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Hanno zog als Sieger vor die Tore von Utika. Dort ließ er die Trompeten blasen. Die drei Räte der Stadt erschienen oben auf einem Turme in einer Scharte der Brustwehr.

Die Einwohner von Utika sträubten sich, so wohlbewaffnete Gäste aufzunehmen.

Hanno wurde heftig. Endlich willigte man ein, ihn mit einem schwachen Geleit einzulassen. Für die Elefanten waren die Straßen zu eng. Sie mußten draußen bleiben.

Sobald der Suffet in der Stadt war, kamen die Patrizier, ihn zu begrüßen. Er ließ sich in die Bäder führen und rief seine Köche.

Drei Stunden später saß er immer noch in dem mit Zimtöl gefüllten großen

Badebecken. Eine Ochsenhaut war vor ihm ausgespannt. Aus ihr, als Tisch, schmauste er im Bade Flamingozungen mit Mohnkörnern in Honigsauce. Neben ihm stand unbeweglich

in langem, gelbem Gewande sein griechischer Leibarzt und ließ von Zeit zu Zeit heißes Öl nachgießen. Zwei Knaben lagen über die Stufen des Beckens gebeugt und massierten dem

Badenden die Beine. Doch die Sorge für seinen Körper tat seiner politischen Passion keinen Abbruch, denn er diktierte einen Brief an den Großen Rat; und da man Gefangene gemacht hatte, überlegte er sich, welch gräßliche Züchtigung er für sie erfinden solle.

»Halt!« gebot er dem Sklaven, der stehend auf der hohlen Hand schrieb. »Man führe ein paar von den Gefangenen herein! Ich will sie sehen!«

Ans dem Hintergrunde des mit weißem Dampf erfüllten Raumes, in dem die Fackeln wie rote Glutflecke schimmerten, trieb man alsbald drei Barbaren herbei: einen Samniter, einen Spartiaten und einen Kappadokier.

»Schreib weiter!« rief Hanno.

»Freut euch, Gottbegnadete! Euer Suffet hat die gefräßigen Hunde ausgerottet! Segen über die Republik! Ordnet Gebete an!« Da erblickte er die Gefangnen und brach in Gelächter aus: »Ah! Meine Helden von Sikka! Warum brüllt ihr denn heute nicht? Ich bin’s doch! Erkennt ihr mich nicht? Wo habt ihr denn eure Schwerter? Ihr seid schreckliche Kerle! Donnerwetter!« Er tat, als wolle er sich verstecken, als fürchte er sich vor ihnen. »Ihr habt Gäule, Weiber, Land, Ämter verlangt, natürlich, und Pfründen! Na, ich werde euch in ein Land schicken, das ihr nie mehr verlassen sollt! Und Galgen sollt ihr umarmen, ganz jüngferliche! Euer Sold? Den wird mau euch aus geschmolzenen

Bleibarren ins Maul gießen! Und hohe Stellen will ich euch auch verschaffen, sehr hohe, himmelhohe, damit euch die Geier recht nahe sind… .«

Die drei langhaarigen, in Lumpen gehüllten Barbaren blickten ihn an, ohne zu verstehen, was er sagte. Man hatte die an den Knien Verwundeten gefangen, indem man

ihnen Stricke überwarf. Die Enden ihrer schweren Handketten schleppten über die Steinfliesen hin. Hanno ward ob ihrer Unempfindlichkeit wütend.

»Nieder! Nieder! Ihr Bestien! Dreck seid ihr! Ungeziefer! Mist! Und ihr antwortet nicht! Gut! Verstummt! – Man soll ihnen lebendig das Fell abziehen! Auf der Stelle!«

Er schnaufte wie ein Nilpferd und rollte die Augen. Das wohlriechende Öl floß durch eine plumpe Bewegung seines Körpers über und umschäumte seine schuppige Haut. Im Fackellicht sah sie rosig aus.

