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Besonders Tunis verabscheute Karthago. Älter als die Hauptstadt, verzieh es ihr die

Überflügelung nicht. Angesichts ihrer Mauern lag es im Sumpf am Binnensee, zusammengekauert wie ein giftiges Tier, das starr nach ihr hinblickte. Die zwangsweisen Verschickungen, die Blutbäder und Seuchen hatten es nicht geschwächt. Es hatte Archagathos, den Sohn des Agathokles, unterstützt. Die Esser unreiner Speisen fanden hier sofort Wehr und Waffen.

Die Boten waren noch nicht fort, als in den Provinzen ein allgemeiner Freudenrausch ausbrach. Unverzüglich erdrosselte man in den Bädern die Vertreter und Beamten der Republik, holte die alten Waffen, die man versteckt hatte, aus den Höhlen und schmiedete Schwerter aus den Pflugscharen. Die Kinder schärften Pfeilspitzen an den Türschwellen, und die Weiber gaben ihre Halsbänder, Ringe und Ohrringe hin, und alles, was irgendwie zur Zerstörung Karthagos dienen konnte. Ein jeder wollte dazu beitragen. In den Ortschaften häuften sich die Lanzenbündel wie Maisgarben. Man schickte Schlachtvieh und Geld. Matho zahlte den Söldnern rasch den rückständigen Sold, und diese Tat, deren Vater Spendius war, erhob ihn zum Generalissimus, zum Schalischim der Barbaren.

Gleichzeitig strömten Hilfstruppen herbei: zuerst erschienen die Ureinwohner des Landes, dann die Feldsklaven. Negerkarawanen wurden aufgegriffen und bewaffnet, und

Kaufleute, die nach Karthago zogen, schlossen sich den Barbaren aus Gewinnsucht an.

Unaufhörlich stießen zahlreiche Banden zu ihnen. Von der Höhe der Akropolis konnte man sehen, wie das Heer anwuchs.

Auf der Plattform der Wasserleitung stand eine Kette von Posten der Garde und neben

ihnen in bestimmten Abständen eiserne Bottiche, in denen flüssiger Asphalt brodelte.

Drunten in der Ebene wogte die gewaltige Menge der Söldner lärmend durcheinander. Sie waren unschlüssig, voll von jener Ratlosigkeit, die Barbaren stets vor Festungen zu empfinden pflegen.

Utika und Hippo-Diarrhyt wiesen das angebotene Bündnis zurück. Als phönizische Kolonien – gleich Karthago – hatten sie ihre eignen Regierungen und ließen in die Verträge, die sie mit der Republik schloffen, immer von neuem die ausdrückliche Anerkennung ihrer Selbständigkeit aufnehmen. Gleichwohl achteten sie die stärkere Schwester, die sie beschirmte, und glaubten durchaus nicht, daß ein Barbarenhaufen imstande wäre, sie zu besiegen. Im Gegenteil: man war überzeugt, daß die Söldner mit Stumpf und Stiel vernichtet würden. Daher wünschte man, neutral zu bleiben und sich friedlich zu verhalten.

Doch beide Städte waren so gelegen, daß Karthagos Feinde sie keinesfalls links liegen lassen durften. Utika, tief drinnen an einem Meerbusen, lag wie geschaffen, Karthago von auswärts Hilfe zu schicken. Fiel Utika allein, so trat Hippo-Diarrhyt, sechs Stunden weiter nordwestlich an der Küste, an seine Stelle, und die Hauptstadt, von dort mit Lebensmitteln versehen, blieb uneinnehmbar.

Spendius drang auf eine sofortige Belagerung Karthagos. Naravas war dagegen. Man müsse sich zunächst der umliegenden Orte bemächtigen. Das war ebenso die Meinung der

Veteranen wie die Mathos, und so wurde bestimmt, daß Spendius Utika und Matho Hippo-

Diarrhyt angreifen sollten. Das dritte Heer sollte sich an Tunis anlehnen und die Ebene vor Karthago besetzen. Autarit übernahm dies. Naravas sollte indes in sein Königreich zurückkehren, um Elefanten zu holen, und mit seiner Reiterei die Zugangsstraßen

aufklären.

Die Weiber jammerten weidlich über diesen Beschluß.

Sie gelüstete es nach dem Geschmeide der punischen Damen. Auch die Libyer erhoben

Widerspruch. Man habe sie gegen Karthago aufgerufen, und nun zöge man ab. Die Söldner traten den Abmarsch an. Matho führte seine Landsleute sowie die Iberer, die Lusitanier, die Männer aus dem Westen und von den Inseln, während alle, die Griechisch sprachen, dem Spendius folgten, seiner Klugheit wegen.

