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Als das Heer mit Bastian und Jicha an der Spitze am nächsten Tag durch eine wunderschöne Auenlandschaft zog, die ab und zu durch kleine Wälder aus duftendem Flieder unterbrochen wurde, benutzte er die Mittagsrast, um Xayídes Vorschlag auszuführen.

»Hör zu, Jicha«, sagte er und streichelte den Hals der Mauleselin, »der Augenblick ist gekommen, wo wir uns trennen müssen.«

Jicha stieß einen Wehlaut aus.

»Warum, Herr?« klagte sie. »Habe ich meine Sache denn so schlechtgemacht?« Aus den Winkeln ihrer dunklen Tieraugen rannen Tränen.

»Aber nein«, beeilte Bastian sich, sie zu trösten, »im Gegenteil, du hast mich diesen ganzen langen Weg so sanft getragen und warst so geduldig und willig, daß ich dich nun zum Dank belohnen will.«

»Ich möchte keinen anderen Lohn«, erwiderte Jicha, »ich möchte dich weitertragen. Was kann ich mir denn Größeres wünschen?«

»Hast du nicht gesagt«, fuhr Bastian fort, »daß du traurig darüber bist, daß euereins keine Kinder bekommen kann?«

»Ja«, meinte Jicha bekümmert, »weil ich ihnen gern von diesen Tagen erzählen würde, wenn ich sehr alt bin.«

»Gut«, sagte Bastian, »dann will ich dir jetzt eine Geschichte erzählen, die wahr werden soll. Und ich will sie nur dir, dir ganz allein erzählen, denn sie gehört dir.«

Dann nahm er Jichas langes Ohr in die Hand und flüsterte hinein:

»Nicht weit von hier, in einem kleinen Wald aus Flieder, wartet der Vater deines Sohnes auf dich. Es ist ein weißer Hengst mit Flügeln aus Schwanengefieder. Seine Mähne und sein Schweif sind so lang, daß sie bis zum Boden reichen. Er ist uns schon seit Tagen heimlich gefolgt, weil er unsterblich in dich verliebt ist.«

»In mich?« rief Jicha fast erschrocken, »aber ich bin doch bloß eine Mauleselin und jung bin ich auch nicht mehr!«

»Für ihn«, sagte Bastian leise, »bist du das schönste Geschöpf Phantásiens, gerade weil du so bist, wie du bist. Und vielleicht auch, weil du mich getragen hast. Aber er ist sehr scheu und wagt es nicht, sich dir zu nähern unter all diesen vielen Wesen hier. Du mußt zu ihm gehen, sonst wird er vor Sehnsucht nach dir sterben.«

»Ach du liebe Zeit«, meinte Jicha ratlos, »so arg ist es?«

»Ja«, flüsterte Bastian ihr ins Ohr, »und nun leb wohl, Jicha! Lauf nur zu, du wirst ihn finden.«

Jicha machte ein paar Schritte, drehte sich aber noch einmal nach Bastian um. »Ehrlich gesagt«, erklärte sie, »ich fürchte mich ein bißchen.«

»Nur Mut!« sagte Bastian lächelnd, »und vergiß nicht, deinen Kindern und Enkeln von mir zu erzählen.«

»Danke, Herr!« erwiderte Jicha auf ihre einfache Art und ging.

Bastian blickte ihr lange nach, wie sie da davonzockelte, und fühlte sich nicht recht froh darüber, daß er sie fortgeschickt hatte. Er trat in sein Prachtzelt, legte sich auf die weichen Kissen und starrte zur Decke hinauf.

Immer wieder sagte er sich, daß er Jichas größten Wunsch erfüllt hatte.

Aber das vertrieb seine düstere Stimmung nicht. Es kommt eben sehr darauf an, wann und warum man jemand etwas zuliebe tut. Aber das betraf nur Bastian, denn Jicha fand tatsächlich den schneeweißen, geflügelten Hengst und machte Hochzeit mit ihm. Und sie bekam später einen Sohn, der ein weißer, schwingentragender Maulesel war und Pataplán genannt wurde. Er machte noch viel von sich reden in Phantasien, doch das ist eine andere Geschichte und soll ein andermal erzählt werden.

