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an ihnen hinten aufgebundene Eisenstangen gefesselt. Sogar die Verwundeten mußten blutend mitlaufen. Reiter hinter ihnen trieben sie mit Peitschenhieben vorwärts.

Ein Freudentaumel brach aus. Man wiederholte sich immerfort, daß sechstausend Barbaren gefallen waren, daß die audern nicht Widerstand leisten könnten, daß also der Krieg beendet sei. Man umarmte einander auf den Straßen und rieb die Gesichter der Kabirenstandbilder mit Butter und Zimt ein, um ihnen zu danken. Es sah aus, als ob sie mit ihren Glotzaugen, ihren dicken Bäuchen und den bis zu den Schultern erhobenen Armen unter der frischen Bemalung Leben gewönnen und an dem Jubel des Volkes teilnähmen. Die Patrizier öffneten ihre Paläste. Die Stadt hallte wider vom Rasseln der Tamburine. Die Tempel waren allnächtlich erleuchtet, und die Hetären der Göttin zogen nach Malka hinunter und errichteten an den Straßenecken Bühnen aus Sykomorenholz, auf denen sie sich preisgaben. Man bewilligte Ländereien für die Sieger, Brandopfer für Melkarth und dreihundert Goldkronen für den Suffeten. Obendrein stellten seine Anhänger den Antrag, ihm neue Würden und Vorrechte zu verleihen.

Er hatte die Alten ersucht, Verhandlungen mit Autarit anzuknüpfen, um den alten Gisgo und die mit ihm in Gefangenschaft geratenen Karthager gegen gefangene Barbaren auszutauschen und zwar, wenn es nicht anders ginge, sollten alle ausgeliefert werden. Die Libyer und Nomaden, aus denen Autarits Heer bestand, hatten aber nur wenig

Zusammenhang mit den gefangenen Söldnern, die von italischer oder griechischer Abkunft waren. Und da die Republik ihnen so viele Söldner für so wenige Karthager anbot, so mußten offenbar die einen nichts, die andern aber sehr viel wert sein. Sie fürchteten eine Falle, und Autarit lehnte das Angebot ab.

Nun befahlen die Alten die Hinrichtung der Gefangenen, obwohl ihnen der Suffet geschrieben hatte, man solle sie nicht töten. Er gedachte, die besten in sein Heer einzustellen und dadurch noch andre zum Abfall zu verlocken. Doch der Haß war stärker als alle Rücksichten der Klugheit.

Die zweitausend Söldner wurden in der Straße der Mappalier an Grabstelen gebunden,

und nun kamen Krämer, Küchenjungen, Arbeiter, ja sogar Weiber – die Witwen der Gefallenen – mit ihren Kindern, kurz alle, die es danach gelüstete, und mordeten mit Pfeil und Bogen. Man zielte recht lange, um die Qual der Opfer zu verlängern, und hob und senkte die Waffe immer wieder. Die Menge drängte sich grölend herum. Lahme ließen sich auf Bahren herbeitragen. Viele brachten aus Vorsicht ihr Essen mit und blieben bis zum Abend, andre sogar die ganze Nacht. Man schlug Zelte auf, in denen gezecht wurde.

Mancher verdiente sich ein schönes Sümmchen Geld, indem er Bogen verlieh.

Am Ende ließ man die mit Pfeilen gespickten Leichen stehen, die über den Gräbern wie

rote Statuen ragten. Die Erregung ergriff selbst die Leute von Malka, die von der Urbevölkerung abstammten und in patriotischen Dingen sonst sehr gleichgültig waren.

Aus Dankbarkeit für das Vergnügen, das man ihnen bot, nahmen sie jetzt am Glücke des

Vaterlands Anteil und fühlten sich als Punier. Die Gerusiasten priesen ihre eigene Schlauheit. Sie wähnten durch diesen Racheakt das ganze Volk zu einer Einheit verschmolzen zu haben.

Auch der Segen der Götter fehlte nicht, denn aus allen Himmelsgegenden flogen Raben

herbei. Sie kreisten mit lautem, heiserem Krächzen durch die Luft und formten eine ungeheure Wolke, die sich beständig um sich selbst drehte. Man sah sie von Klypea, von Rades und vom hermäischen Vorgebirge aus. Manchmal zerriß sie plötzlich, und ihre schwarzen Kreise zerstoben in alle vier Winde. Ein Adler war mitten in sie gestoßen. Bald flog er wieder weiter. Auf den Terrassen, den Kuppeln, den Spitzen der Obelisken und den Giebeln der Tempel, überall hockten große Vögel, Fetzen von Menschenfleifch in ihren geröteten Schnäbeln.

Des üblen Geruches wegen sahen sich die Karthager genötigt, die Leichen loszubinden.

Eine Anzahl wurde verbrannt. Die übrigen warf man ins Meer, und die vom Nordwind gepeitschten Wogen schwemmten sie am andern Ende des Golfes vor Autarits Lager ans

Gestade.

