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Am meisten lockte ihn der Hafen von Utika, weil er Karthago am nächsten lag.

Der Suffet brach also von Zuitin auf und umging vorsichtig den See von Hippo-Diarrhyt. Doch bald war er gezwungen, seine Regimenter in lange Marschkolonnen auseinander zu ziehen, um über den Höhenrücken zwischen den beiden Tälern hinüber zu

gelangen. Bei Sonnenuntergang stieg man gerade eine weite kraterartige Schlucht vom Kamme hinab, als man vor sich, unmittelbar über dem Boden, Wölfinnen aus Metall erblickte, die über das Gras zu laufen schienen.

Dazu tauchten große Helmbüsche auf, und von Flöten begleitet, erscholl ein furchtbarer Schlachtgesang. Es war das Heer des Spendius. Seine Kampaner und Griechen hatten aus

Haß gegen Karthago römische Feldzeichen angenommen. Gleichzeitig erschienen zur Linken hohe Lanzen, Schilde aus Leopardenfell, Linnenkoller und nackte Schultern. Das waren die Iberer des Matho, die Lusitanier, Balearier und Gätuler. Man hörte die Pferde des Naravas wiehern. Die Reiter ritten weitausgeschwärmt über den ganzen Hang. Dann kamen die ungeordneten Scharen, die Antarit führte, die Gallier, Libyer und Nomaden.

Mitten unter ihnen erkannte man die »Esser unreiner Speisen« an den Fischgräten, die sie im Haare trugen.

So hatten sich also die Barbaren durch genaue Berechnung ihrer Marschentfernungen vereint. Doch selber überrascht, blieben sie zunächst eine Weile unbeweglich stehen und berieten sich.

Der Suffet hatte seine Truppen sofort zu einer kreisförmigen Masse zusammengezogen,

so daß sie überallhin gleichen Widerstand bieten konnten. Die hohen spitzen Schilde waren dicht nebeneinander in den Rasen gesteckt und bildeten eine Mauer um das Fußvolk. Die Klinabaren standen außerhalb dieses Kreises, und noch weiter weg, in Abständen, die Elefanten. Die Söldner waren von den Strapazen erschöpft und wollten deshalb lieber den kommenden Tag abwarten. Ihres Sieges gewiß, beschäftigten sie sich die ganze Nacht mit Essen und Trinken.

Sie hatten große helle Feuer angezündet, die sie selbst blendeten und das punische Heer unter ihnen um so mehr ins Dunkel rückten. Nach römischem Brauch ließ Hamilkar rings

um sein Lager einen Graben von fünfzehn Schritt Breite und zehn Ellen Tiefe ziehen und dahinter aus der ausgeschaufelten Erde einen Wall aufwerfen, auf dem spitze, sich kreuzende Pfähle als Brustwehr eingerammt wurden. Als die Sonne aufging, waren die Söldner arg erstaunt, daß sie die Karthager so samt und sonders wie in einer Festung verschanzt sahen.

Sie erkannten Hamilkar inmitten der Zelte, wie er umherging und Befehle erteilte. Er trug einen braunen kleinschuppigen Panzerrock. Sein Pferd folgte ihm. Von Zeit zu Zeit blieb er stehen, um mit der ausgestreckten Rechten auf etwas zu zeigen.

Manch einer dachte da zurück an ähnliche Morgen, an denen der Marschall die Front abgeschritten und man sich an seinen Blicken gestärkt hatte wie an einem Becher Wein.

Eine seltsame Rührung ergriff die Hinabschauenden. Nur wer Hamilkar nicht kannte, war vor Freude toll, daß man ihn umzingelt hatte.

Wollte man einen allgemeinen Angriff ansetzen, so mußte man sich auf dem zu engen

Raume gegenseitig schaden. Die Numidier konnten zwar eine Attacke mitten hinein reiten; jedoch waren ihnen die gepanzerten Klinabaren stark überlegen. Und wie sollte man über die Schanzpfähle hinwegkommen? Auch die Elefanten waren noch nicht genügend abgerichtet.

»Ihr seid allesamt Feiglinge!« schrie Matho.

Und mit den Tapfersten stürzte er gegen die Verschanzung vor. Ein Steinhagel trieb sie zurück, denn der Suffet hatte ihre an der Brücke zurückgelassenen Geschütze mitgenommen.

