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Vor ihm im Dunkel erhoben sich kleine pyramidenartige Massen, und diesseits des Flusses, noch näher, brannten dicht über dem Boden unbewegliche Lichter. Die Karthager hatten sich hinter die Brücke zurückgezogen. Um die Barbaren jedoch zu täuschen, hatte der Suffet zahlreiche Wachtposten am linken Ufer aufgestellt.

Matho schritt weiter. Er glaubte punische Feldzeichen zu erkennen. Es waren regungslose Pferdeköpfe auf den Spitzen von Lanzenpyramiden, die er undeutlich sah. In der Ferne hörte er starken Lärm, laute Lieder und Becherklang.

Er wußte nicht, wo er war, noch wo er Spendius finden könne. Von Angst befallen, verwirrt und im Dunkel verloren, kehrte er in noch größerer Hast auf demselben Wege zurück. Der Morgen graute, als er von der Berghöhe Utika erblickte, davor die Gerippe der vom Feuer geschwärzten Belagerungsmaschinen, die wie Riesenskelette an den Stadtmauern lehnten, und südlicher das Söldnerlager.

Alles ruhte in seltsamer Stille und Ermattung. Zwischen den Soldaten, dicht an den Zelten, schliefen halbnackte Männer, auf dem Rücken liegend oder die Stirn auf den Arm gelegt, der auf ihrem Panzer ruhte. Einige wickelten blutige Binden von ihren Beinen.

Sterbende rollten sacht den Kopf. Andre schleppten sich umher und brachten ihnen zu trinken. In den engen Lagergassen gingen die Posten auf und ab, um sich zu erwärmen, oder sie standen mit der Lanze an der Schulter in trotziger Haltung da, die Augen nach dem Horizont gerichtet. Matho fand Spendius unter einer zerrissenen Leinwand, die über zwei in die Erde gerammten Stöcke gespannt war. Er saß da, die Hände um die Knie geschlungen, mit gesenktem Haupte.

Lange verharrten beide in Stillschweigen.

Endlich murmelte Matho: »Besiegt!«

»Ja, besiegt!« wiederholte Spendius dumpf.

Auf alle weiteren Fragen antwortete er nur mit verzweifelten Gebärden.

Stöhnen und Röcheln drang bis zu ihnen. Matho schlug die Leinwand zurück. Der Anblick der Soldaten gemahnte ihn an ein andres Unglück an nämlicher Stätte, und zähneknirschend rief er aus:

»Elender! Schon einmal … «

»Damals warst du auch nicht da!« unterbrach ihn Spendius.

»Ein Fluch lastet auf mir!« klagte Matho. »Aber am Ende werd ich ihn doch erreichen!

Ihn besiegen! Ihn töten! Ach, wär ich dagewesen!«

Der Gedanke, die Schlacht verfehlt zu haben, erbitterte ihn noch mehr als die Niederlage an sich. Er riß sein Schwert ab und schleuderte es zu Boden.

»Aber wie, auf welche Weise haben die Karthager euch geschlagen?«

Der ehemalige Sklave begann den taktischen Hergang der Schlacht zu erzählen. Matho

sah im Geiste alles vor sich und geriet in große Aufregung. Das Heer, das vor Utika lag, hätte Hamilkar in den Rücken fallen müssen, statt zur Brücke zu eilen, meinte er.

»Ach, ich weiß es wohl,« gab Spendius zu.

»Du hättest deine Schlachtstellung noch einmal so tief nehmen müssen! Die

Leichtbewaffneten nicht gerade gegen die Phalanx führen! Und Lücken für die Elefanten offen halten! Noch im letzten Moment wäre alles wieder zu gewinnen gewesen! Nichts zwang zur Flucht!«

Spendius entgegnete:

»Ich sah ihn in seinem roten Mantel mit erhobenem Arm aus dem Staub emporragen.

Wie ein Adler flog er an den Flanken der Bataillone hin. Bei jedem Winke seines Hauptes ballten sie sich zusammen oder dehnten sich aus. Das Gewühl brachte uns nahe aneinander. Er hat mich angeblickt und mir war zumute, als dränge mir kalter Stahl ins Herz!«

»Sollte er sich den Tag ausgesucht haben?« dachte Matho bei sich.

Sie erörterten beide, was den Suffeten gerade unter den ungünstigsten Umständen herbeigeführt haben könnte. Dann kamen sie auf die Kriegslage zu sprechen. Spendius, der seinen Fehler beschönigen oder sich selber ermutigen wollte, behauptete, es sei immer noch Hoffnung.

»Und wenn auch keine mehr bliebe, was tut’s!« rief Matho. »Ich ganz allein werde den

Krieg fortsetzen!«

»Und ich gleichfalls!« schrie der Grieche und sprang auf. Mit großen Schritten ging er auf und ab. Seine Augen blitzten, und ein seltsames Lächeln verzog sein Schakalgesicht.