Dies Strafverfahren hatte die Barbaren ohne Zweifel in Schrecken versetzt, denn von der Höhe des Eschmuntempels sah man, wie sie ihre Zelte abbrachen, ihr Vieh zusammentrieben und ihr Gepäck auf Esel luden. Noch am Abend desselbigen Tages zog

das ganze Heer ab.

Indem das Söldnerheer zwischen dem Berge der Heißen Wasser und Hippo-Diarrhyt hin- und hermarschierte, sollte es dem Suffeten die Annäherung an die tyrischen Städte unmöglich machen und ihm die Rückkehr nach Karthago verlegen.

Währenddem sollten die beiden andern Heere versuchen, Hamilkar im Süden zu fassen, und zwar Spendius von Osten, Matho von Westen her. Schließlich wollten sich alle drei vereinigen, ihn überraschen und einschließen. Da bekamen sie eine völlig unverhoffte Verstärkung. Naravas erschien wieder und zugleich dreihundert mit Erdpech beladene Kamele, fünfundzwanzig Elefanten und sechstausend Reiter.

Um die Söldner zu schwächen, hatte es der Suffet für angebracht erachtet, Naravas fern in seinem Gebiete zu beschäftigen. Hamilkar hatte sich von Karthago aus mit Masgaba verständigt, einem gätulischen Banditenführer, der sich ein Reich zu gründen suchte.

Dieser Abenteurer hatte mit punischem Gelde und mit dem Versprechen, ihnen die Unabhängigkeit zu verschaffen, die numidischen Staaten aufgewiegelt. Doch Naravas, durch den Sohn seiner Amme benachrichtigt, war in Kirta eingefallen, hatte den Siegern das Zisternenwasser vergiftet, ein paar Köpfe abgeschlagen und die Ordnung

wiederhergestellt. Nun kam er zurück, wütender auf den Suffeten als die Barbaren.

Die vier Heerführer verständigten sich über den Kriegsplan. Da der Krieg lange dauern würde, mußte alles vorgesehen werden.

Zunächst kam man überein, den Beistand der Römer anzurufen. Man bot diese Sendung

Spendius an. Als Überläufer aber wagte er sie nicht zu übernehmen. Zwölf Männer aus den griechischen Kolonien schifften sich nun in Annaba auf einem numidischen Ruderboot ein. Sodann forderten die Führer von allen Barbaren den Fahneneid. Täglich hielten die Hauptleute Sachen- und Schuh-Appelle ab. Den Posten wurde der Gebrauch des Schildes verboten. Sie waren nämlich häufig an die Lanze gelehnt stehend eingeschlafen. Wer zu viel Habseligkeiten mit sich führte, hatte sich deren zu entledigen.

Nach römischem Brauch mußte alles Gepäck auf dem Rücken getragen werden. Aus Vorsicht gegen die Elefanten errichtete Matho ein Kürassierregiment, das, Roß wie Reiter, vom Scheitel bis zur Sohle in nägelbeschlagener Nilpferdhaut steckte. Um auch die Hufe der Pferde zu schützen, flocht man ihnen Schuhe aus Spartofasern.

Es wurde verboten, die Ortschaften zu plündern und Einwohner nichtpunischer

Herkunft zu malträtieren. Da die Gegend aber ausgesogen war, befahl Matho, die Lebensmittel nur noch nach der Kopfzahl der Soldaten zu verteilen und die Weiber nicht mehr zu berücksichtigen. Anfangs teilten die Söldner ihre Kost mit ihnen. Viele verloren dadurch wegen mangelhafter Ernährung die Kräfte. Unaufhörlich kam es zu Zwisten und

Schimpfereien, da manche die Gefährtinnen andrer durch die Verführungskraft oder durch das Versprechen ihrer Portionen zu sich lockten. Matho befahl nunmehr, die Weiber samt und sonders erbarmungslos davonzujagen. Sie flüchteten in Autarits Lager, aber die Gallierinnen und Libyerinnen daselbst nötigten sie durch fortgesetzte Schikanen wieder zum Abzug.

Endlich kamen sie unter die Mauern Karthagos, wo sie den Schutz der Zeres und der Proserpina anriefen, denn im Gebiete der Burg gab es einen Tempel und auch Priester dieser Gottheiten, zur Sühne für die Greuel, die einst bei der Belagerung von Syrakus begangen worden waren. Die Syssitien machten ihr Strandrecht geltend und verlangten die jüngsten der Weiber, um sie zu verkaufen. Etliche Neukarthager nahmen sich

Spartanerinnen zu Ehegattinnen, weil sie blonde Frauen liebten.

