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Zaimphs, Utikas Entsetzung und abermalige Belagerung. Niemand aber wagte ihm die Ereignisse zu berichten, die ihn persönlich betrafen. Schließlich trennte man sich, um sich bei Nacht in der Versammlung der Alten im Molochtempel wiederzusehn.

Hamilkar war kaum allein, als sich draußeu vor der Tür Lärm erhob. Trotz der Abwehr

der Diener versuchte jemand einzudringen, und da der Tumult zunahm, befahl der Suffet, den Unbekannten hereinzuführen.

Es erschien ein altes Negerweib, bucklig, runzlig, zitterig, blöd dreinblickend uud bis zu

den Sohlen in weite blaue Schleier gehüllt. Sie trat vor den Suffeten, und beide blickten sich eine Weile an. Plötzlich erbebte Hamilkar. Auf einen Wink seiner Hand gingen die Sklaven hinaus. Alsdann gab er der Alten ein Zeichen, leise mitzukommen, und zog sie am Arm in ein abgelegenes Gemach.

Sie warf sich zu Boden, um seine Füße zu küssen. Er riß sie heftig wieder hoch.

»Wo hast du ihn gelassen, Iddibal?«

»Da drüben, Herr!«

Die Gestalt warf ihre Schleier ab, dann rieb sie sich mit dem Ärmel das Gesicht. Die schwarze Farbe, das greisenhafte Zittern, der krumme Rücken, alles das verschwand. Jetzt stand ein kräftiger alter Mann da, dessen Haut von Sand, Wind und Meer wie gegerbt aussah. Auf seinem Haupte ragte ein Büschel weißer Haare hoch, wie der Federstutz eines Vogels. Mit einem spöttischen Blick wies er auf die am Boden liegende Verkleidung.

»Das hast du gut gemacht, Iddibal! Sehr gut!« Und ihn mit seinem scharfen Blicke schier durchbohrend, fragte Hamilkar: »Es ahnt doch keiner etwas?«

Der Greis schwur bei den Kabiren, daß das Geheimnis bewahrt sei. »Nie,« so sagte er,

»verlassen wir unsre Hütte, die drei Tagereisen von Hadrumet fern liegt. Der Strand ist dort nur von Schildkröten bevölkert, und Palmenbäume wachsen auf den Dünen. Und wie

du befohlen, Herr, lehre ich ihn Speere werfen und Gespanne lenken.«

»Er ist kräftig, nicht wahr?«

»Jawohl, Herr, und auch beherzt! Er fürchtet sich weder vor Schlangen, noch vor dem

Donner,noch vor Gespenstern. Barfuß wie ein Hirtenbub läuft er am Rande der Abgründe

hin.«

»Erzähl mir mehr! Sprich!«

»Er erfindet Fallen für die wilden Tiere. Vorigen Mond – wirst du es glauben? – hat er einen Adler gefangen. Er brachte ihn hinter sich hergeschleppt, und die großen Blutstropfen des Vogels und des Kindes fielen wie abgeschlagene Rosen. Das wütende Tier schlug mit seinen Flügeln um sich. Der Junge erwürgte es an seiner Brust, und je matter es wurde, um so lauter und stolzer erscholl sein Lachen – wie Schwertergeklirr.«

Hamilkar neigte das Haupt, ergriffen von diesem Vorzeichen künftiger Größe.

»Aber seit einiger Zeit quält ihn Unruhe. Er schaut immer nach den Segeln, die in der Ferne vorüberziehen. Er ist trübsinnig, will nicht essen, fragt nach den Göttern und will Karthago kennen lernen… .«

»Nein, nein! Noch nicht!« rief der Susset.

Der alte Sklave schien die Gefahr zu kennen, die Hamilkar schreckte, und er fuhr fort:

»Wie soll ich ihn zurückhalten? Schon muß ich ihm Versprechungen machen, und ich bin nur nach Karthago gekommen, um ihm einen Dolch mit einem silbernen

perlenbesetzten Griff zu kaufen.« Dann erzählte er noch, daß er den Suffeten auf der Terrasse erblickt und sich bei den Hafenwächtern für eine der Frauen Salambos ausgegeben hätte, um zu ihm zu gelangen.

Lange blieb Hamilkar in Nachdenken versunken. Endlich sagte er:

»Morgen bei Sonnenuntergang wirst du dich in Megara hinter der Purpurfabrik einfinden und dreimal den Schrei des Schakals nachahmen. Siehst du mich nicht, dann kehrst du am ersten Tage in jedem Mond nach Karthago zurück. Vergiß das nicht! Liebe

ihn! Jetzt darfst du ihm von Hamilkar erzählen.«

Der Sklave legte seine Verkleidung wieder an, und sie verließen zusammen das Haus und den Hafen.

Hamilkar schritt zu Fuß und ohne Begleitung weiter, denn die Versammlungen der Alten waren bei außergewöhnlichen Umständen stets geheim, und man begab sich möglichst unauffällig dahin.