Von nun an reiste Bastian in Xayídes Sänfte weiter. Sie hatte ihm sogar angeboten, auszusteigen und zu Fuß nebenher zu gehen, um ihm alle nur erdenkliche Bequemlichkeit zu verschaffen, aber das hatte Bastian nicht von ihr annehmen wollen. So saßen sie nun also zusammen in der geräumigen Korallensänfte, die sich an die Spitze des Heerzuges setzte.

Bastian war noch immer ein wenig verstimmt, auch Xayíde gegenüber, die ihm ja den Rat gegeben hatte, sich von der Mauleselin zu trennen. Und Xayíde hatte das sehr bald heraus. Seine einsilbigen Antworten ließen keine rechte Unterhaltung zustande kommen. Um ihn aufzumuntern, sagte sie heiter:

»Ich möchte dir ein Geschenk machen, mein Herr und Meister, wenn du die Gnade haben willst, es von mir anzunehmen.«

Sie zog unter den Sitzpolstern ein äußerst kostbar verziertes Kästchen hervor. Bastian richtete sich erwartungsvoll auf. Sie öffnete es und holte einen schmalen Gürtel daraus hervor, der wie eine Art Kette aus beweglichen Gliedern bestand. Jedes Glied und auch die Schließe waren aus klarem Glas.

»Was ist das?« wollte Bastian wissen.

Der Gürtel klirrte leise in ihrer Hand.

»Es ist ein Gürtel, der unsichtbar macht. Doch du, Herr, mußt ihm seinen Namen geben, damit er dir gehört.«

Bastian betrachtete ihn. »Gürtel Gemmai«, sagte er dann.

Xayíde nickte lächelnd. »Nun gehört er dir.«

Bastian nahm den Gürtel entgegen und hielt ihn unschlüssig in der Hand.»Willst du ihn nicht gleich einmal ausprobieren«, fragte sie, »um dich von seiner Wirkung zu überzeugen?« Bastian legte sich den Gürtel um die Hüfte und fühlte, daß er wie angegossen paßte. Allerdings fühlte er es nur, denn er konnte sich selbst nicht mehr sehen, weder seinen Leib noch seine Füße, noch seine Hände. Es war ein höchst unangenehmes Gefühl, und er versuchte, die Schließe gleich wieder zu öffnen. Doch da er weder seine Hände noch den Gürtel mehr sehen konnte, gelang es ihm nicht.

»Hilfe!« stieß er mit erstickter Stimme hervor. Er hatte plötzlich Angst, nie wieder diesen Gürtel Gemmai abstreifen zu können und für immer unsichtbar bleiben zu müssen. »Man muß es erst lernen, damit umzugehen«, sagte Xayíde, »das ging mir auch so, Herr und Gebieter.

Erlaube, daß ich dir helfe!«

Sie griff in die leere Luft, und im Nu hatte sie den Gürtel Gemmai geöffnet, und Bastian sah sich selbst wieder. Er stieß einen erleichterten Seufzer aus. Dann lachte er, und auch Xayíde lächelte und sog Rauch aus dem Schlangenmundstück ihrer Wasserpfeife.

Jedenfalls hatte sie ihn auf andere Gedanken gebracht.

»Nun bist du besser gegen jeden Schaden geschützt«, meinte sie sanft,

»und daran liegt mir mehr, als ich dir sagen kann, Herr.«

»Schaden?« erkundigte sich Bastian, noch immer ein wenig konfus, »was für ein Schaden denn?«

»Oh, niemand ist dir gewachsen«, flüsterte Xayíde, »nicht, wenn du weise bist. Die Gefahr liegt in dir selbst, und deshalb ist es schwer, dich vor ihr zu schützen.«

»Was meinst du damit - in mir selbst?« wollte Bastian wissen.

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