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»Kein Gedanke! Im Gegenteil! Es fehlt mir geradezu!«

»Vati hat nicht mehr so viel Zeit«, sagt sie ernst. » E r komponiert an einer Oper. Es wird eine Kinderoper.«

Das freut Herrn Gabele zu hören. Dann wird er ärgerlich.

»Diese Fenster!« schimpft er. »Rein gar nix kann man sehen.

Ein Atelier müßte man haben!«

»Warum mieten Sie sich denn keines, Herr Gabele?«

» Weil's keine zu mieten gibt! Ateliers sind selten!«

Nach einer Pause sagt das Kind: »Vati hat ein Atelier.

Mit großen Fenstern. Und Licht von oben.«

Herr Gabele brummt.

»Am Kärntner R i n g « , ergänzt Lotte. Und nach einer neuen Pause: »Zum Komponieren braucht man doch gar nicht so viel Licht wie zum Malen, nicht?«

»Nein«, antwortet Herr Gabele.

Lotte tastet sich nun noch einen Schritt weiter vor. Sie sagt nachdenklich: »Eigentlich könnte doch Vati mit Ihnen tauschen! Dann hätten Sie größere Fenster und mehr Licht zum Malen. Und Vati hätte seine Wohnung zum Komponieren hier, gleich neben der anderen Wohnung!« Der Gedanke freut sie offensichtlich. »Wäre das nicht praktisch?«

Herr Gabele könnte allerlei gegen Lottes Gedankengänge einwenden. Weil das aber nicht angeht, erklärt er lächelnd:

»Das wäre in der Tat sehr praktisch. Es fragt sich nur, ob der P a p a der gleichen Meinung ist.«

Lotte nickt. »Ich werd' ihn fragen! Gleich nachher!«

94

Herr Palffy sitzt in seinem Atelier und hat Besuch.

Damenbesuch. Fräulein Irene Gerlach hat »zufällig« ganz in der Nähe Besorgungen machen müssen, und da hat sie sich gedacht: »Springst einmal g'schwind zum Ludwig hinauf, gelt?«

Der Ludwig hat die Partiturseiten, an denen er kritzelt, beiseite geschoben und plauscht mit der Irene. Erst ärgert er sich ein Weilchen, denn er kann es für den Tod nicht leiden, wenn man ihn unangemeldet überfällt und bei der Arbeit stört. Aber allmählich siegt doch das Wohlbehagen, mit dieser so schönen Dame beisammenzusitzen und halb aus Ver-sehen ihre Hand zu streicheln.

Irene Gerlach weiß, was sie will. Sie will Herrn Palffy heiraten. Er ist berühmt. Er gefällt ihr. Sie gefällt ihm. Allzu große Schwierigkeiten stehen also nicht im Wege. Zwar weiß er noch nichts von seinem künftigen Glück. Aber sie wird es ihm mit der Zeit und schonend beibringen. Schließlich wird er sich einbilden, daß er selber auf die Idee mit der Heirat verfallen sei.

Ein Hindernis ist allerdings noch da: das narrische Kind!

Aber wenn Irene dem Ludwig erst ein, zwei Babys geschenkt hat, dann wird sich alles wunschgemäß einrenken. Irene Gerlach wird doch wohl noch mit diesem ernsten, scheuen Fratz fertig werden!

Es klingelt.

Ludwig öffnet.

Und wer steht in der Tür? Der ernste, scheue Fratz! Hat einen Strauß in der Hand, knickst und sagt: »Grüß Gott, 95

Vati! Ich bring' dir frische Blumen!« Dann spaziert sie ins Atelier, knickst kurz vor dem Besuch, nimmt eine Vase und verschwindet in der Küche.

Irene lächelt maliziös. »Wenn man dich und deine Tochter sieht, hat man den Eindruck, daß du unter dem Pantoffel stehst.«

Der Herr Kapellmeister lacht verlegen. »Sie hat neuerdings eine so dezidierte Art zu handeln, und außerdem ist das, was sie tut, so goldrichtig — da kannst nix machen!«

Während Fräulein Gerlach mit den schönen Schultern zuckt, erscheint Lotte wieder auf der Bildfläche. Erst stellt sie die frischen Blumen auf den Tisch. Dann bringt sie Geschirr herbei und sagt, indessen sie die Tassen verteilt, zu Vati: »Ich koch' nur rasch einen Kaffee. Wir müssen doch deinem Besuch etwas anbieten.«

Vati und sein Besuch schauen perplex hinter ihr drein.

>Und ich hab' dieses Kind für scheu gehalten !< denkt Fräulein Gerlach. >O je, war ich blöd!< Nach kurzer Zeit taucht Lotte mit Kaffee, Zucker und Sahne auf, schenkt — ganz Hausfrau — ein, fragt, ob Zuk-ker gefällig sei, schiebt dem Besuch die Sahne hin, setzt sich dann neben ihren Vati und meint freundlich lächelnd: »Ich trink' zur Gesellschaft einen Schluck mit.«

Der Papa schenkt ihr Kaffee ein und fragt chevaleresk:

»Wieviel Sahne, meine Dame?«

Das Kind kichert. »Halb und halb, mein Herr.«

»Bitte sehr, meine Dame!«

»Vielen Dank, mein Herr!«

Man trinkt. Man schweigt. Schließlich eröffnet Lotte die Unterhaltung. »Ich war eben bei Herrn Gabele.«

96

»Hat er dich gezeichnet?« fragt der Vater.

»Nur ein bißchen«, meint das Kind. Noch einen Schluck Kaffee — dann fügt es harmlos hinzu: » E r hat zu wenig Licht. Vor allem brauchte er welches von oben. So wie hier . . . «

»Dann soll er sich halt ein Atelier mit Oberlicht mieten«, bemerkt der Herr Kapellmeister sehr treffend und ahnt nicht, daß er genau dahin steuert, wohin Lotte ihn haben will.

»Das hab' ich ihm auch schon gesagt«, erklärt sie ruhig.

»Aber sie sind alle vermietet, die Ateliers.«

>So ein kleines Biest!< denkt Fräulein Gerlach. Denn sie, auch eine Tochter Evas, weiß nun schon, was das Kind im Schilde führt. Und richtig . . .

»Zum Komponieren braucht man eigentlich kein Oberlicht, Vati. Nicht?«

»Nein, eigentlich nicht.«

Das Kind holt tief Atem, blickt angestrengt auf sein Kleid und fragt, als fiele ihm diese Frage eben erst ein: »Wenn du nun mit Herrn Gabele tauschtest, Vati?« Gott sei Dank, jetzt ist es heraus! Lotte blickt den Papa von schräg unten an.

Ihre Augen bitten furchtsam.

Der Vater schaut halb ärgerlich, halb belustigt von dem kleinen Mädchen zu der eleganten Dame, die gerade noch Zeit hat, ein sanft ironisches Lächeln in ihr Gesicht zu zaubern.

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