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Atréju stand da und schaute sich mit großen Augen um. Er war so von Staunen und Bewunderung überwältigt, daß seine Gemütsbewegung mehr als deutlich zu sehen war. Und Bastian freute sich darüber.

»Das alles«, fragte Atréju und zeigte mit dem Finger rundum, »das alles sind Geschichten die du erfunden hast?«

»Ja«, sagte Bastian und steckte AI’ Tsahir in die Tasche.

Atréju schaute ihn fassungslos an.

»Das«, gab er zu, »geht über meinen Verstand.«

Die Amarganther hatten sich natürlich längst mit Feuereifer auf die Bücher gestürzt, blätterten darin, lasen sich gegenseitig vor, manche setzten sich einfach auf den Boden und fingen schon an, bestimmte Stellen auswendig zu lernen.

Die Kunde des großen Ereignisses hatte sich natürlich wie ein Lauffeuer in der ganzen Silberstadt verbreitet, unter den Einheimischen wie unter den Gästen.

Bastian und Atréju traten gerade aus der Bibliothek ins Freie, als ihnen die Herren Hýkrion, Hýsbald und Hýdorn entgegenkamen.

»Herr Bastian«, sagte der rothaarige Hýsbald, der offensichtlich nicht nur mit der Klinge, sondern auch mit der Zunge der Gewandteste war, »wir haben gehört, was für unvergleichliche Fähigkeiten Ihr an den Tag gelegt habt. Darum wollen wir Euch bitten, uns in Euren Dienst zu nehmen und

uns auf Eurer weiteren Fahrt mit Euch ziehen zu lassen. Jeder von uns dreien sehnt sich danach, eine eigene Geschichte zu bekommen. Und wenn Ihr auch ganz gewißlich nicht unseres Schutzes bedürft, so könnte es Euch doch von Nutzen sein, drei tüchtige und fähige Ritter wie uns zu Euren Diensten zu haben. Wollt Ihr?« »Gern«, antwortete Bastian, »auf solche Begleiter wäre jeder stolz.«

Nun wollten die drei Herren unbedingt und auf der Stelle ihren Treueeid auf Bastians Schwert ablegen, aber er hielt sie zurück.

»Sikánda«, erklärte er ihnen, »ist ein Zauberschwert. Niemand darf es ohne Gefahr für Leib und Leben berühren, der nicht vom Feuer des Bunten Todes gegessen und getrunken und darin gebadet hat.«

So mußten sie sich mit einem freundschaftlichen Handschlag zufriedengeben. »Und was ist mit Held Hynreck?« erkundigte sich Bastian.

»Er ist vollkommen gebrochen«, sagte Hýkrion.

»Es ist wegen seiner Dame«, fügte Hýdorn hinzu.

»Ihr solltet mal nach ihm sehen«, schloß Hýsbald.

Also machten sie sich - jetzt zu fünft - auf den Weg zu dem Gasthaus, in dem die Gesellschaft anfangs eingekehrt war, und wo Bastian die alte Jicha im Stall untergebracht hatte. Als sie in die Gaststube traten, saß dort nur ein einziger Mann. Er war über den Tisch gebeugt und hatte die Hände in den blonden Haaren vergraben. Es war Held Hynreck. Offensichtlich hatte er eine Ersatzrüstung in seinem Reisegepäck mit sich geführt, denn er trug jetzt eine etwas einfachere Ausführung als die, die am Vortage beim Kampf mit Bastian in Stücke gegangen war.

Als Bastian ihm einen guten Tag wünschte, fuhr er in die Höhe und starrte die beiden Jungen an. Seine Augen waren gerötet.

Bastian fragte, ob sie sich zu ihm setzen dürften, er zuckte die Achseln, nickte und sank wieder auf seinen Platz. Vor ihm auf dem Tisch lag ein Blatt Papier, das aussah, als sei es oft zusammengeknüllt und wieder glatt gestrichen worden.

»Ich möchte mich nach Eurem Befinden erkundigen«, begann Bastian.

»Es tut mir leid, wenn ich Euch gekränkt haben sollte.«

Held Hynreck schüttelte den Kopf.

»Mit mir ist es aus«, brachte er mit rauher Stimme heraus. »Hier, lest selbst!«Er schob Bastian den Zettel hin:

»Ich will nur den größten« - stand darauf - »und das seid ihr nicht, darum lebt wohl!« »Von Prinzessin Oglamár?« fragte Bastian.

Held Hynreck nickte.

»Sie hat sich gleich nach unserem Kampf ans Ufer bringen lassen, mit ihrem Zelter. Wer weiß, wo sie jetzt ist? Ich werde sie nicht mehr wiedersehen. Was soll ich dann noch auf der Welt!«

»Könnt Ihr sie nicht einholen?«

»Wozu?«

»Um sie vielleicht noch umzustimmen.«

Held Hynreck stieß ein bitteres Lachen aus.

»Da kennt Ihr Prinzessin Oglamár nicht. Ich habe mehr als zehn Jahre trainiert, um alles das zu können, was ich kann. Ich habe auf alles verzichtet, was meiner körperlichen Verfassung nicht gut getan hätte. Ich habe mit eiserner Disziplin bei den größten Fechtmeistern Fechten gelernt, bei den stärksten Ringern alle Arten von Ringkampf, bis ich sie alle besiegte. Ich kann schneller laufen als ein Pferd, höher springen als ein Hirsch, ich kann alles am besten, oder vielmehr - ich konnte es bis gestern.

Vorher hat sie mich nie eines Blickes gewürdigt, aber dann, nach und nach, wuchs ihr Interesse an mir mit meinen Fähigkeiten. Ich durfte schon hoffen, von ihr erwählt zu werden - und nun ist alles für immer umsonst. Wie kann ich ohne Hoffnung leben?«

»Vielleicht«, meinte Bastian, »solltet Ihr Euch einfach nicht so viel aus Prinzessin Oglamár machen. Es gibt doch bestimmt noch andere, die Euch ebensogut gefallen würden.« »Nein«, antwortete Held Hynreck, »mir gefällt Prinzessin Oglamár ja gerade deshalb, weil sie sich nur mit dem Größten zufriedengibt.«

»Ach so«, sagte Bastian ratlos, »das ist natürlich schwierig. Was kann man da machen? Und wenn Ihr’s vielleicht auf andere Art bei ihr versucht?

Als Sänger zum Beispiel oder als Dichter?«

»Ich bin nun mal ein Held«, erwiderte Hynreck ein wenig gereizt, »ich kann und will keinen anderen Beruf. Ich bin wie ich bin.«

»Ja«, sagte Bastian, »das sehe ich ein.«

Alle schwiegen. Die drei Herren warfen Held Hynreck mitfühlende Blicke zu. Sie konnten verstehen, was in ihm vorging. Schließlich räusperte sich Hýsbald und meinte leise, zu Bastian gewandt:

»Für Euch, Herr Bastian, wäre es eigentlich weiter keine große Sache, ihm zu helfen.« Bastian schaute Atréju an, aber der machte wieder sein undurchdringliches Gesicht. »Einer wie Held Hynreck«, setzte nun Hýdorn hinzu, »ist tatsächlich schlecht dran, wenn es weit und breit keine Ungeheuer gibt. Versteht Ihr?«

Bastian verstand immer noch nicht.

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