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Stärksten suchten sich selbst bezahlt zu machen. Die minder Aufgebrachten forderten, daß die Ablöhnung fortgesetzt würde. Keiner legte mehr die Waffen ab, und der Zorn aller vereinigte sich gegen Gisgo zu stürmischem Hasse.

Etliche wollten für ihn eintreten. Solange sie Schmähungen ausstießen, hörte man sie geduldig an. Sobald sie aber das geringste Wort für ihn sprachen, wurden sie unverzüglich gesteinigt, oder man schlug ihnen hinterrücks mit einem Säbelhieb den Kopf ab. Die aufgehäuften Säcke sahen blutiger aus als ein Opferaltar.

Nach den Mahlzeiten wurden die Söldner entsetzlich, zumal wenn Wein getrunken worden war. Dieser Genuß war in den punischen Heeren bei Todesstrafe verboten. Man schwenkte die Becher gegen Karthago, um seiner Manneszucht zu spotten. Dann fiel man

über die Sklaven des Zahlmeisters her und begann von neuem zu morden. Der Ruf:

»Steinigt ihn!« – in jeder Sprache verschieden – ward von allen verstanden.

Gisgo wußte wohl, daß ihn das Vaterland im Stiche ließ. Angesichts aller

Undankbarkeit wollte er trotzdem die Ehre Karthagos hochhalten. Als die Söldner ihn daran erinnerten, daß man ihnen Schiffe versprochen habe, schwur er beim Moloch, sie ihnen auf eigene Kosten zu liefern. Er riß sein Halsband aus blauen Steinen vom Halse und warf es in die Menge als Pfand seines Eides.

Nun forderten die Afrikaner Getreide, gemäß den Versprechungen des Großen Rates.

Gisgo legte amtliche Rechnungen vor, die mit violetter Tinte auf Lammfelle geschrieben waren. Er verlas alles, was nach Karthago eingeführt worden war, Monat für Monat und

Tag für Tag.

Plötzlich hielt er stieren Blicks inne, als stände da zwischen den Ziffern sein Todesurteil.

In der Tat hatten die Alten die Zahlen betrügerisch verkleinert und das Getreide, das in der Zeit der größten Kriegsnot verkauft worden war, zu einem so niedrigen Preis angerechnet, daß kein vernünftiger Mensch getäuscht werden konnte.

»Rede!« schrien sie. »Lauter! Ha, er sucht nach Lügen, der Feigling! Aufgepaßt!«

Eine Weile zauderte er. Endlich las er weiter.

Die Söldner ahnten nicht, daß man sie betrog, und nahmen die Rechnungsauszüge für

richtig an. Aber der Überfluß, der in Karthago geherrscht, versetzte sie in wilde Eifersucht. Sie zertrümmerten die Sykomorenholzkiste. Sie war zu drei Vierteln leer. Man hatte solche Summen aus ihr hervorgehen sehn, daß man sie für unerschöpflich gehalten.

Gisgo mußte Geld in seinem Zelte vergraben haben! Man stürmte die Rednerbühne.

Matho war der Anstifter. Als man schrie: »Das Geld! Das Geld!« antwortete Gisgo

schließlich:

»So mag’s euer Führer euch geben!«

Fortan schwieg er und blickte mit den großen gelben Augen seines langen Gesichtes, das weißer war als sein Bart, kaltblütig in den Tumnlt. Ein Pfeil, von seinem eigenen Gefieder gehemmt, blieb in des Suffeten großem goldenen Ohrring hängen, und Blut rann, gleich einem roten Faden, von der Tiara auf feine Schulter herab.

Auf einen Wink Mathos stürzten alle auf Gisgo ein. Er breitete die Arme aus. Spendius fesselte ihn mit einer Schlinge an den Handgelenken. Ein andrer warf ihn zu Boden, und er verschwand im Getümmel der Menge, die über die Säcke stürmte.

Man plünderte sein Zelt. Nur die zum Leben unentbehrlichsten Gegenstände fand man

darin, und später, bei genauerem Suchen, noch drei Bilder der Tanit und, in Affenhaut gewickelt, einen schwarzen Stein, der vom Monde heruntergefallen sein sollte.

Eine Anzahl Karthager hatten Gisgo freiwillig begleitet, angesehene vornehme Männer,

sämtlich zur Kriegspartei gehörig. Man riß sie aus den Zelten und warf sie kopfüber in die Latrinen. Mit eisernen Ketten, die man um ihren Leib schlang, wurden sie an starke Pfähle gefesselt. Nahrung reichte man ihnen auf den Spitzen von Wurfspießen.

Autarit, der sie bewachte, überschüttete sie mit Schimpfworten. Da sie aber seine Sprache nicht verstanden, antworteten sie nicht. Von Zeit zu Zeit warf er ihnen Steine ins Gesicht, damit sie schreien sollten.

Am nächsten Tage ergriff eine Art Erschöpfung das Heer. Jetzt, da der Zorn verraucht

war, stellten sich Angst und Sorge ein. Matho litt an namenloser Traurigkeit. Ihm war, als habe er Salambo mittelbar beleidigt. Die gefangenen Patrizier waren ihm gleichsam ein Zubehör zu ihrer Person. Er setzte sich des Nachts an den Rand ihrer Grube und fand im Wimmern dort unten etwas von der Stimme wieder, die sein Herz erfüllte.

Inzwischen klagten alle die Libyer an, die allein bezahlt worden waren. Aber während

die nationalen Gegensätze und der persönliche Haß erwachten, fühlte man auch die Gefahr, die darin lag, diesen Leidenschaften nachzugeben. Die Vergeltung für den Vorfall mußte furchtbar ausfallen. Folglich galt es, der Rache Karthagos zuvorzukommen. Die Beratungen und öffentlichen Reden nahmen kein Ende. Jeder sprach, keiner hörte zu, und Spendius, der sonst so gesprächig war, schüttelte zu allen Vorschlägen den Kopf.

Eines Abends fragte er Matho beiläufig, ob es keine Quellen in der Stadt gäbe.

»Nicht eine!« antwortete der.

Am nächsten Morgen führte ihn Spendius zum Seeufer.

»Herr!« begann der ehemalige Sklave. »Wenn dein Herz unerschrocken ist, will ich dich nach Karthago hineinführen.«

»Auf welche Weise?« fragte der andere, nach Atem ringend.

»Schwöre mir, allen meinen Befehlen nachzukommen und mir wie ein Schatten zu folgen!«

Matho erhob den Arm gegen den Mond und rief:

»Bei der Tanit, ich schwör es dir!«

Spendius fuhr fort:

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