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Er unterbrach sich und nahm eine nachdenkliche Miene an. Offenbar suchte er nach Worten. »Entsinnst du dich noch, wie ich dir damals auf Salambos Terrasse bei Sonnenaufgang Karthago gezeigt habe? An jenem Tage waren wir stark, doch du wolltest

von nichts hören.« Und mit feierlicher Stimme fuhr er fort: »Herr, im Heiligtum der Tanit befindet sich ein geheimnisvoller Mantel, der vom Himmel gefallen ist und die Göttin umhüllt.«

»Ich weiß es,« entgegnete Matho.

»Er ist heilig,« sprach Spendius weiter, »denn er ist ein Teil der Göttin. Die Götter wohnen, wo ihr Abbild weilt. Karthago ist mächtig, weil es diesen Mantel besitzt.« Er trat dicht an Matho heran. »Ich habe dich hierhergeführt, damit wir ihn zusammen rauben!«

Der Libyer prallte vor Entsetzen zurück.

»Geh! Such dir jemand andern! Ich will dir bei solch einem abscheulichen Frevel nicht helfen!«

»Tanit ist deine Feindin!« erwiderte Spendius. »Sie verfolgt dich, und du stirbst an ihrem Zorn. Räche dich!

Sie soll dir untertan werden! Du wirst fast unsterblich und unüberwindbar sein!«

Matho senkte das Haupt. Spendius fuhr fort:

»Wir müssen unterliegen. Das Heer wird sich aufreiben. Wir haben weder Flucht, noch

Beistand, noch Vergebung zu erhoffen! Welche Strafe der Götter brauchst du aber zu fürchten, wenn du ihre Kraft selber in den Händen hältst? Willst du lieber am Abend nach einer Niederlage elend im Busch verrecken oder unter den Hohnrufen des Pöbels auf einem Scheiterhaufen umkommen? Herr, eines Tages wirst du in Karthago einziehen, von

den Priestern umringt, die deine Sandalen küssen! Und wenn dich dann noch der Mantel

der Tanit beängstigt, dann magst du ihn in ihren Tempel zurücktragen. Komm, wir rauben ihn!«

Glühende Gelüste verzehrten Matho. Er hätte den Mantel besitzen mögen, doch ohne Tempelraub zu begehen. Er überlegte sich, ob er das Heiligtum wirklich rauben müsse, um

sich dessen Kraft anzueignen. Er spann seinen Gedanken nicht zu Ende, sondern blieb an dem Punkte stehen, wo er davor erschrak.

»Gehen wir!« sagte er. Und sie entfernten sich beide raschen Schritts, Seite an Seite, ohne zu sprechen.

Der Boden stieg an. Die Häuser wurden immer zahlreicher. Die beiden Männer kamen

in enge Gassen, die in tiefem Dunkel lagen. Die geflochtenen Matten, mit denen die Türen verhängt waren, schlugen gegen die Wände. Ans einem Platze lagen kauende Kamele vor

Haufen von Heu. Dann gingen sie durch eine Allee buschiger Bäume. Ein Rudel Hunde bellte sie an. Plötzlich weitete sich die Aussicht, und sie erblickten die Westseite der Akropolis. Am Fuße des Burgberges dehnte sich eine lange düstere Masse: das war der Tempel der Tanit, ein Gewirr von Gebäuden, Gärten, Höfen und Vorhöfen, von einer

niedrigen Mauer aus groben Steinen umgrenzt. Spendius und Matho kletterten darüber.

Die erste Einfriedigung umschloß einen Platanenhain, der zum Schutz gegen die Pest und gegen verunreinigte Luft angelegt war. Hier und da standen Zelte, in denen man bei Tage allerlei feilbot: Enthaarungsmittel, Wohlgerüche, Kleider, mondförmige Kuchen, Bilder der Göttin und Abbildungen des Tempels, auf Alabasterstücke eingeritzt.

Sie hatten nichts zu fürchten, denn in den Nächten, wo der Mond nicht schien, fanden

keine Gottesdienste statt. Trotzdem verlangsamte Matho seine Schritte, und vor den drei Ebenholzstufen, die in die zweite Umzäunung führten, blieb er stehen.

»Weiter!« ermunterte ihn Spendius.

Granat- und Mandelbäume, Zypressen und Myrten, alle unbeweglich, wie aus Erz gegossen, wechselten regelmäßig miteinander ab. Der blaue Kies des Weges knirschte unter den Tritten. Den langen Baumgang überdeckte ein Laubendach, von dem allüberall

blühende Rosen herabhingen. Sie kamen vor ein eirundes Becken, über dem ein Gitter lag.

Matho, den die Stille bedrückte, sagte zu Spendius:

»Hier wird Süßwasser mit salzigem vermischt.«

»Das habe ich alles bereits in Syrien gesehen,« bemerkte der ehemalige Sklave, »in der Stadt Maphug!«

Auf einer sechsstufigen Silbertreppe stiegen sie nunmehr hinauf in die dritte Einzäunung.

In der Mitte stand eine riesige Zeder. Ihre unteren Zweige waren über und über mit Bändern und Halsketten behängt, – von den Gläubigen dargebracht. Nach ein paar weiteren Schritten erhob sich vor ihnen die Tempelfassade.

Von einem viereckigen Mittelturme, auf dessen Plattform der Halbmond ragte, liefen zwei lange Säulengänge aus, deren Architrave auf dicken Pfeilern ruhten. Über den Enden der Gänge und an den vier Ecken des Turmes flammte in Schalen Räucherwerk. Die Säulenkapitäle waren mit Granaten und Koloquinten geschmückt. An den Wänden

wechselten Mäanderbänder, Rauten und Perlstäbe miteinander ab, und ein Zaun aus Silberfiligran bildete einen weiten Halbkreis vor der ehernen Treppe, die von der Vorhalle abwärts führte.

Am Eingange stand zwischen einer goldnen und einer smaragdnen Stele ein Steinkegel.

Matho küßte sich beim Vorbeigehen die rechte Hand.

Das erste Gemach war sehr hoch. Zahllose Öffnungen durchbrachen die Decke, so daß

man beim Aufsehen die Sterne erblickte. Ringsum an den Wänden standen Rohrkörbe, mit

Bärten und Haaren angefüllt, den Erstlingsopfern junger Leute; und in der Mitte des kreisrunden Saales wuchs aus einem mit Brüsten verzierten Sockel ein weiblicher Körper hervor. Das dicke bärtige Gesicht hatte halbgeschlossene Augen und einen lächelnden Ausdruck. Die Hände lagen gefaltet auf dem Schoße des dicken Leibes, den die Küsse der Menge poliert hatten.

Dann kamen die beiden wieder ins Freie, in einen unbedeckten Quergang, in dem ein Miniaturaltar an einer Elfenbeintür stand. Hier war der Gang zu Ende. Nur die Priester durften die Tür öffnen, denn ein Tempel war kein Versammlungsort für die Menge, sondern die gesonderte Wohnung einer Gottheit.

»Die Sache ist unausführbar!« sagte Matho. »Daran hast du nicht gedacht! Wir wollen

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