Dieser Mißerfolg verursachte in den beweglichen Geistern der Barbaren einen jähen Umschlag. Ihr Übermut verschwand. Sie wollten zwar siegen, aber unter so wenig Gefahren wie nur möglich. Spendius meinte, man müsse die Stellung, die man innehatte, bedachtsam behaupten und das punische Heer aushungern. Doch die Karthager begannen

Brunnen zu graben, und da ihr Platz rings von Bergen umgeben war, so fanden sie wirklich Wasser.

Von ihrer Verschanzung herab warfen sie Pfeile, Erde, Mist und Feldsteine, und die sechs Geschütze rollten unablässig auf dem Walle vor und zurück.

Indessen mußten die Quellen wieder versiegen, die Lebensmittel zu Ende gehen, die Katapulte abgenützt werden und die Söldner, an Zahl zehnmal überlegen, schließlich doch zu Erfolg kommen! Um Zeit zu gewinnen, begann der Suffet Unterhandlungen, und eines

Morgens fanden die Barbaren in ihren Linien ein mit Schriftzeichen bedecktes Schaffell.

Hamilkar entschuldigte sich ob seines Sieges. Die Alten hätten ihn zum Kriege gezwungen. Um den Söldnern zu zeigen, daß er sein Wort halte, bot er ihnen Utika oder Hippo-Diarrhyt – ganz nach Belieben – zur Plünderung an. Zum Schluß erklärte er, keineswegs aber hege er Furcht, denn er habe Verräter unter ihnen gewonnen, und mit ihrer Hilfe werde er leicht mit den übrigen fertig werden.

Die Barbaren waren betroffen. Der Vorschlag einer unmittelbaren Beute machte sie nachdenklich. Sie fürchteten Verrat, da sie in der Prahlerei des Suffeten keine Falle argwöhnten, und begannen einander mit Mißtrauen zu betrachten. Man beobachtete die Reden und das Benehmen eines jeden. Nachts fuhr man erschrocken aus dem Schlafe auf.

Viel brachen mit ihren bis dahin besten Kameraden. Man wählte sich nach Gutdünken Anschluß an andre Truppenteile. So schlossen sich die Gallier unter Autarit den Zisalpinern an, deren Sprache sie verstanden. Die vier Heerführer kamen allabendlich in Mathos Zelt zusammen, hockten im Kreise um einen Schild und schoben aufmerksam die

kleinen Holzfiguren hin und her, die Pyrrhus zur Darstellung von taktischen Hergängen erfunden hatte. Spendius wies auf die Hilfsquellen Hamilkars hin und bat dringend, die

Gelegenheit nicht zu verpassen. Dabei zitierte er alle möglichen Götter. Matho schritt erregt und gestikulierend auf und ab. Der Krieg gegen Karthago war seine ureigene Angelegenheit. Es empörte ihn, daß die andern dareinredeten, ohne ihm gehorchen zu wollen. Autarit erriet diese Gedanken an seinem Mienenspiel und zollte ihm Beifall.

Naravas hob verächtlich den Kopf. Es gab keine Maßregel, die er nicht für verderblich erklärt hätte. Er lächelte nicht mehr. Seufzer entschlüpften ihm, als unterdrücke er den Schmerz über einen unerfüllbaren Traum, die Verzweiflung über ein verfehltes Unternehmen.

Während die Barbaren unschlüssig hin und her berieten, verstärkte der Suffet seine Verteidigungsmittel. Er ließ innerhalb seiner Verschanzung einen zweiten Wall aufwerfen und an seinen Ecken hölzerne Basteien errichten. Seine Sklaven wagten sich bis in die feindlichen Vorposten hinein, um Fußangeln auszulegen. Die Elefanten, deren Rationen vermindert worden waren, rissen an ihren Fesseln. Um Futter zu sparen, befahl der Marschall den Klinabaren, ihre minder kräftigen Hengste zu töten. Man weigerte sich mehrfach. Hamilkar ließ die Ungehorsamen enthaupten. Man verzehrte die getöteten Pferde. Die Erinnerung an dies frische Fleisch rief an den folgenden Tagen große Traurigkeit hervor.

