Söldner bezahle. Aber die Alten haßten ihn wegen seiner Beliebtheit beim Volke. Sie fürchteten in ihm einen etwaigen Herrscher und bemühten sich, aus Angst vor der Monarchie, alles zu schwächen, was noch davon bestand oder zu ihr zurückführen konnte.
Außerhalb der Festungswerke lebten Menschen andrer Rasse und unbekannten
Ursprungs. Sie jagten Stachelschweine und aßen Weichtiere und Schlangen. In Fallgruben fingen sie lebendige Hyänen, die sie des Abends zu ihrer Belustigung auf den Dünen bei Megara zwischen den Grabmälern wieder laufen ließen. Ihre Hütten aus Schlamm und Schilf klebten am Hange der Küste wie Schwalbennester. So lebten sie ohne Regierung und ohne Götter in den Tag hinein, völlig nackt, wild und schwächlich zugleich, und seit Jahrhunderten ihrer unreinen Nahrung wegen vom Volke verachtet. Eines Tages
bemerkten die Posten, daß sie sämtlich verschwunden waren.
Endlich faßten die Mitglieder des Großen Rates einen Entschluß. Sie gingen ohne Halsketten und Gürtel, mit offenen Sandalen ins Lager, wie zu Nachbarn. Ruhigen Schritts nahten sie, warfen den Hauptleuten Grüße zu und blieben des öfteren stehen, um mit den Soldaten zu sprechen. Sie erklärten, es sei alles beendet, und man wolle ihren Ansprüchen
gerecht werden.
Viele unter ihnen sahen zum ersten Male ein Söldnerlager. Statt des Durcheinanders, das sie vermutet hatten, herrschte überall Ordnung und beängstigende Stille. Das ganze umschloß ein hoher Rasenwall, der den Geschossen der Katapulte unbedingt Widerstand
zu leisten vermochte. Die Lagergassen waren mit frischem Wasser besprengt. Durch die Zelttüren erblickte man wilde Augen, die im Dunkeln glühten. Die Lanzenpyramiden und
die aufgehängten Rüstungen blendeten wie Spiegel. Die Karthager sprachen leise miteinander und nahmen sich in acht, daß sie mit ihren langen Mänteln nichts umrissen.
Die Söldner forderten Lebensmittel und verpflichteten sich, sie mit dem ausstehenden Solde zu bezahlen.
Man sandte ihnen Rinder, Schafe, Perlhühner, getrocknete Früchte und Lupinen, auch geräucherte Makrelen von jener vortrefflichen Sorte, die Karthago nach allen Häfen versandte. Doch die Söldner betrachteten das prächtige Vieh geringschätzig von allen Seiten, und indem sie herabsetzten, was sie begehrten, boten sie für einen Widder den Preis einer Taube, für drei Ziegen so viel, wie ein Granatapfel wert war. Die »Esser unreiner Speisen« warfen sich zu Sachverständigen auf und behaupteten, man betröge sie.
Dabei fuchtelten sie mit ihren Schwertern herum und drohten mit Mord und Totschlag.
Bevollmächtigte des Großen Rates buchten die Zahl der Dienstjahre, für die man jedem
Soldaten den Sold schuldete. Doch es war jetzt unmöglich noch zu wissen, wieviele Söldner man angenommen hatte, und die Alten waren entsetzt über die ungeheure Summe,
die sie zu bezahlen hatten. Man war gezwungen, die Silphiumvorräte zu verkaufen und die Handelsstädte zu besteuern. Die Söldner mußten indessen ungeduldig werden. Schon hatte Tunis mit ihnen paktiert. Die durch Hannos Wutausbrüche und die Vorwürfe seines Amtsgenossen nervös gewordenen Patrizier legten es deshalb jedem Bürger nahe, der zufällig einen der Barbaren kannte, ihn sofort aufzusuchen und ihm gute Worte zu geben, damit er wieder freundlich gesinnt würde. Solches Vertrauen sollte die Söldner beruhigen.
Kaufleute, Schreiber, Arsenalarbeiter, ganze Familien begaben sich zu den Barbaren.
Diese ließen alle Karthager ins Lager, aber nur durch einen einzigen Eingang, der so eng war, daß sich vier nebeneinandergehende Männer mit den Ellbogen berührten.
