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Bastian wurde unbehaglich zumut.

Was mochte sie vorhaben? Irgend etwas hatte es mit ihm zu tun. Aber wenn selbst dem Alten vom Wandernden Berge die Hand zu zittern anfing…

Der Alte schrieb und sagte:

»Wenn die Unendliche Geschichte

sich selbst enthält,

dann geht die Welt

in diesem Buch zunichte!«

Und die Kindliche Kaiserin antwortete:

»Doch wenn der Held

sich uns gesellt,

kann neues Leben sprießen.

Er muß sich jetzt entschließen!«

»Wahrlich, du bist schrecklich«, sagte und schrieb der Alte, »das bedeutet das Ende ohne Ende. Wir werden eintreten in den Kreis der ewigen Wiederkehr. Daraus gibt es kein Entrinnen.«

»Für uns nicht«, antwortete sie und ihre Stimme war nicht mehr sanft, sondern hart und klar wie ein Diamant, »aber auch für ihn nicht - es sei denn, er rettet uns alle.«

»Willst du wirklich alles in die Hände eines Menschenkindes legen?«

»Das will ich.«

Und dann fügte sie leiser hinzu:

»Oder weißt du anderen Rat?«

Lang war es still, ehe die dunkle Stimme des Alten sagte:

»Nein.«

Er stand tief über das Buch gebeugt, in dem er schrieb. Sein Gesicht war von der Kapuze verdeckt und nicht mehr zu sehen.

»Dann tu, worum ich dich gebeten habe!«

Der Alte vom Wandernden Berge unterwarf sich dem Willen der Kindlichen Kaiserin und begann, ihr die Unendliche Geschichte von Anfang an zu erzählen.

In diesem Augenblick wechselte der Lichtschein, der aus den Seiten des Buches strahlte, die Farbe. Er wurde rötlich wie die Schriftzeichen, die sich jetzt unter dem Stift des Alten bildeten. Auch seine Mönchskutte und die Kapuze waren nun kupferfarben. Und während er schrieb, erklang zugleich seine tiefe Stimme.

Auch Bastian hörte sie ganz deutlich. Dennoch waren ihm die ersten Worte, die der Alte sprach, unverständlich. Sie klangen etwa wie

»Tairauqitna rednaerok darnok Irak rebahm« .

Merkwürdig, dachte Bastian, warum redete der Alte plötzlich in einer fremden Sprache? Oder war es vielleicht eine Zauberformel?

Die Stimme des Alten fuhr fort und Bastian mußte ihr folgen.

»Diese Inschrift stand auf der Glastür eines kleinen Ladens, aber so sah sie natürlich nur aus, wenn man vom Inneren des dämmerigen Raumes durch die Scheibe auf die Straße hinausblickte.

Draußen war ein grauer, kalter Novembermorgen und es regnete in Strömen. Die Tropfen liefen am Glas herunter und über die geschnörkelten Buchstaben. Alles, was man durch die Scheibe sehen konnte, war eine graue, regenfleckige Mauer auf der anderen Straßenseite.«

Die Geschichte kenne ich gar nicht, dachte Bastian etwas enttäuscht, sie kommt überhaupt nicht in dem Buch vor, das ich bis jetzt gelesen habe. Na ja, jetzt zeigt es sich ja, daß ich mich eben doch die ganze Zeit geirrt habe.

Ich hab’ schon wirklich geglaubt, der Alte würde jetzt anfangen, die Unendliche Geschichte von vorn zu erzählen.

»Plötzlich wurde die Tür so heftig aufgerissen, daß eine kleine Traube von

Messingglöckchen, die über ihr hing, aufgeregt zu bimmeln begann und sich eine ganze Weile nicht wieder beruhigen konnte.

Der Urheber dieses Tumults war ein kleiner, dicker Junge von vielleicht zehn oder elf Jahren. Das dunkelbraune Haar hing ihm naß ins Gesicht, sein Mantel war vom Regen durchweicht und tropfte, an einem Riemen über der Schulter trug er eine Schulmappe. Er war ein wenig blaß und außer Atem, aber ganz im Gegensatz zu der Eile, die er eben noch gehabt hatte, stand er nun wie angewurzelt in der offenen Tür…«

Während Bastian dies las und zugleich die tiefe Stimme des Alten vom Wandernden Berge hörte, begann es ihm in den Ohren zu brausen und vor den Augen zu flimmern. Was da erzählt wurde, war seine eigene Geschichte! Und die war in der Unendlichen Geschichte. Er, Bastian, kam als Person in dem Buch vor, für dessen Leser er sich bis jetzt gehalten hatte!

Und wer weiß, welcher andere Leser ihn jetzt gerade las, der auch wieder nur glaubte, ein Leser zu sein - und so immer weiter bis ins Unendliche!

Jetzt bekam Bastian es mit der Angst. Er hatte plötzlich das Gefühl, keine Luft mehr zu bekommen. Er fühlte sich wie in einem unsichtbaren Gefängnis eingeschlossen. Er wollte aufhören, wollte nicht mehr weiter lesen.

Aber die tiefe Stimme des Alten vom Wandernden Berge fuhr fort, zu erzählen,

und Bastian konnte nichts dagegen tun. Er hielt sich die Ohren zu, aber es nützte nichts, denn die Stimme klang in seinem Inneren. Obwohl er längst wußte, daß es nicht so war, klammerte er sich noch an den Gedanken, daß diese Übereinstimmung mit seiner eigenen Geschichte vielleicht doch nur ein verrückter Zufall war,

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