Er fuhr fort zu diktieren:

»Wir haben vier Tage lang schwer unter dem Sonnenbrand gelitten. Beim Übergang über den Makar Verluste an Maultieren. Trotz der starken Stellung hat der

außerordentliche Mut … – Demonades! Ich habe große Schmerzen! Man feure den Ofen,

bis die Ziegel glühen!«

Man hörte das Geräusch der Ofentür und des Schaufelns. Der Weihrauch in den breiten

Pfannen wirbelte stärker, und die nackten Badeknechte, die wie Schwämme schwitzten, rieben dem Karthager die Gelenke mit einer Salbe aus Weizen, Schwefel, Rotwein, Hundemilch, Myrrhen, Galbanum und Storaxbaumharz. Unaufhörlicher Durst verzehrte ihn. Aber den Mann im gelben Gewande rührte dieses Gelüst nicht. Er reichte ihm einen goldenen Becher, in dem nur Vipernbrühe dampfte.

»Trink!« sprach er, »damit dir die Kraft der sonnengeborenen Schlangen in das Mark der Knochen dringe, und fasse Mut, du Ebenbild der Götter! Du weißt überdies, daß ein Priester Eschmuns die grausamen Sterne in der Nähe des Sirius beobachtet, von denen deine Krankheit herrührt. Sie verblassen wie die Flecken auf deiner Haut. Du wirst also nicht daran sterben.«

»Ja ja, nicht wahr?« fiel der Suffet ein. »Ich muß nicht daran sterben!« Und seinen rotblauen Lippen entströmte ein Atem, ekelhafter als die Ausdünstung eines Leichnams.

Zwei Kohlen schienen an Stelle seiner wimpernlosen Augen zu glühen. An der Stirn hing ihm ein Klumpen runzliger Haut. Seine Ohren standen ab und sahen dadurch um so größer aus, und die tiefen Furchen, die in Halbkreisen um seine Nasenflügel liefen, verliehen ihm etwas Seltsames, Abschreckendes, das Aussehen eines wilden Tieres. Seine entstellte Stimme klang wie Brüllen.

»Du hast vielleicht recht, Demonades,« sagte er. »In der Tat, hier: mehrere Geschwüre haben sich geschlossen! Ich fühle mich kräftig. Da, sieh nur, wie ich esse!«

Bei diesen Worten machte er sich, weniger aus Eßlust als aus Prahlerei und um sich selbst zu beweisen, daß er gesund sei, an die Farce von Käse uud Majoran, an die entgräteten Fische, die Kürbisse, Austern, Eier, Rettiche, Trüffeln und die kleinen am Spieß gebratenen Vögel. Dabei blickte er unverwandt auf die Gefangenen und weidete sich in Gedanken an der ihnen bevorstehenden Marter. Doch da fiel ihm Sikka ein, und die Wut über all seinen damaligen Ärger entlud sich in Schmähungen gegen die drei Männer.

»Bande! Verräter! Halunken seid ihr! Schurken! Verfluchte! Ihr habt mich beleidigen wollen, mich, den Suffeten! Eure Dienste? Den Lohn für euer Blut? Habt ihr nicht so gesagt! Ha, ha, euer Blut!« Er redete wie zu sich selbst weiter: »Alle miteinander sollen sie sterben! Nicht einer wird verkauft! Aber vielleicht wäre es besser, sie nach Karthago mitzunehmen? Als Staffage für mich? Doch … ganz gewiß hab ich nicht Ketten genug mitgebracht… . Schreib: Sendet mir … – wieviele Gefangene sind es? Man frage sofort Muthumbal darnach! Fort! Nur kein Mitleid! Man bringe mir in Körben ihre abgehauenen

Hände!«

In diesem Augenblick drang ein seltsames Geschrei, heiser und doch schrill, in das Gemach und übertönte Hannos Stimme und das Klirren der Schüsseln, die man ihm auftafelte. Es ward immer stärker, und plötzlich erscholl das Wutgebrüll der Elefanten, als ob die Schlacht von neuem begönne. Um die Stadt herum lärmte und tobte es laut.

