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«Da komm ich mit. Das ist auch meine Richtung», sagte das Mädchen, und Tschick sagte:

«Das ist überhaupt nicht deine Richtung.»

Er erklärte ihr ungefähr fünfhundert Mal, dass wir sie nicht dabeihaben wollten, aber sie zuckte nur die Schultern und lief uns hinterher, und schließlich baute Tschick sich vor ihr auf und sagte: «Ist dir eigentlich klar, dass du stinkst? Du stinkst wie ein Haufen Scheiße.

Jetzt hau ab.»

Beim Weitergehen hatte ich ein paarmal den Eindruck, dass sie uns immer noch folgte.

Aber sie schien langsamer zu werden, und bald konnten wir sie nicht mehr entdecken.

Die Dunkelheit kroch zwischen den Bäumen durch. Einmal raschelte es im Unterholz, aber das war vielleicht nur ein Tier.

«Wenn die uns nachläuft, ist megakacke», sagte Tschick.

Um ganz sicherzugehen, liefen wir ein bisschen schneller und hockten uns dann nach einer scharfen Biegung in ein Gebüsch und warteten. Wir warteten mindestens fünf Mi-210

nuten, und als das Mädchen uns nicht nach-geschlichen kam, gingen wir zur Raststätte zurück.

«Das mit dem Stinken hättest du nicht sagen müssen.»

«Irgendwas musste ich ja sagen. Und Alter, hat die voll gestunken! Die wohnt garantiert auf der Müllkippe da. Assi.»

«Aber schön gesungen hat sie», sagte ich nach einer Weile. «Und logisch wohnt die nicht auf der Müllkippe.»

«Warum fragt die dann nach Essen?»

«Ja, aber wir sind hier nicht in Rumänien.

Hier wohnt keiner auf der Müllkippe.»

«Hast du nicht gemerkt, wie die gestunken hat?»

«So riechen wir jetzt wahrscheinlich auch.»

«Die wohnt da, garantiert. Von zu Hause abgehauen. Glaub mir, ich kenn solche Leute.

Die ist abgedreht. Tolle Figur, aber vollassi.»

Links über der Autobahn sah man die ersten Sterne. Wir hatten Mühe, den Weg noch zu erkennen, und ich schlug vor, direkt an der Fahrbahn langzugehen, im Licht der Schein-werfer, weil wir uns sonst wahrscheinlich ver-laufen würden. Das war zwar ein bescheuertes Argument, weil man auch im Wald immer das 211

Rauschen der Autobahn hören konnte. Aber, ehrlich gesagt, ich bekam ein bisschen Angst im Dunkeln. Warum, wusste ich auch nicht.

Angst vor herumlaufenden Verbrechern konnte es ja schlecht sein. Die einzigen Verbrecher, die in diesem Wald rumliefen, waren garantiert wir. Aber vielleicht war es das, was mich beunruhigte. Dass mir das auf einmal klar-wurde. Und ich war froh, als die Neonlichter der Tankstelle wieder vor uns durch das Laub leuchteten. 31

Das Erste, was wir machten, war dann aber Eis und Cola kaufen. Wir versteckten den Kanister und die Schläuche hinter der Leitplanke und liefen Eis essend über den Parkplatz hinten und probierten im Vorbeigehen die Tank-öffnungen der parkenden Autos durch. Keine davon ließ sich aufmachen. Ich war schon fast am Verzweifeln, als Tschick endlich einen alten Golf mit kaputtem Tankdeckel fand.

Wir warteten noch, bis es wirklich zappen-düster war und weit und breit kein Mensch mehr, und machten uns ans Werk.

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Der Waschmaschinenschlauch war so un-biegsam, dass wir ihn gleich wegschmeißen konnten. Aber mit dem Duschschlauch kam man gut rein in den Tank. Nur Benzin kam leider keins. Dabei war der Tank voll. Der Schlauch war unten fünfzehn Zentimeter nass.

Nachdem ich zehnmal angesaugt hatte und trotzdem nichts kam und Tschick es auch noch zehnmal probiert hatte, guckte er mich an und sagte: «Was war das nochmal für 'n Buch? Wo hattest du das her?»

Und ich hatte absolut keine Lust zu erklären, was das für ein Buch gewesen war. Ich versuchte es weiter mit Ansaugen und merkte auch, wie ich das Benzin hochgesaugt kriegte im Schlauch. Einmal hatte ich es bis an meine Lippen, aber mehr als drei Tropfen flossen am Ende nicht raus. Wir knieten zwischen den parkenden Autos und schauten uns an.

«Ich weiß, wie's funktioniert», sagte Tschick schließlich.

«Du nimmst es in den Mund und spuckst es in unsern Tank. Das funktioniert hundert Pro.»

«Und warum ich? »

«War es meine Idee?»

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«Ich hab 'ne bessere Idee: Hast du den Tennisball noch?»

«0 Mann», sagte Tschick. «O Mann. Das geht nicht.»

«Es ist stockfinster. Keiner sieht uns.»

«Das geht nicht», sagte Tschick und guckte mich an, als ob ihm alles wehtun würde. «Du hast das nicht wirklich geglaubt, oder? Du kannst mit einem Tennisball kein Auto aufmachen. Sonst würde das doch jeder. Der La-da war immer offen, hast du das nicht gemerkt? Das Schloss ist kaputt, oder der Besitzer hat nie abgeschlossen, was weiß ich. Ich glaube, der hat nie abgeschlossen. Weil, so ei-ne Rostlaube klaut doch kein Mensch. Mein Bruder hat das mal rausgefunden und - guck mich nicht so an! Mein Bruder hat mich auch verarscht mit dem Tennisball... oha. Dreh dich nicht um.»

«Was ist?»

«Kopf runter. Da ist jemand, bei den Containern.»

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