so wild und so schrill, daß die große, ganz mit Frauen bedeckte Ebenholztreppe von oben bis unten dumpf erdröhnte.
Der Wind blähte die Schleier. Die dünnen Papyrosstauden wiegten sich sacht. Es war im Monat Schebaz, mitten im Winter. Die blühenden Granatbäume zeichneten sich in runden Linien vom blauen Himmel ab, und durch die Zweige schimmerte das Meer mit einem fernen Eiland, halb im Dunste verschwommen.
Hamilkar blieb stehen, als er Salambo erblickte. Sie war ihm nach dem Tode mehrerer
Knaben geboren worden. Zudem galt die Geburt von Töchtern in allen Ländern der Sonnenanbetung für ein Unglück. Später hatten ihm die Götter zwar noch einen Sohn geschenkt, aber von seiner Enttäuschung und von dem Fluch, den er über seine Tochter ausgesprochen hatte, war etwas in seiner Seele doch verblieben. Inzwischen kam Salambo heran.
Perlen von verschiedener Färbung hingen in langen Trauben von ihren Ohren auf die Schultern herab bis an die Ellbogen. Ihr Haar war so gekräuselt, daß es wie eine Wolke aussah. Um den Hals trug sie kleine viereckige Goldplättchen. Auf jedem war eine Frau zwischen zwei aufrecht stehenden Löwen abgebildet. In allem glich ihre Kleidung der der Göttin. Ihr hyazinthenblaues Gewand mit weiten Armeln schloß sich eng um ihre Hüften
und erweiterte sich nach unten. Der Zinnober auf ihren Lippen ließ ihre Zähne weißer schimmern, und das Antimon in ihren Wimpern machte ihre Augen größer. Ihre Sandalen,
aus Vogelbälgen geschnitten, hatten überhohe Absätze. Offenbar vor Kälte war Salambo sehr blaß.
Endlich gelangte sie vor Hamilkar, und ohne ihn auzublicken, ohne den Kopf zu erheben, sprach sie zu ihm:
»Heil dir, Götterliebling! Unsterblichen Ruhm dir, Sieg, Muße, Zufriedenheit und Reichtum! Lange war mein Herz traurig und das Haus voller Sehnsucht. Doch der Herr, der heimkehrt, strahlt wie die Lenzessonne, die wiederauferstandene; und unter deinem Blick, Vater, wird Freude und neues Leben überall erblühen!«
Und indem sie aus Taanachs Händen ein kleines längliches Gefäß nahm, in dem eine Mischung von Mehl, Butter, Paradieskörnern und Wein dampfte, fuhr sie fort:
»Trink in vollen Zügen den Trank der Heimkehr, den deine Magd dir bereitet!«
Er erwiderte: »Segen über dich!« und ergriff mechanisch die goldne Schale, die sie ihm darbot. Dabei musterte er sie so scharfen Blicks, daß sie verwirrt stammelte:
»Man hat dir gesagt, Herr … «
»Ja, ich weiß,« versetzte Hamilkar leise.
War das ein Geständnis oder meinte sie die Barbaren? Er fügte ein paar inhaltslose Worte über die Not der Stadt hinzu, der er unbedingt ein Ende setzen wolle.
»Ach, Vater!« rief Salambo aus. »Was dahin ist, ist dahin! Unwiederbringlich!«
Da wich er zurück. Salambo aber staunte über seine Bestürzung. Sie hatte keineswegs
Karthago im Sinne, sondern den Tempelraub, als dessen Mitschuldige sie sich fühlte. Der Mann, vor dem Armeen zitterten, den sie selber kaum kannte, war ihr unheimlich wie ein Gott. Er hatte alles erraten, er wußte alles! Etwas Schreckliches mußte geschehen.
»Gnade!« rief sie.
Hamilkar senkte langsam das Haupt.
Obwohl sie sich anschuldigen wollte, wagte sie doch nicht die Lippen zu öffnen. Dabei erstickte sie das Bedürfnis, sich zu beklagen und getröstet zu werden. Hamilkar kämpfte gegen den Drang, seinen Schwur zu brechen. Er hielt ihn aus Stolz oder aus Furcht, den Trost der Ungewißheit zu verlieren. Durchbohrend schaute er Salambo ins Antlitz, um zu ergründen, was sie in der Tiefe ihres Herzens verberge.