Die Karthager hatten gar nicht versucht, die Barbaren zu verfolgen. Sie hatten sich am Fuße der Mauern gelagert, mit ihrem Gepäck, ihren Dienern und ihrem ganzen fürstlichen Troß. Sie ergötzten sich in ihren schönen, perlengeschmückten Zelten, während das Söldnerlager draußen in der Ebene nur noch ein Trümmerhaufen war. Spendius hatte seinen Mut wiedergefunden. Er sandte Zarzas an Matho, durchstreifte die Gehölze und sammelte seine Leute. Die Verluste waren unbedeutend. Man ordnete sich wieder in Reih und Glied, voller Wut, daß man ohne Kampf besiegt worden war. Da entdeckte man ein

großes Faß voll Erdöl, das offenbar von den Karthagern zurückgelassen worden war.

Spendius ließ sofort Schweine aus den Meierhöfen holen, bestrich sie mit dem Erdöl, zündete es an und ließ die Tiere auf Utika hetzen.

Durch das Feuer erschreckt, ergriffen die Elefanten die Flucht und liefen bergan. Man schleuderte ihnen Wurfspieße nach. Da machten sie Kehrt und schlitzten den Karthagern mit ihren Stoßzähnen die Leiber auf oder erdrückten und zerstampften sie mit ihren Füßen. Hinter den Tieren kamen die Barbaren den Hügel herab. Das punische Lager, das

keinen Wall hatte, wurde beim ersten Anlauf geuommen und geplündert. Die Karthager wurden gegen die Tore der Stadt getrieben. Aus Furcht vor den Söldnern wollte man nicht

öffnen. Der Tag brach an. Von Westen her sah man Mathos Fußvolk heranmarschieren.

Gleichzeitig tauchten Reiterscharen auf. Das war Naravas mit seinen Numidiern. Sie setzten über Hecken und Gräben weg und hetzten die Flüchtlinge, wie Jagdhunde die Hasen. Dieser Wechsel des Kriegsglücks überraschte den Suffeten. Er schrie, man solle ihm aus dem Bade helfen.

Die drei Gefangenen standen noch immer vor ihm. Da flüsterte ihm ein Neger – der nämliche, der in der Schlacht seinen Sonnenschirm trug – ein paar Worte ins Ohr.

»Ach so?« entgegnete der Suffet langsam. »Ja, töte sie!« fügte er in barschem Tone hinzu.

Der Äthiopier zog einen langen Dolch aus seinem Gürtel, und die drei Köpfe fielen.

Einer davon rollte über die Reste des Mahls und fiel in das Badebecken. Eine Weile schwamm er. Das Morgenlicht drang durch die Mauerspalten ein. Die drei Leichen lagen

auf der Brust. Ihr Blut strömte in dicken Strahlen wie aus drei Quellen. Ein Teppich von Blut rann über die Mosaik, die mit blauem Sande bestreut war. Der Suffet tauchte die Hand in diesen warmen Schlamm und rieb sich die Knie damit! Es galt dies als Heilmittel.

Als es Abend geworden, entwich er mit seinem Gefolge aus der Stadt. In der Richtung

auf die Berge wollte er sein Heer einholen. Er fand nur die Trümmer davon wieder.

Vier Tage darnach war er in Gorza, auf der Höhe über einem Paß, als sich die Truppen

des Spendius in der Tiefe zeigten. Mit zwanzig guten Lanzen, gegen die Vorhut ihrer Marschkolonne gerichtet, hätte man sie leicht aufhalten können. Doch die Karthager ließen sie in höchster Bestürzung vorübermarschieren. Hanno erkannte bei der Nachhut den Fürsten der Numidier. Naravas neigte sich zum Gruß und machte dabei ein Zeichen,

das der Karthager nicht verstand.

Unter allerhand Nöten gelangte man nach Karthago zurück. Nur des Nachts ward marschiert, tagsüber verbarg man sich in den Olivenwäldern. Auf jeder Rast starben Leute. Mehrere Male glaubte man sich völlig verloren. Endlich ward das Hermäische Vorgebirge erreicht, wo Schiffe sie aufnahmen.

Hanno war so ermüdet, so verzweifelt – besonders bedrückte ihn der Verlust der Elefanten – , daß er Demonades um Gift bat, um seinem Leben ein Ende zu machen. Es

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