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«Du heißt Andre Langin», flüsterte ich und rieb mir die Augen, als sei ich vom Licht ge-blendet. Tschick sagte irgendwas von wegen, dass wir ja jetzt auch nach Hause kommen müssten - und das war leider genau der Grund, warum die Krankenschwester uns sprechen wollte. 40

Berlin wäre ja ein bisschen weit weg, meinte sie, und wo wir denn jetzt hinmüssten. Ich erklärte ihr, dass wir hier auf Besuch bei unserer Tante wären und alles kein Problem - und das hätte ich besser nicht gesagt. Die Kran-275

kenschwester fragte mich zwar nicht, wo diese Tante wohnte, aber dafür schleppte sie mich sofort ins Schwesternzimmer und stellte mich vor ein Telefon. Tschick verkniff sich den Schmerz, wedelte mit den Krücken und rief, wir könnten eigentlich auch zu Fuß gehen, und die Krankenschwester sagte: «Probiert's halt erst mal. Oder wisst ihr die Nummer nicht?»

«Doch, klar», sagte ich. Ich sah ein Telefonbuch auf dem Tisch liegen, das wollte ich nicht auch noch in die Hand gedrückt kriegen.

Also wählte ich irgendeine Nummer in der Hoffnung, dass niemand ranging. Vier Uhr nachts.

Ich hörte es tuten. Die Krankenschwester hörte es vermutlich auch, denn sie blieb neben uns stehen. Das Beste wäre natürlich gewesen, bei uns zu Hause anzurufen, das war eine sichere Bank, dass da niemand abhob.

Aber mit der Berliner Vorwahl zusammen war das eine elfstellige Nummer, und die Krankenschwester schaute jetzt schon misstrauisch genug. Es klingelte einmal, zweimal, dreimal, viermal. Ich dachte, ich könnte langsam auflegen und sagen, dass unsere Tante sicher noch fest schlafen würde und wir zu Fuß -

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«Chrr... äch, Reiber», meldete sich ein Mann.

«Oh. Hallo, Tante Mona!»

«Reiber!», stöhnte der Mann schlaftrunken.

«Keine Tante. Keine Mona.»

«Hab ich dich geweckt?», fragte ich. «Ja, natürlich, blöde Frage. Aber es ist Folgendes.»

Ich gab der Krankenschwester ein Zeichen, dass alle unsere Probleme gelöst waren und sie sich wieder an die Arbeit machen könnte, falls es welche gab.

Es schien keine zu geben. Eisern blieb sie neben mir stehen.

«Hallo, verwählt!», hörte ich die Stimme.

«Reiber hier.»

«Ja, ich weiß. Und ich hoffe, du hast nicht...

o ja ... ja», sagte ich und deutete Tschick und der Krankenschwester mit einem Blick an, wie überrascht - und besorgt - Tante Mona war, zu dieser Stunde einen Anruf von uns zu erhalten.

Die Stille im Telefonhörer war fast noch irri-tierender als das Schnaufen zuvor.

«Ja, nein ... es ist etwas passiert», fuhr ich fort. «Andre hat einen kleinen Unfall gehabt, ihm ist was auf den Fuß gefallen ... nein ...

nein. Wir sind im Krankenhaus. Sie haben ihn eingegipst.»

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Ich sah die Krankenschwester an. Sie rührte sich nicht.

Aus dem Telefonhörer kamen unverständli-che Geräusche, und plötzlich war die Stimme wieder da. Diesmal nicht mehr ganz so schlaftrunken. «Verstehe», sagte der Mann. «Wir führen ein fiktives Gespräch.»

«Ja», sagte ich, «aber das macht nichts. Ist auch nicht wirklich schlimm, ein Haarriss oder so.»

«Und ich bin Tante Mona.»

«Nein. Ich meine, ja... ja, genau... ja.»

«Und neben dir steht einer und hört zu.» Der Mann machte ein Geräusch, das ich zuerst nicht deuten konnte. Ich glaube, er lachte leise.

«Ja. Ja...»

«Und wenn ich jetzt laut schreie, hast du ein Riesenproblem, richtig?»

«Bitte nicht, äh ... nein. Du musst dir wirklich keine Sorgen machen. Es ist alles geregelt.»

«Gar nichts ist geregelt», sagte die Krankenschwester pampig. «Sie muss euch abholen.»

«Brauchst du Hilfe?», fragte der Mann.

«Was?»

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Die Krankenschwester sah aus, als wollte sie mir jeden Moment den Hörer aus der Hand nehmen und selbst mit Tante Mona sprechen.

«Du müsstest uns abholen, Tante Mona.

Geht das? Ja? Ja?»

«Ich versteh nicht ganz, worauf das hinaus-läuft», sagte der Mann, «aber du klingst, als wärst du in echten Schwierigkeiten. Bedroht dich jemand?»

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