Manche der Weiber aber ließen nicht vom Heere. Sie liefen an der Seite der

Kompagnien neben den Hauptleuten her, riefen ihre Männer beim Namen, zupften sie am Mantel, zerschlugen sich die Brust und verwünschten sie, wobei sie ihnen ihre kleinen, nackten, weinenden Kinder hinhielten. Dieser Anblick rührte die Barbaren. Aber die Weiber waren ein Hindernis, eine Gefahr. Man stieß sie immer wieder zurück, und doch

wichen sie nicht. Matho ließ sie schließlich von den Reitern des Naravas mit den Lanzen verjagen, und als die Balearier ihm zuriefen, sie müßten Frauen haben, antwortete er: »Ich hab auch keine!«

Molochs Geist kam über ihn. Trotz der Gegenrede seines Gewissens vollbrachte er entsetzliche Dinge, wobei er sich einbildete, der Stimme eines Gottes zu gehorchen. Wenn er die Felder nicht verwüsten konnte, so ließ er Steine darauf werfen, um sie unfruchtbar zu machen.

Durch wiederholte Botschaften drängte er Autarit und Spendius zur Eile. Die strategischen Bewegungen des Suffeten waren unbegreiflich. Nacheinander lagerte Hamilkar bei Eidus, Monchar und Tehent. Aufklärer glaubten ihn in der Umgegend von Ischiil an den Grenzen des Reiches des Naravas gesehen zu haben. Dann erfuhr man wieder, daß er den Makar oberhalb Teburba überschritten habe, als ob er nach Karthago zurückkehren wolle. Kaum war er an einem Orte, so brach er schon nach einem andern auf. Die Marschstraßen, die er einschlug, blieben immer unbekannt. Ohne eine Schlacht zu liefern, wahrte der Suffet seinen Vorteil. Von den Barbaren verfolgt, dirigierte er sie doch.

Die Märsche und Gegenmärsche ermüdeten die Karthager aber mehr als die Söldner, und Hamilkars Streitkräfte nahmen, da sie nicht erneuert wurden, von Tag zu Tag ab. Die Landleute lieferten ihm die Lebensmittel bereits saumseliger. Überall stieß er auf Zaudern und stillen Haß, und trotz seiner dringenden Bitten an den Großen Rat kam ihm keine Hilfe aus Karthago.

Man sagte – vielleicht glaubte man es auch – , daß er keine nötig hätte. Das sei Arglist oder unnützes Klagen. Um ihm zu schaden, übertrieben Hannos Anhänger die Bedeutung

seines Sieges. Die Truppen, die er befehligte, hätte man opferwillig aufgebracht; aber man könne doch nicht alle seine Forderungen erfüllen. Der Krieg sei wahrlich schwer genug!

Er hätte schon zu viel gekostet. Aus Hochmut unterstützten Hamilkar die Einflußreichsten seiner eigenen Partei nur schwach.

Da verzweifelte Hamilkar an der Republik und trieb mit Gewalt von den Stämmen alles

bei, was er zum Kriege brauchte: Korn, Öl, Holz, Vieh und Menschen. Alsbald flohen die Einwohner. Die Ortschaften, durch die er marschierte, waren leer. Man durchstöberte die Hütten, ohne etwas darin zu finden. Bald umgab schreckliche Einöde das punische Heer.

Die Karthager wurden dadurch erbittert und begannen die Provinzen zu verwüsten. Sie

verschütteten die Zisternen und steckten die Häuser in Brand. Die Funken, vom Winde fortgetragen, flogen weit umher. Auf den Bergen gerieten ganze Wälder in Brand, und um die Täler flammten Feuerkränze. Ehe man durchmarschieren konnte, mußte man erst lange warten. Und wenn es soweit war, setzte das Heer seinen Marsch in der Sonnenglut auf der heißen Asche fort.

Bisweilen sah man neben der Straße im Gebüsch etwas funkeln wie die Augen einer Tigerkatze. Es war irgendein Barbar, der auf den Fersen hockte und sich mit Staub

beschmiert hatte, um mit der Farbe des Laubes eins zu sein. Oder wenn man durch einen Hohlweg zog, hörten die Flügelmänner plötzlich Steine rollen, und wenn sie aufblickten, sahen sie oben am Rande der Schlucht einen barfüßigen Mann davonlaufen.

Währenddem waren Utika und Hippo-Diarrhyt frei, da die Söldner sie nicht mehr belagerten. Hamilkar befahl diesen Städten, Hilfe zu schicken. Doch sie wagten nicht, sich ihrer Verteidigungskräfte zu entblößen, und so antworteten sie ihm mit unbestimmten Worten, Höflichkeiten und Entschuldigungen.

Er wandte sich nunmehr plötzlich nach Norden, entschlossen, sich eine der tyrischen Städte zu erschließen, und sollte er sie auch belagern. Er bedurfte eines Stützpunktes an der Küste, um von den Inseln oder von Kyrene Proviant und Soldaten beziehen zu können.

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