»Wir werden wieder von vorn anfangen. Verlaß mich nur nicht wieder! Ich habe kein Geschick für die offnen Feldschlachten. Der Glanz der Schwerter trübt meinen Blick. Das ist krankhaft an mir. Ich habe zu lange im Kerker gelebt. Aber gib mir bei Nacht Mauern zu ersteigen, und ich will in die Festungen eindringen und die Insassen sollen kalt sein, ehe noch die Hähne krähen!

Zeig mir ein Wesen, eine Sache, einen Feind, einen Schatz, ein Weib … «, er wiederholte: » ein Weib, und wäre sie eine Königstochter, – ich bringe dir schleunigst, was du begehrst, und leg es dir zu Füßen! Du wirfst mir vor, daß ich die Schlacht gegen Hanno verloren hätte. Aber ich habe sie ja dann doch wiedergewonnen! Gesteh nur, meine brennenden Schweine haben uns mehr genützt als die spartanische Phalanx!« Und indem

er dem Bedürfnis nachgab, sich herauszustreichen und Rache zu üben, zählte er alles auf, was er für die Sache der Söldner getan hatte. »Ich war’s, der in den Gärten des Suffeten den Gallier antrieb! Dann, in Sikka, habe ich sie mit der Furcht vor der Republik toll gemacht! Gisgo leuchtete ihnen heim, – ich ließ die Dolmetscher gar nicht zu Worte kommen! Ha, wie ihnen die Zungen aus dem Halse hingen! Entsinnst du dich noch? Ich

habe dich nach Karthago hineingebracht! Ich habe den Zaimph geraubt! Ich habe dich zu ihr geführt. Und ich werde noch mehr tun! Du sollst sehen!«

Er brach in ein tolles Gelächter aus.

Matho blickte ihn mit großen Augen an. Er empfand Grauen vor diesem Manne, der so

feig und dabei so schrecklich war.

Der Grieche schnippte mit den Fingern und fuhr in heiterem Tone fort:

»Evoe! Auf Regen folgt Sonnenschein! Ich hab in den Steinbrüchen Fronarbeit getan und unter goldnem Sonnendache auf einem Schiffe, das mein war, Massiker geschlürft wie ein Ptolemäer. Unglück hat den Zweck, uns schlauer zu machen. Das Glück will überlistet werden. Es liebt die Schlauköpfe. Es läßt sich fangen!«

Er trat auf Matho zu und faßte ihn am Arme.

»Herr, jetzt sind die Karthager ihres Sieges sicher. Du hast ein ganzes Heer, das noch nicht gekämpft hat. Deine Leute gehorchen dir! Stelle sie in das Vortreffen! Die meinen werden folgen, um Rache zu nehmen. Ich habe noch dreitausend Karier, zwölfhundert Schleuderer und Bogenschützen, ganze Kompagnien. Man kann sogar eine Phalanx formieren. Kehren wir um!«

Matho, durch das Unglück betäubt, war bis jetzt noch nicht zu der Überlegung gekommen, wie er es vielleicht wieder gutmachen könne. Er hörte mit offenem Munde zu, und die Erzschuppen, die seine Brust umspannten, drohten unter den Schlägen seines Herzens zu zerspringen. Er hob sein Schwert auf und rief:

»Folge mir! Vorwärts!«

Doch die Aufklärer meldeten bei ihrer Rückkehr, daß die Toten der Karthager fortgeschafft, die Brücke zerstört und Hamilkar verschwunden sei.

Kapitel 9

Im Felde

Hamilkar hatte geglaubt, die Söldner würden ihn entweder vor Utika erwarten oder gegen ihn vorrücken. Aber da er seine Streitkräfte weder zum Angriff noch zur Verteidigung für ausreichend schätzte, war er auf dem rechten Ufer des Flusses nach Süden marschiert, was ihn vor einem unmittelbaren Überfalle sicherte.

Er wollte zunächst die afrikanischen Stämme der Sache der Barbaren abspenstig machen, indem er ihnen ihren Abfall stillschweigend verzieh. Später freilich, wenn sie wieder isoliert dastanden, wollte er einzeln über sie herfallen und sie vernichten.

In vierzehn Tagen beruhigte er die Gegend zwischen Thukkaber und Utika mit den Städten Tignikabah, Tessurah, Vakka und andern Orten weiter im Westen. Das in den Bergen liegende Zunghar, das durch seinen Tempel berühmte Assuras, das

wacholderreiche Djeraado, Thapitis und Hagur schickten ihm Gesandte. Die Landleute kamen mit Lebensmitteln, baten ihn um Schutz, küßten ihm und seinen Soldaten die Füße und beklagten sich über die Barbaren. Einige brachten ihm in Säcken die Köpfe von Söldnern, die sie angeblich getötet hatten. In Wahrheit hatten sie nur Tote geköpft. Viele von den Barbaren hatten sich nämlich auf der Flucht verirrt, und so fand man hier und da unter den Olbäumen und in den Vignen ihre Leichname.

Um dem Volk etwas vorzugaukeln, hatte Hamilkar am Tage nach dem Siege die zweitausend Gefangenen, die man auf dem Schlachtfelde gemacht hatte, nach Karthago gesandt. Sie kamen in langen Kolonnen zu je hundert Mann an, die Arme auf dem Rücken

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