Zuerst schritt er an der Ostseite der Akropolis entlang, ging dann über den Gemüsemarkt, durch die Galerien von Kinisdo und das Stadtviertel der Spezereienhändler.

Die wenigen Lichter erloschen, eins nach dem andern. Die breiteren Straßen wurden still.

Alsbald huschten Schatten durch die Dunkelheit. Sie folgten ihm. Andre kamen dazu, und alle schritten in der Richtung nach der Straße der Mappalier.

Der Molochtempel stand am Fuß einer steilen Schlucht, an einem unheimlichen Orte.

Von unten erblickte man nur endlos emporsteigende Mauern, gleich den Wänden eines ungeheuren Grabmals. Die Nacht war dunkel. Grauer Nebel lastete auf dem Meere, das mit einem röchelnden, jammernden Geräusch gegen die Klippen schlug. Die Schatten verschwanden nach und nach, als seien sie in die Mauern hineingeschlüpft.

Sobald man das Tor durchschritten, befand man sich in einem weiten viereckigen Hofe,

der rings von Säulengängen umgeben war. In der Mitte erhob sich ein großes achtseitiges Gebäude, von Kuppeln überragt, die ein zweites Stockwerk umschlossen. Auf ihm thronte eine Art von Rundbau, den ein Kegel mit einer Kugel auf der Spitze abschloß.

In zylinderförmigen Silberdrahtkörben auf Stangen, die von Männern getragen wurden,

brannten Feuer. Bei jähen Windstößen flackerten die Flammen und warfen roten Schein auf die goldenen Kämme, die das geflochtene Haar der Fackelträger im Nacken hielten.

Sie liefen hin und her und riefen einander, um die Alten zu empfangen.

In bestimmten Abständen hockten auf den Steinfliesen – wie Sphinxe – ungeheure Löwen, lebendige Symbole der verzehrenden Sonne. Sie schliefen mit halbgeschlossenen

Lidern. Die Schritte und Stimmen weckten sie auf. Sie erhoben sich gemächlich und trotteten den Alten entgegen. Sie erkannten sie an ihrer Tracht, rieben sich an ihren Beinen und krümmten unter lautem Gähnen den Rücken. Ihr Atem flog in das flackernde Fackellicht. Das Geräusch nahm zu. Türen schlossen sich.

Kein Priester war mehr zu sehen. Auch die Alten verschwanden unter den Säulen, die

eine tiefe Vorhalle rings um den Tempel bildeten.

In konzentrischen Reihen angeordnet, stellten diese Säulen die saturnische Periode in der Weise dar, daß die Jahre die Monate und die Monate die Tage umschlossen. Der innerste Säulenkreis stieß an die Mauer des Allerheiligsten.

Dort legten die Alten ihre Stöcke aus Narwalhorn ab. Ein nie außer acht gelassenes Gesetz bestrafte nämlich jeden mit dem Tode, der in der Sitzung mit irgendeiner Waffe

erschien. Mehrere trugen am Saum ihres Gewandes einen Riß, zum Zeichen, daß sie bei der Trauer um den Tod ihrer Angehörigen ihre Kleider nicht geschont hatten. Doch verhinderte ein am Ende des Risses angesetzter Purpurstreifen, daß er größer wurde.

Andre trugen ihren Bart in einem Beutel aus veilchenblauem Leder, der mit zwei Bändern an den Ohren befestigt war. Alle begrüßten sich, indem sie einander umarmten. Sie umringten Hamilkar und beglückwünschten ihn. Man hätte meinen können, Brüder sähen

einen Bruder wieder.

Diese Männer waren in der Mehrzahl untersetzt und hatten gebogene Nasen, wie die assyrischen Kolosse. Etliche jedoch verrieten durch ihre vorspringenden Backenknochen, ihren höheren Wuchs und ihre schmäleren Füße afrikanische Abkunft und nomadische Vorfahren. Die beständig in ihren Kontoren hockten, hatten bleiche Gesichter. Andre verrieten in ihrer Erscheinung den Ernst der Wüste, und seltsame Juwelen funkelten an allen Fingern ihrer Hände, die von fernen Sonnen gebräunt waren. Die Seefahrer erkannte man an ihrem wiegenden Gang, während die Landwirte nach der Kelter, nach Heu und Maultierschweiß rochen. Diese alten Seeräuber waren Ackerbauer geworden, diese Wucherer rüsteten Schiffe aus, diese Plantagenbesitzer hielten sich Sklaven, die allerlei Handwerk betrieben. Alle waren sie in den religiösen Bräuchen bewandert, in Ränken erfahren, unbarmherzig und reich. Sie sahen versorgt aus, und ihre flammenden Augen blickten mißtrauisch. Das fortwährende Reisen und Lügen, Schachern und Befehlen hatte ihrem ganzen Wesen einen Anstrich von List und Gewalttätigkeit, eine Art verstohlener, krampfhafter Roheit verliehen. Überdies verdüsterte sie die fromme Umgebung.

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