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«Und wie heißt er?»

«Andrej.» Ich sprach es französisch aus.

«Andre Langin.»

«Adresse?»

«Waldstraße 15, Berlin.»

«Wo versichert?»

«Dedeka.»

«Debeka oder was?»

«Ja, genau.» Debeka. Damit hatte Andre sich bei der Schuluntersuchung gebrüstet. Wie toll es wäre, privat versichert zu sein. Das Arschloch. Jetzt war ich natürlich froh darüber.

Aber mir zitterte ein bisschen die Stimme.

Hätte ich mal besser auch eine Sprachtherapie gemacht vorher.

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Vor allem war ich aber aufgeregt, weil ich nicht wusste, was da noch für Fragen kommen würden. Ich hatte mich noch nie in einer Notaufnahme gemeldet.

«Geboren am?»

«Dreizehnter Juli 1996.» Ich hatte keine Ahnung, wann Andre Geburtstag hatte. Hoffte aber, dass sie es nicht so schnell überprüfen konnten.

«Und was hat er jetzt?»

«Ihm ist ein Feuerlöscher auf den Fuß gefallen. Und vielleicht ist auch was mit seinem Kopf. Er blutet da. Die Frau» - ich deutete auf die Sprachtherapeutin, die mit einem Armvoll Schokoriegel gerade den Gang runterkam -

«kann das bestätigen.»

«Quatsch mir jetzt kein Ohr ab», sagte die Krankenschwester, die die ganze Zeit den Mann mit dem Mülleimer beobachtete und immer kurz davor war aufzustehen. Tatsächlich stand sie in der Minute, wo wir uns unterhielten, zweimal halb auf, als würde sie gleich rübergehen und den Mann in den Schwitzkasten nehmen, aber dann setzte sie sich wieder.

«Der Arzt ruft euch auf», sagte sie.

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Der Arzt ruft uns auf. So einfach war das al-so.

Die Sprachtherapeutin war einigermaßen überrascht, dass ich die Sache mit der Krankenversicherung schon geregelt hatte, und guckte mich mit schiefgelegtem Kopf an.

«Ich hab einfach meinen Namen gesagt», sagte ich.

Sie setzte sich mit uns hin und wartete, dass wir drankamen. Wir sagten ihr zwar, das wäre nicht nötig, aber ich glaube, sie fühlte sich irgendwie schuldig. Stundenlang unterhielt sie sich mit uns über Sprachtherapie, über Com-puterspiele, über Filme, Mädchen und Auto-knacken, und sie war wirklich wahnsinnig nett. Als wir ihr erzählten, wie wir versucht hatten, mit dem Lada unsere Namen in das Weizenfeld zu schreiben, kicherte sie die ganze Zeit. Und als wir erklärten, dass wir als Nächstes wahrscheinlich mit der Bahn zurück nach Berlin fahren würden, glaubte sie uns.

Vor uns wurden immer wieder blutüber-strömte Leute im Laufschritt am Empfang vorbeigeschoben. Und als es schon kurz vor Mitternacht war und wir immer noch nicht dran, verabschiedete die Frau sich dann doch von uns. Sie fragte noch mindestens hundert 268

Mal, ob sie noch irgendwas für uns tun könnte, gab uns ihre Adresse, falls wir «Schadens-ersatzansprüche» oder so was anmelden wollten, zog ihr Portemonnaie raus und drückte uns zwei Hunderter für die Bahnfahrt in die Hand. Das war mir einigermaßen peinlich, aber ich wusste auch nicht, wie ich es ableh-nen sollte. Und dann sagte sie zum Abschied noch etwas sehr Seltsames. Sie schaute uns an, und nachdem sie wirklich alles für uns getan hatte, was man tun konnte, sagte sie: «Ihr seht aus wie Kartoffeln.» Und dann ging sie.

Drehte durch die Drehtür und war weg. Ich fand das wahnsinnig komisch. Und auch jetzt muss ich noch jedes Mal lachen, wenn mir das wieder einfällt: Ihr seht aus wie Kartoffeln.

Ich weiß nicht, ob das einer versteht. Aber sie war wirklich die Netteste von allen.

Schließlich durfte Tschick rein zum Arzt. Ei-ne Minute später kam er wieder raus, und wir mussten rauf zum Röntgen. Ich wurde immer müder. Irgendwann döste ich auf dem Gang ein, und als ich wieder aufwachte, stand Tschick mit zwei Krücken und einem Gips vor mir. Ein richtiger Gips, nicht bloß so eine Plastikschiene.

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Eine Krankenschwester drückte ihm ein paar Schmerztabletten in die Hand und meinte, dass wir noch dableiben müssten, weil der Arzt sich den Fuß auch noch ansehen wollte.

Und ich fragte mich, wer denn den Verband gemacht hatte, wenn nicht der Arzt. Der Hausmeister? Die Krankenschwester zeigte

uns ein freies Zimmer, in das wir uns setzen konnten. In dem Zimmer standenz-wei frischbezogene Betten.

Es war jetzt keine sehr glückliche Stimmung mehr. Die Reise war zu Ende, auch wenn das außer uns noch keiner wusste, und wir fühlten uns ziemlich erbärmlich. Ich hatte überhaupt keine Lust, mit der Bahn irgendwohin zu fahren. Tschicks Schmerzmittel fingen erst langsam an zu wirken. Er legte sich stöhnend in ein Bett, und ich ging zum Fenster und guckte raus. Es war noch dunkel draußen, aber als ich die Nase auf die Scheibe drückte und die Hände rechts und links ans Gesicht hielt, sah ich doch schon den Morgen dämmern. Sah den Morgen dämmern und -

Ich sagte Tschick, er sollte das Licht ausma-chen. Er benutzte die Krücke als Fernbedienung. Gleich wurde die Landschaft deutlicher.

Ich sah eine einsame Telekom-Säule in der 270

Krankenhauseinfahrt. Ich sah einen einsamen Waschbetonkübel. Ich sah einen einsamen Zaun und ein Feld, einen Acker, und irgendwas an diesem Acker kam mir vertraut vor. Es wurde heller, und ich konnte auf der anderen Seite vom Acker drei Autos unterscheiden.

Zwei Pkw, ein Kranlaster.

«Du glaubst nicht, was ich sehe.»

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