Von der Wucht dieses Blickes erdrückt, ließ Salambo mehr und mehr den Kopf sinken
und seufzte tief auf. Jetzt war er überzeugt, daß sie in der Umarmung eines Barbaren schwach geworden war. Er bebte und hob beide Fäuste empor. Sie stieß einen Schrei aus und sank in die Arme ihrer Frauen, die sich eifrig um sie bemühten.
Hamilkar drehte sich auf den Absätzen herum. Die Schar der Verwalter folgte ihm nach.
Man öffnete das Tor des Speichers und betrat einen weiten runden Saal, von dem, wie
die Speichen eines Rades von der Nabe, lange Gänge ausliefen, die zu andern Sälen führten. In der Mitte erhob sich eine Art steinernes Podium mit Einlagerungen für die Kissen, die auf den Teppich herabgeglitten waren.
Der Suffet ging anfangs mit großen raschen Schritten auf und ab. Er atmete geräuschvoll, stampfte mit dem Fuß auf den Boden und fuhr sich mit der Hand über die
Stirn, wie ein Mensch, der von Fliegen geplagt wird. Dann schüttelte er das Haupt, und beim Anblick der aufgehäuften Schätze beruhigte er sich. Seine Gedanken, durch den Blick in die Gänge angeregt, schweiften zu den andern, mit noch selteneren Schätzen gefüllten Räumen. Erzplatten, Silberstangen und Eisenbarren standen neben Zinnblöcken,
die über das Nebelmeer von den Zinninseln gekommen waren. Die Harze aus dem Lande der Schwarzen quollen aus ihren Säcken von Palmenbast hervor, und der Goldstaub, der in Schläuche gefüllt war, stäubte unmerklich durch die altersschwachen Nähte. Zwischen dünnen Fasern, aus Seepflanzen gewonnen, hingen Flachse aus Ägypten, Griechenland, Ceylon und Judäa. Am Fuße der Mauern starrten Korallen wie große Sträucher empor.
Und über alldem schwebte ein unbestimmbarer Geruch: die Ausdünstung der
Wohlgerüche, der Gewürze und der Straußenfedern, die in großen Büscheln von der Deckenwölbung herabhingen. Vor jedem Gange standen Elefantenzähne, mit den Spitzen
aneinandergelegt, und bildeten einen Spitzbogen als Eingang.
Hamilkar bestieg das Podium. Die Verwalter standen alle mit gekreuzten Armen und gesenktem Hanpte da. Nur Abdalonims spitze Mütze ragte stolz empor.
Hamilkar befragte zuerst den Verwalter der Schiffe, einen alten Seemann, dessen Lider die Winde zerzaust hatten. Weiße Haarflocken reichten bis zu seinen Hüften herab, als wäre ihm der Schaum der Wogen im Barte hängen geblieben.
Er antwortete, er habe ein Geschwader über Gades und Senegambien ausgesandt mit der Order, das Horn des Südens und das Vorgebirge der Gewürze zu umschiffen und Eziongaber in Arabien zu erreichen.
Andre Schiffe – so berichtete er – waren vier Monde lang gen Westen gefahren, ohne
auf Land zu stoßen. Dann hemmte Seegras den Bug der Schiffe. Am Horizont donnerten
unaufhörlich Wasserfälle. Blutrote Nebel verdunkelten die Sonne. Düftegeschwängerter Wind schläferte die Bemannung ein, und hinterher war das Gedächtnis der Leute so verworren, daß sie nichts zu berichten vermochten. Inzwischen war man die Flüsse der Szythen hinaufgefahren, bis nach Kolchis, war zu den Jugriern und Estiern gedrungen und hatte im Archipel fünfzehnhundert Jungfrauen geraubt. Alle fremden Schiffe aber, die man jenseits des Kaps Ostrymon gekreuzt, hatte man in den Grund gebohrt, damit das Geheimnis der Wege unbekannt bliebe. König Ptolemäos hatte den Weihrauch von Schesbar zurückbehalten. Syrakus, Älana, Korsika und die Inseln hatten nichts geliefert, und der alte Pilot senkte die Stimme, als er meldete, daß eine Trireme bei Rusikada von den Numidiern gekapert worden war: »denn sie halten es mit ihnen, Herr!«
Hamilkar runzelte die Stirn. Dann winkte er dem Verwalter der Karawanen, er solle Bericht ablegen. Er trug ein braunes, gürtelloses Gewand, und seinen Kopf umhüllte eine lange Binde aus weißem Stoff, die am Rande seines Mundes vorbeilief und ihm hinten über die Schulter fiel.
Die Karawanen waren planmäßig zur Winter-Tag- und Nachtgleiche abgegangen. Doch