Spendius stand an der Schranke und ließ alle genau durchsuchen. Matho, ihm gegenüber, musterte die Menge, um irgendwen wiederzuerkennen, den er um Salambo gesehen hatte.
Das Lager glich einer Stadt, so voll war es von Menschen und Leben. Die beiden deutlich unterscheidbaren Massen vermengten sich, ohne sich völlig zu vermischen: die eine in leinenen oder wollenen Gewändern mit Filzhüten, die wie Pinienäpfel aussahen, die andere in Panzerkleid und Helm. Zwischen den Troßknechten und Marketendern trieben sich Weiber von allerhand Rassen umher: wie reife Datteln so braun, wie Oliven so grünlich, wie Orangen so gelb, von Seeleuten verkauft, in Spelunken aufgelesen, den Karawanen gestohlen, bei der Plünderung von Städten gefangen. Man hetzte sie mit Liebe, solange sie jung waren, und überhäufte sie mit Schlägen, wenn sie alt wurden, bis sie schließlich auf irgendeinem Rückzuge, mit dem Gepäck und den Lasttieren im Stich gelassen, am Wege starben. Die Frauen der Nomaden gingen wiegenden Schrittes, in karierten gelb-roten langen Kamelhaarröcken. Lautenspielerinnen aus der Kyrenaika, in violette Gaze gehüllt, mit gemalten Augenbrauen, hockten auf Strohmatten und sangen.
Alte Negerweiber mit Hängebrüsten lasen Tiermist auf, den man dann in der Sonne dörrte und zum Feueranmachen benutzte. Die Syrakusanerinnen trugen Goldplättchen im Haar, die Frauen der Lusitanier Muschelhalsbänder, die Weiber der Gallier Wolssfelle über der weißen Brust. Kräftige Kinder, voller Ungeziefer, nackt und unbeschnitten, rannten den Vorübergehenden mit dem Kopf vor den Leib oder schlichen sich hinterrücks heran wie junge Tiger, um sie in die Finger zu beißen.
Die Karthager gingen im Lager umher, erstaunt über die Menge von Gegenständen, mit
denen es vollgepfropft war. Die Allerärmsten wurden traurig. Die andern ließen sich ihre Unruhe nicht anmerken.
Die Soldaten klopften ihnen auf die Schultern, um sie aufzuheitern. Wen immer sie erblickten, den luden sie zu ihren Spielen ein. Beim Diskoswerfen richteten sie es dann so ein, daß dem Aufgeforderten die Füße zerquetscht wurden, und beim Faustkampfe zerschmetterten sie ihm beim ersten Gange die Kinnlade. Die Schleuderer schreckten die Karthager mit ihren Schleudern, die Schlangenbeschwörer mit ihren Vipern, die Reiter mit ihren Pferden. Die an friedliche Beschäftigungen gewöhnten Leute ließen alle Verhöhnungen stumm über sich ergehen und bemühten sich sogar zu lächeln. Einige, die
sich tapfer zeigen wollten, gaben zu verstehen, daß sie Soldaten werden möchten. Man hieß sie Holz spalten und Maultiere striegeln oder schnallte sie in eine Rüstung und rollte sie wie Tonnen durch die Lagergassen. Wenn sie sich dann zum Aufbruch anschickten, rauften sich die Söldner unter albernen Verrenkungen die Haare.
Viele hielten nun naiverweise, aus Einfalt oder Aberglauben, alle Karthager für steinreich. Sie liefen hinter ihnen her und baten und bettelten, ihnen etwas zu schenken.
Sie begehrten alles, was ihnen gefiel: Ringe, Gürtel, Sandalen, Gewandfransen, alles mögliche, und wenn der ausgeplünderte Karthager schließlich ausrief: »Ich habe nichts mehr! Was willst du noch« so antworteten sie: »Dein Weib!« oder auch wohl: »Dein Leben!«
Die Soldrechnungen wurden den Hauptleuten zugestellt, den Soldaten vorgelesen und endgültig anerkannt. Nun forderten sie Zelte. Man gab sie ihnen. Dann verlangten die Offiziere der Griechen eine Anzahl der schönen Rüstungen, die man in Karthago verfertigte. Der Große Rat bewilligte Summen zum Ankauf. Es sei recht und billig, behaupteten sodann die Reiter, daß die Republik sie für ihre eingebüßten Pferde entschädige. Der eine behauptete, bei der und jener Belagerung drei, ein andrer auf dem und jenem Marsche fünf verloren zu haben. Einem dritten waren beim Passieren des Gebirges vierzehn abgestürzt. Man bot ihnen Hengste von Hekatompylos an, aber alle zogen Geld vor.
