanzig hölzerne. Alle Tollenonen waren instand gesetzt, und etwas hinter ihrer Linie ragte die furchtbare »Helepolis«, eine Erfindung von Demetrius Poliorketes, eine fahrbare Riesenbatterie, die Spendius mühselig nachkonstruiert hatte. Sie hatte die Gestalt einer oben abgestumpften Pyramide, ähnlich wie der Leuchtturm von Alexandria. Die Seitenlänge ihrer quadratischen Basis betrug fünfundzwanzig Meter, ihre Höhe fünfzig Meter. Sie bestand aus neun Stockwerken, eins immer kleiner, im Durchmesser wie in der Höhe, als das andre. Die Front und die beiden Seiten waren mit Eisenblech ausgeschlagen und mit zahlreichen Schießscharten versehen. Diese Scharten waren durch bewegliche Lederpolster gedeckt. Der ganze Turm war voller Soldaten und durch sechsundzwanzig Geschütze, darunter zehn schwere, armiert.

Jetzt ließ Hamilkar Kreuze aufrichten, an die jeder kommen sollte, der von Übergabe rede. Sogar Frauen wurden als Soldaten eingestellt. Man schlief auf den Straßen und wartete voller Bangigkeit.

Eines Morgens kurz vor Sonnenaufgang – es war am siebenten Tage des Monats Nyssan – vernahm man in der Stadt ein ungeheures Geschrei, das alle Barbaren draußen

zugleich ausstießen. Die bleiernen Fanfaren schmetterten dumpf, und die großen paphlagonischen Hörner brüllten wie Stiere. Alles sprang auf und eilte nach dem Walle.

Ein Wald von Lanzen, Spießen und Schwertern wälzte sich heran und brandete an die Mauern. Sturmleitern wurden angelegt, und in den Scharten der Brustwehren tauchten Barbarenköpfe auf.

Balken, von langen Menschenreihen getragen, rannten gegen die Tore. An den Stellen,

wo kein Erdwall gegenüberstand, rückten die Söldner in geschaffenen Kompagnien zur Zerstörung der Mauer heran. Das erste Glied warf sich nieder, das zweite beugte ein Knie, und die übrigen duckten sich stufenweise immer weniger, so daß die letzten ganz aufrecht standen, während an andern Stellen, wo man dadurch eine Art Treppe schaffen wollte, die Aufrechtstehenden zuvorderst und die Liegenden zuhinterst standen. Alle drückten mit der Linken den Schild auf ihren Helm und hielten die Ränder so dicht zusammen, daß sie wie ein Haufen großer Schildkröten aussahen. An diesen schrägen Dächern glitten die Geschose ohnmächtig ab.

Die Karthager schleuderten Mühlsteine, Mörserkeulen, Bottiche, Tonnen und

Bettstellen herab, alles, was Gewicht hatte und jemanden erschlagen konnte. Manche lauerten mit Netzen an den Scharten, und wenn ein Barbar erschien, ward er von den Maschen umstrickt und wie ein zappelnder Fisch gefangen. Man warf sogar die Zinnen um. Die Mauerstücke stürzten hinab und wirbelten große Staubwolken auf. Die schweren

Geschütze auf den Wällen beschossen sich gegenseitig. Ihre Steine prallten in der Luft gegeneinander und zerschellten in tausend Stücke, wodurch die Kämpfer vou einem dichten Steinsplitterhagel überschüttet wurden.

Bald bildeten die beiden feindlichen Massen nur noch einen einzigen Strom von Menschenleibern, der den Raum zwischen den beiden Wällen erfüllte und, an den Rändern etwas dünner, beständig hin und her wogte, ohne seinen Platz zu verlassen. Man umschlang sich, auf dem Boden liegend, wie Ringer. Mau zertrat einander. Weiber neigten sich über die Zinnen und heulten laut. Mau zog sie an ihren Schleiern hinab, und ihre plötzlich entblößten weißen Leiber glänzten in den Armen der Neger, die ihnen den Dolch ins Gekröse stießen. In dem ungeheuren Gedränge fielen die Toten nicht um. Von den Schultern der Lebendigen hochgehalten, gingen sie noch eine Weile aufrecht weiter, mit starren Augen. Manche, denen beide Schläfen von einem Wurfspieß durchbohrt waren, wiegten den Kopf wie Bären. Zum Schreien geöffnete Lippen blieben aufgesperrt.

Abgehauene Hände flogen umher. Es fielen mächtige Streiche, von denen die

Überlebenden noch lange sprachen.

Inzwischen sprühten die Pfeile von den Stein- und Holztürmen. Die Tollenonen bewegten rastlos ihre langen Arme. Die Barbaren hatten den alten Begräbnisplatz der Ureinwohner unterhalb der Totenstadt geplündert und schleuderten die Grabsteine auf die Karthager. Unter der Last zu schwerer Körbe rissen bisweilen die Taue der Sturmkrane.

Ganze Knäuel von Menschen stürzten mit emporgestreckten Armen aus den Lüften herab.