In Karthago war das Erstaunen groß, als man das Heer plötzlich aufbrechen sah. Es marschierte an den arianischen Bergen die Straße nach Utika hin, auf der Seeseite. Eine Abteilung blieb vor Tunis stehen. Der Rest verschwand und tauchte erst am andern Gestade des Golfes wieder auf, am Saume der Wälder, in die er sich verlor.

Es waren etwa achtzigtausend Mann. Die beiden tyrischen Städte, so meinten sie, würden keinen Widerstand leisten. Alsdann sollte es von neuem gegen Karthago gehen.

Ein beträchtliches Heer schnitt die Stadt bereits vom Binnenland ab, indem es die Landenge besetzt hielt. Die Stadt mußte dem Hunger rasch erliegen, denn ohne Beihilfe der Provinzen konnte sie nicht leben, da die Bürger nicht wie in Rom Steuern zahlten. Ein höherer politischer Geist fehlte in Karthago. Seine unersättliche Gewinnsucht unterdrückte jene Klugheit, die weitblickender Ehrgeiz zeitigt. Wie ein auf dem libyschen Sande vor Anker gegangenes Schiff hielt es sich nur durch unermüdliche Arbeit. Die Völker umbrandeten es wie Meeresfluten, und der geringste Sturm erschütterte seinen Riesenleib.

Der Staatsschatz war durch den Krieg mit Rom und durch all das Hin- und Herfeilschen

mit den Barbaren vergeudet und vertan worden. Man brauchte aber Soldaten, und keine Großmacht traute der Republik! Erst kürzlich hatte Ptolomäus ihr eine Anleihe von nicht einmal zehn Millionen Mark abgeschlagen. Überdies hatte der Raub des heiligen Mantels allgemeine Entmutigung zur Folge. Spendius hatte das richtig vorhergesehn.

Diesem Volk, das sich gehaßt fühlte, lagen sein Geld und seine Götter am Herzen, und

seine Vaterlandsliebe wurde durch die Art seiner Regierung genährt.

Zunächst gehörte die Macht allen. Keiner war stark genug, sie an sich zu reißen.

Privatschulden galten wie Schulden an das Gemeinwesen. Die Männer kanaanitischer Abkunft hatten das Vorrecht des Handels. Indem sie den Ertrag der Seeräuberei durch Wuchergeschäfte noch vermehrten und den Grund und Boden, die Sklaven und Armen maßlos ausbeuteten, waren etliche zu Reichtum gelangt. Nur dieser erschloß die obersten Staatsämter; und wiewohl sich die Macht in den reichen Geschlechtern forterbte, beließ man es doch bei der Oligarchie, dieweil ein jeder emporzukommen hoffte.

Es gab, entsprechend den dreihundert Geschlechtern, einen Großen Rat aus dreihundert

Patriziern, von denen dreißig den Rat der Alten bildeten, die sogenannte Gerusia. Daneben existierte ein Staatsgerichtshof, das Kollegium der Hundertmänner. Auch diese waren Ratsmitglieder, repräsentierten aber eine Behörde für sich von beträchtlichem Einfluß auch auf den Rat. Die Hundertmänner wurden von den beiden Pentarchien gewählt, die aus je fünf Ratsmitgliedern bestanden. Die beiden alljährlich aus der Gerusia neugewählten Suffeten waren Schattenkönige, die weniger Macht hatten als die Konsuln

in Rom. Man entzweite sie durch allerlei Niedertracht, damit sie sich gegenseitig schwächten. Sie durften nicht mit über den Krieg beraten. Erlitten sie aber Niederlagen, so

ließ der Große Rat sie kreuzigen.

Karthagos innerste Kraft ging von den Syssitien aus, das heißt von einem großen Hofe

im Mittelpunkte von Malka, an der Stelle, wo nach der Überlieferung einst die erste Barke mit phönizischen Matrosen gelandet war. Seitdem war das Meer weit zurückgetreten. Dort gab es eine Reihe kleiner Blockhäuser von altertümlicher Bauart, aus Palmenholz mit steinernen Ecken. Sie waren voneinander geschieden, um die Einzelverbände getrennt aufzunehmen. Die Patrizier hielten sich dort massenweise den ganzen Tag über auf, um ihre Angelegenheiten und die der Regierung zu besprechen, vom Pfefferkurs an bis zur Vernichtung Roms. Dreimal im Monat ließen sie ihre Ruhebetten auf die Plattform hinaufschaffen, die entlang der Hofmauer hinlief. Von unten sah man sie dann hoch oben an der Tafel sitzen, ohne Stiefel und Mäntel, mit diamantgeschmückten Händen, die über die Leckereien glitten, mit großen Ohrgehängen, die zwischen den Schenkkannen herabhingen, alle stark und wohlbeleibt, halbnackt, fröhlich, lachend und in freier blauer Luft schmausend, wie sich große Haifische im Meer ergötzen.

