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ihrem unerfüllten Traume.

Da ward der Saum des Zeltes aufgehoben, und eine unförmige Gestalt erschien.

Salambo erkannte anfangs nichts als zwei Augen uud einen langen weißen Bart, der bis zur Erde hinabhing, denn der übrige Körper kroch über den Boden, durch die Lumpen eines gelbroten Gewandes behindert. Bei jeder Bewegung des Vorwärtskriechenden verschwanden die beiden Hände im Barte und kamen dann wieder hervor. So schleppte sich die Gestalt bis vor Salambos Füße. Jetzt erkannte sie den alten Gisgo.

Die Söldner hatten den gefangenen Gerusiasten, damit sie nicht entflohen, mit Eisenstangen die Beine zerschmettert und ließen sie alle durcheinander in der Grube im Unrat verkommen. Nur die Stärksten richteten sich schreiend hoch, wenn sie das Klappern der Kochgeschirre vernahmen. So hatte Gisgo Salambo bemerkt. An den kleinen Achatkugeln, die an ihre Schuhe schlugen, hatte er erraten, daß es eine Karthagerin sein müsse, und ergriffen von der Ahnung eines wichtigen Geheimnisses, war es ihm mit Hilfe seiner Leidensgefährten gelungen, aus der Grube hinauszuklettern. Dann hatte er sich auf Ellbogen und Händen die zwanzig Schritte weiter bis zu Mathos Zelt geschleppt. Zwei Stimmen sprachen darin. Er hatte draußen gelauscht und alles gehört.

»Du bist’s!« sagte sie nach einer Weile, ganz entsetzt.

Gisgo richtete sich auf den Händen empor und erwiderte:

»Ja, ich bin’s! Man hält mich wohl für tot, sag?«

Sie senkte den Kopf. Er redete weiter:

»O, warum haben mir die Götter diese Gnade nicht erwiesen?« Dabei kroch er so nahe

an sie heran, daß er sie streifte. »Sie hätten mir den Schmerz erspart, dich verfluchen zu müssen!«

Salambo wich hastig zurück. Ihr graute es vor diesem schmutzigen Wesen, das scheußlich war wie ein Gespenst und schrecklich wie ein Ungeheuer.

»Ich bin fast hundert Jahre alt,« fuhr er fort. »Ich habe Agathokles gesehen und Regulus. Hab es erlebt, daß die römischen Adler die Ernte der punischen Felder zertraten.

Hab alle Greuel des Krieges geschaut und das Meer bedeckt gesehen mit den Trümmern

unsrer Flotte! Barbaren, deren Feldherr ich war, haben mich nun an Händen und Füßen gefesselt wie einen Sklaven, der einen Mord begangen hat. Meine Gefährten sterben einer nach dem andern um mich her. Der Gestank ihrer Leichen läßt mich nachts nicht schlafen.

Ich wehre die Vögel ab, die ihnen die Augen aushacken wollen. Und dennoch: nicht einen Tag hab ich an Karthago verzweifelt! Und hätte ich alle Heere der Welt im Kriege gegen die Stadt gesehen, und wären die Feuer der Belagerer höher als die Giebel seiner Tempel aufgelodert, – ich hätte doch an Karthagos Ewigkeit geglaubt! Jetzt aber ist alles zu Ende, alles verloren! Die Götter verabscheuen es! Fluch über dich, die du durch deine Schandtat seinen Untergang beschleunigt hast!«

Sie wollte reden… .

»Ich war hier!« rief er aus. »Ich habe dich in girrender Liebe gesehen wie eine Dirne!

Ein Barbar hat dir seine Geilheit gezeigt, und du hast ihm deine Hände zum Kusse gereicht! Und wenn du deiner schamlosen Liebeswut auch nachgabst, so mußtest du

wenigstens dem Beispiel der wilden Tiere folgen, die sich bei der Paarung verbergen, nicht aber deine Schande angesichts deines Vaters zur Schau stellen!«

»Ich verstehe dich nicht!« versetzte Salambo.

»So! Wußtest du nicht, daß die beiden Heereslager nur sechzig Ellen voneinander entfernt sind? Und daß dein Matho im Übermaß seiner Frechheit sein Zelt unmittelbar vor den Augen Hamilkars aufgeschlagen hat? Dein Vater steht dort hinter dir, und wenn ich den Steg hinaufsteigen könnte, der auf den Wall hinaufführt, so würde ich ihm zurufen: Komm und sieh deine Tochter in den Armen des Barbaren! Um ihm zu gefallen, hat sie

das Kleid der Göttin angelegt, und mit ihrem Leibe gibt sie ihm den Ruhm deines Namens preis und die Majestät unsrer Götter und die Rache des Vaterlandes, ja das Heil Karthagos!«

Bei den Bewegungen seines zahnlosen Mundes flatterte sein langer Bart. Seine Augen

starrten Salambo an, wie um sie zu verschlingen, und im Staube kriechend, wiederholte er keuchend:

»Gottlose! Verflucht seist du! Verflucht! Dreimal verflucht!«

Salambo hatte die Leinwand aufgehoben und hielt sie mit ausgestrecktem Arme hoch.