Weiterhin verlangten sie, daß man ihnen in bar – in Silbermünzen, nicht in Ledergeld –
alles Getreide bezahlte, das man ihnen noch schuldete, und zwar zu dem höchsten Preise, den es während des Krieges gehabt hatte, so daß sie für ein Maß Mehl vierhundertmal mehr verlangten, als sie für einen ganzen Sack Weizen gegeben hatten. Diese Unredlichkeit empörte die Karthager trotzdem mußten sie nachgeben.
Danach söhnten sich die Bevollmächtigten der Söldner mit den Abgesandten des Großen Rates aus, wozu sie beim Schutzgeist Karthagos und bei den Göttern der Barbaren schworen. Unter morgenländischem Wortschwall und Gebärdenspiel überboten sie
einander in Entschuldigungen und Schmeicheleien. Dann forderten die Söldner als Freundschaftsbeweis die Bestrafung der Verräter, die das Heer mit der Republik veruneinigt hätten.
Man tat, als verstände man sie nicht. Jene erklärten sich etwas deutlicher, indem sie Hannos Kopf forderten.
Täglich kamen sie mehrere Male aus dem Lager heraus und trieben sich am Fuße der Mauern herum. Sie riefen, man solle ihnen den Kopf des Suffeten herabwerfen, und breiteten ihre Mäntel aus, um ihn aufzufangen.
Der Große Rat hätte vielleicht auch hierin nachgegeben, wenn nicht ein letztes Ansinnen gestellt worden wäre, unverschämter als alle andern. Die Söldner forderten nämlich Jungfrauen aus den vornehmsten Hänsern zu Gattinnen für ihre Obersten. Es war dies ein Einfall von Spendius, den manche ganz einfach und sehr wohl ausführbar fanden.
Aber die Anmaßung der Barbaren, sich mit punischem Blute vermischen zu wollen, empörte das karthagische Volk. Man bedeutete ihnen kurz und bündig, daß sie nichts mehr zu empfangen hätten. Nun schrien sie, man habe sie betrogen, und wenn der Sold nicht binnen drei Tagen ankäme, würden sie nach Karthago kommen und sich ihn selbst holen.
Die Unredlichkeit der Söldner war nicht so groß, wie ihre Feinde meinten. Hamilkar hatte ihnen tatsächlich wiederholt und in feierlicher, wenn auch unbestimmter Form weitgehende Versprechungen gemacht. Bei ihrer Landung in Karthago hatten sie deshalb
wohl Anlaß gehabt zu glauben, man würde ihnen die Stadt preisgeben, deren Schätze sie unter sich teilen sollten. Als sie nun aber merkten, daß ihnen kaum der Sold ausgezahlt ward, war dies eine Enttäuschung für ihren Stolz wie für ihre Begehrlichkeit.
Hatten Dionys, Pyrrhus, Agathokles und die Generale Alexanders nicht Beispiele wunderbaren Glücks geliefert? Das Vorbild des Herkules, den die Kanaaniter der Sonne verglichen, stand allen Soldaten leuchtend vor Augen. Man dachte daran, daß einfache Krieger Kronen errungen hatten, und der dröhnende Sturz großer Reiche verführte den Gallier in seinen Eichenwäldern, den Äthiopier in seinen Sandwüsten zu hohen Träumen.
Und es gab ein Volk, das stets bereit war, den Mut anderer auszunutzen. Der von seinem Stamme ausgestoßene Dieb, der auf den Straßen umherirrende Vatermörder, der von den
Göttern verfolgte Tempelschänder, alle Hungrigen und Verzweifelten rangen sich bis zu dem Hafen durch, wo der punische Werber Söldner aushob. Gewöhnlich hielt Karthago seine Versprechungen. Diesmal jedoch hatte sein grenzenloser Geiz es zu einem gefährlichen Wortbruch verleitet. Die Numidier, die Libyer, ganz Afrika drohte sich gegen die Punier zu erheben. Nur das Meer war frei. Dort aber stieß Karthago mit den Römern zusammen. Wie ein von Mördern Überfallener blickte es rings dem Tod ins Antlitz.