Jetzt freilich konnten sie ihre Besorgnis nicht verhehlen: sie waren allzu bleich. Die Menge erwartete sie an den Pforten und begleitete sie bis zu ihren Palästen, um ihnen Neuigkeiten zu entlocken. Wie in Pestzeiten waren alle Häuser geschlossen. Die Straßen füllten und leerten sich ruckweise. Man stieg zur Akropolis hinauf. Man lief nach dem Hafen. Nacht für Nacht hielt der Große Rat Versammlungen ab. Schließlich ward das Volk auf den Khamonplatz berufen, und man beschloß, sich an Hanno zu wenden, den Eroberer

von Hekatompylos.

Er war ein bigotter, verschlagener Mann, schonungslos gegen die Afrikaner, ein Erzkarthager. Seine Einkünfte kamen denen der Barkiden gleich. Niemand besaß so viel Erfahrung in Verwaltungsangelegenheiten wie er.

Er befahl die Aushebung aller waffenfähigen Bürger, ließ Geschütze auf den Türmen aufstellen und brachte übermäßige Waffenvorräte zusammen. Sogar den Bau von vierzehn

Schlachtschiffen ordnete er an, die man zurzeit gar nicht nötig hatte. Er verlangte, daß alles sorgfältigst gebucht und beurkundet würde.

Er ließ sich nach dem Arsenal, nach dem Leuchtturm, zu den Tempelschätzen tragen.

Immerfort sah man seine große Sänfte die Treppen zur Akropolis Stufe um Stufe emporschwanken. Nachts in seinem Palaste, da er nicht schlafen konnte, brüllte er mit furchtbarer Stimme Kommandos, um sich auf den Krieg vorzubereiten.

Die übertriebene Furcht machte die ganze Stadt waffenlustig. Schon beim ersten Hahnenschrei versammelten sich die Patrizier längs der Straße der Mappalier und übten sich mit aufgeschürztem Gewand im Lanzenfechten. Doch da es an Exerziermeistern fehlte, gab es öfters Streitereien. Von Zeit zu Zeit setzte man sich erschöpft auf die Gräber, dann begann man von neuem. Manche unterwarfen sich sogar einer bestimmten

Lebensweise. Die einen bildeten sich ein, daß man viel essen müsse, um Kräfte zu bekommen, und aßen übermäßig. Andere, von ihrer Körperfülle belästigt, fasteten, um magerer zu werden.

Utika hatte von Karthago schon mehrfach Hilfe erbeten. Aber Hanno wollte nicht ausrücken, solange auch nur eine Schraube noch an den Kriegsmaschinen fehlte. Er verlor allein drei Monate mit der Ausrüstung der hundertundzwölf Elefanten, die in Kasematten

untergebracht waren. Es waren dies die Besieger des Regulus. Das Volk liebte sie. Man konnte diese alten Freunde gar nicht gut genug behandeln. Hanno ließ die Erzplatten umschmelzen, mit denen man ihre Brust umpanzerte, ihre Stoßzähne vergolden, ihre Türme vergrößern und die schönsten Purpurdecken mit ganz schweren Fransen für sie anfertigen. Zu guter Letzt befahl er, ihre Führer, die man Indier nannte – ohne Zweifel nach den ersten, die wirklich aus Indien gekommen waren – , alle nach indischer Sitte zu kleiden, mit weißen Turbanen und baumwollenen Pumphosen, die sich ihnen wie Austerschalen um die Hüften bauschten.

Autarits Heer lagerte noch immer vor Tunis, gedeckt durch einen Wall, der aus dem Schlamm des Haffs aufgeworfen und auf seinem Kamme mit Heckenhindernissen

versehen worden war. Hier und da hatten die Neger hohe Stangen oben aufgepflanzt und

Popanze mit Menschenfratzen, Vogelfedern und Schakal- oder Schlangenköpfen

darangehängt, die dem Feind entgegengrinsten und ihn erschrecken sollten. Dadurch wähnten sich die Barbaren unbesiegbar. Sie tanzten und rangen miteinander und machten Gauklerkunststücke, fest überzeugt, daß Karthago dem baldigen Untergang geweiht sei.

Jeder andre als Hanno hätte diese Soldateska, die durch einen Vieh- und Weibertroß in ihrer Bewegungsfreiheit behindert war, mit einem Schlage vernichtet. Davon abgesehen, war sie taktisch völlig ungeschult. Autarit verlor alle Lust und verlangte schließlich gar nichts mehr von seinen Leuten.

Man wich ihm aus, wenn er, seine großen blauen Augen rollend, vorüberschritt. Am Ufer des Haffs angelangt, zog er seinen Waffenrock von Robbenhaar aus, löste das Band, das seine langen roten Haare zusammenhielt, und tauchte sie ins Wasser. Es tat ihm jetzt leid, daß er ehedem nicht mit den zweitausend Galliern im Tempel auf dem Eryx zu den

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