Stumm blickte sie nach Hamilkars Lager hinüber.

»Dort drüben, nicht wahr?« fragte sie.

»Was kümmerts dich! Hebe dich von hinnen! Weg von hier! Wühle dein Antlitz lieber

tief in den Boden ein! Das dort ist ein heiliger Ort, den dein Blick entweiht!«

Sie warf sich den Zaimph um die Schultern, raffte hastig ihren Schleier, ihren Mantel und ihr Schultertuch auf und rief:

»Ich will hin!«

Damit schlüpfte sie hinaus und verschwand.

Zunächst schritt sie durch das Dunkel, ohne jemandem zu begegnen, denn alles eilte zur Brandstätte. Der Lärm ward immer heftiger. Große Flammen röteten den Himmel hinter ihr. Der lange Wall versperrte ihr den Weg.

Ziellos wandte sie sich nach rechts und nach links, suchte eine Leiter, einen Strick, eine Treppe, irgend etwas, was ihr hinaufhelfen könne. Sie hatte Furcht vor Gisgo, und es kam ihr vor, als ob Schreie und Schritte sie verfolgten. Der Morgen dämmerte. Da gewahrte sie einen Fußsteig, der schräg an der Schanze hinaufführte. Sie nahm den Saum ihres Gewandes, der sie behinderte, zwischen die Zähne und gelangte mit drei Sprüngen auf den Wall hinauf.

Ein lauter Ruf erklang unter ihr im Dunkeln, der nämliche, den sie jüngst am Fuße der Galeerentreppe vernommen hatte. Sie beugte sich vor und erkannte den Diener Schahabarims mit den beiden Pferden, die er an den Zügeln hielt.

Er war die ganze Nacht zwischen den beiden Lagern hin und her gestreift. Schließlich

war er, durch die Feuersbrunst beunruhigt, an den Wall herangegangen und hatte versucht, zu erspähen, was in Mathos Lager vorgehe. Da er wußte, daß diese Stelle Mathos Zelt am nächsten lag, so hatte er sie, dem Gebote des Priesters getreu, nicht wieder verlassen.

Er stellte sich aufrecht auf eins der Pferde. Salambo glitt vom Walle zu ihm hinunter.

Dann umritten sie galoppierend das punische Lager, um einen Eingang zu finden.

Matho war in sein Zelt zurückgekehrt. Die qualmende Lampe erhellte es schwach. Er glaubte, Salambo schliefe. Behutsam tastete er mit der Hand über das Löwenfell auf dem Palmenlager. Er rief. Keine Antwort. Da riß er heftig ein Stück aus der Leinwand des Zeltes, damit das Licht eindringe: der Zaimph war verschwunden.

Der Erdboden erbebte unter zahllosen Tritten. Lautes Geschrei, Pferdegewieher und Waffengeklirr scholl durch die Luft. Trompetensignale riefen zu den Alarmplätzen. Wie ein Orkan wirbelte es um den Rebellenführer her. In maßloser Wut griff er nach seinen Waffen nud stürzte hinaus.

In langen Kolonnen stiegen die Barbaren den Hang hinab, während ihnen die punischen

Karrees in schwerfälligem, taktmäßigem Marsche entgegenrückten. Der Nebel war eben von den ersten Sonnenstrahlen zerrissen worden.

Kleine tanzende, allmählich höher fliegende Wölkchen flatterten um die Standarten, Helme und Lanzenspitzen, die mehr und mehr sichtbar wurden. Bei der raschen Bewegung der Truppenmassen schien es, als ob sich ganze Teile des Bodens, die noch im Schatten lagen, mit einem Male verschöben. An andern Stellen war es, als ob sich Gießbäche kreuzten, aus denen unbewegliche stachlige Massen herausragten. Matho konnte die Hauptleute, die Soldaten, die Herolde erkennen, sogar die Troßknechte auf ihren Eseln. Mit einem Male sah er, wie Naravas seine bisherige Stellung, in der er die Flanke des Fußvolks decken sollte, verließ und nach rechts abschwenkte, als wolle er sich von den Puniern in seine eigne Flanke fallen lassen.

Seine Reiter galoppierten über die Elefanten hinaus, die nunmehr langsamer vorrückten.

Die Pferde der Numidier verstärkten ihr Tempo. Mit weit vorgestreckten zügellosen Hälsen stürmten sie in so wilder Fahrt dahin, daß ihre Bäuche die Erde zu berühren schienen. Plötzlich ritt Naravas geradenwegs auf eine der feindlichen Patrouillen los, warf Schwert, Lanze und Wurfspeere von sich und verschwand alsbald unter den Karthagern.

Als der Numidierfürst in das Zelt Hamilkars trat, wies er rückwärts auf seine Schwadronen, die Halt gemacht hatten, und sagte:

»Barkas! Ich führe sie dir zu! Sie sind dein!«

Dann warf er sich zum Zeichen der Unterwürfigkeit vor Hamilkar nieder, und um ihm

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