Aus der Tiefe des Amphitheaters, in das die Karthager eingeschlossen waren, sahen sie ringsum auf den Höhen die vier Barbarenlager, die voller Bewegung waren. Weiber mit Schläuchen auf den Köpfen gingen hin und her. Blökende Ziegen grasten zwischen den Lanzenpyramiden. Die Posten wurden abgelöst. Man aß, um die Feldkessel gelagert. Die

Stämme lieferten Lebensmittel in Fülle, und die Söldner ahnten selber nicht, wie sehr nervös ihre Untätigkeit das punische Heer machte.

Schon am zweiten Tage hatten die Karthager im Lager der Nomaden einen Haufen von

etwa dreihundert Menschen bemerkt, die abgesondert blieben. Das waren die Patrizier, die seit Beginn des Krieges Gefangene waren. Die Libyer stellten sie allesamt in einer Reihe am Rande des Grabens auf, traten hinter sie und schleuderten Spieße, indem sie die Leiber der

Gefangenen

als

Deckung

benutzten.

Die

Unglücklichen

waren

kaum

wiederzuerkennen. Ihre Gesichter waren vor lauter Ungeziefer und Schmutz gar nicht mehr zu sehen. Das stellenweise ausgerissene Haar machte Geschwüre auf ihren Köpfen

sichtbar. Dabei waren sie so abgemagert und widerlich, daß sie Mumien in zerlöcherten Leichentüchern glichen. Manche zitterten und schluchzten mit blöder Miene. Andre riefen ihren Landsleuten zu, auf die Barbaren zu schießen. Einer stand ganz unbeweglich mit gesenktem Haupte da und sprach kein Wort. Sein langer weißer Bart wallte bis hinab auf seine mit Ketten beschwerten Hände. Den Karthagern war es zumute, als ob die Republik zusammenbräche: sie erkannten in diesem Manne Gisgo. Obwohl die Stelle gefährlich war, drängten sie sich heran, um ihn zu sehen. Man hatte ihm eine komische Tiara aus Flußpferdhaut mit einer Verzierung aus Kieseln aufgesetzt. Das war ein Einfall Autarits.

Matho mißfiel diese Verhöhnung.

Erbittert ließ Hamilkar die Palisadenbrustwehr öffnen. Er war fest entschlossen, sich durchzuschlagen, – einerlei wie. In einem wütenden Ausfalle drangen die Karthager bis zur halben Höhe des Abhanges dreihundert Schritte weit hinauf. Da aber stürzte ihnen eine solche Flut von Barbaren abwärts entgegen, daß sie in ihre Verschanzung zurückgetrieben wurden. Einer von der Garde, der noch draußen war, strauchelte über

einen Stein. Zarzas eilte herbei, warf ihn zu Boden, stieß ihm den Dolch in die Kehle und zog ihn wieder heraus. Dann stürzte er sich auf den Daliegenden, preßte den Mund auf seine Wunde und sog, unter krampfartigen Zuckungen und wilde Jodler ausstoßend, das Blut in vollen Zügen ein. Hinterher setzte er sich ruhig auf den Leichnam, warf den Kopf hintenüber, um besser Luft zu bekommen, wie ein Hirsch, der eben an einem Gießbach getrunken hat, und stimmte mit schrillen Lauten ein balearisches Lied an, eine wirre Melodie voll langgezogener Töne, die öfters abbrach und sich dann wiederholte wie ein Echo in den Bergen. Er rief seine toten Brüder an und lud sie zum Feste ein. Dann nahm er seine Hände zwischen die Beine, neigte langsam den Kopf und weinte. Seine Untat entsetzte die Barbaren, vornehmlich die Griechen.

Fortan versuchten die Karthager keinen Ausfall mehr. Ebensowenig aber dachten sie daran, sich zu ergeben, eines qualvollen Todes gewiß.

Trotz Hamilkars Fürsorge nahmen die Lebensmittel erschrecklich ab. Für jeden Mann blieben nur noch zehn Khomer Getreide, drei Hin Hirse und zwölf Betza getrocknete Früchte. Kein Fleisch, kein Öl, kein Eingesalzenes mehr, kein Korn Gerste für die Pferde.

Man sah sie den abgemagerten Hals herniederbeugen und im Staube nach zertretenen Strohhalmen suchen. Oft bemerkten die auf dem Walle stehenden Posten beim Schein des

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