Bis zur Mitte des Tages waren die Veteranen der Gepanzerten hartnäckig gegen die Taenia angestürmt, um in den Hafen zu dringen und die Flotte zu zerstören. Hamilkar ließ auf dem Dache des Khamontempels ein Feuer aus feuchtem Stroh anzünden. Der Rauch

trieb den Angreifern in die Augen und blendete sie. Da warfen sie sich nach links und vermehrten das fürchterliche Getümmel in Malka. Kompagnien aus kräftigen, eigens dazu ausgewählte Mannschaften hatten drei Tore eingerannt. Hohe Verhaue aus

nägelbeschlagenen Brettern hielten sie auf. Ein viertes Tor gab mühelos nach. Man

stürmte im Laufschritt durch und stürzte in eine Grube, in der die Karthager Fallen versteckt angelegt hatten. Autarit und seine Leute zerstörten die südlichste Bastei der Mauer, deren Durchgänge mit Ziegeln verbaut worden waren. Dahinter stieg das Gelände

an. Man eilte im Sturme hinauf. Oben aber fand sich eine zweite Mauer aus Steinen und großen wagerechten Balken, die schachbrettförmig angeordnet waren. Das war eine gallische Art, die der Suffet den Bedürfnissen des Augenblicks angepaßt hatte. Die Gallier glaubten sich vor einer Stadt ihrer Heimat. Sie griffen ohne Nachdruck an und wurden zurückgeworfen.

Von der Khamonstraße bis zum Gemüsemarkt war jetzt der ganze innere Wallgang im

Besitze der Barbaren. Die Samniter machten den Sterbenden mit Lanzenstichen den Garaus. Andre blickten, mit einem Fuß an der Mauer stehend, auf die rauchenden Trümmer zu ihren Füßen und sahen von weitem der Schlacht zu, die von neuem begann.

Die Schleuderer, die hinter den andern Truppen mit großen Abständen voneinander aufgestellt waren, schossen unablässig. Doch vielfach waren die Federn an den akarnanischen Schleudern durch den übermäßigen Gebrauch zerbrochen, und manche der

Schleuderer warfen nun wie Hirten Feldsteine mit der Hand. Andre schleuderten ihre Bleikugeln mit Peitschenstielen. Zarzas mit seinem langen schwarzen Haar, das ihm die Schultern umwallte, sprang bald hierin, bald dorthin und feuerte die Balearier an. An seinen Hüften hingen zwei Hirtentaschen, in die er unaufhörlich mit der Linken griff, während sein rechter Arm sich schleudernd in einem fort drehte wie ein Wagenrad.

Matho hatte sich anfangs vom Nahkampfe ferngehalten, um den Gesamtangriff besser

zu leiten. Man hatte ihn am Golfe bei den Söldnern, an der Lagune bei den Numidiern und am Ufer des Haffs zwischen den Negern gesehen. Unaufhörlich trieb er die aus der Tiefe der Ebene anstürmenden Soldatenmassen gegen die Befestigungen vor. Allmählich kam er

ihnen selbst näher. Der Blutgeruch, der Anblick des Gemetzels und das

Trompetengeschmetter steigerten seine Kampfeslust. Darum war er in sein Zelt zurückgekehrt, hatte seinen Harnisch abgeworfen und sein Löwenfell angelegt, das für den Nahkampf bequemer war. Der aufgesperrte Rachen umrahmte seinen Kopf und umsäumte

sein Gesicht mit einem Kreise von Raubtierzähnen. Die beiden Vordertatzen kreuzten sich über seiner Brust, und die Krallen der Hintertatzen schlugen ihm in die Kniekehlen.

Er hatte sein breites Bandolier an, an dem eine Doppelaxt blitzte. Sein großes Schwert mit beiden Händen schwingend, warf er sich ungestüm in eine der Breschen. Wie ein Weidenbauer, der Weidenzweige abschneidet und deren so viel wie möglich abzuschlagen

trachtet, um recht viel Geld zu verdienen, so schritt er einher und mähte die Karthager rings um sich her nieder. Wenn ihn einer von der Seite zu fassen suchte, schlug er ihn mit dem Schwertknauf nieder. Wer ihn von vorn angriff, den durchbohrte er. Fliehenden spaltete er den Schädel. Einmal sprangen ihm zwei Männer zugleich auf den Rücken. Mit einem Satze sprang er rückwärts gegen ein Tor und zerquetschte sie. Sein Schwert hob und senkte sich in einem fort. An einer Mauerecke zersprang es. Da faßte er seine schwere Axt und schlachtete die Karthager vor und hinter sich ab wie eine Hammelherde. Sie wichen vor ihm zurück, und so gelangte er ganz allein bis an die zweite Ringmauer am Fuße des Burgberges. Vom Gipfel herabgerollte Gegenstände sperrten die Treppenstufen und überragten die Mauer. Inmitten dieser Trümmer wandte sich Matho um und rief seine Kameraden.

Er sah Helmbüsche hier und da über der Menge. Dann tauchten sie unter. Ihre Träger waren in Gefahr. Matho stürzte ihnen entgegen. Da zog sich der weite Kranz roter Federn enger zusammen. Bald hatten sie den Führer erreicht und umringten ihn. In diesem Augenblicke ergoß sich ein ungeheurer Menschenstrom aus den Seitengassen. Der Libyer

wurde um die Hüften gepackt, hoch gehoben und bis vor die Mauer zu einer Stelle gerissen, wo die Befestigung besonders hoch war.

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