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Auch Hamilkar mußte dem Brauch gemäß antworten: »Ja, so sei es!« Darauf ordneten die

Alten das Opfer durch eine herkömmliche Umschreibung an; denn es gibt Dinge, die schwerer auszusprechen als auszuführen sind.

Der Beschluß ward fast augenblicklich in Karthago bekannt. Wehgeschrei erscholl.

Überall hörte man die Frauen jammern. Die Männer trösteten oder schalten sie und redeten ihnen zu.

Drei Stunden später verbreitete sich eine neue wichtige Nachricht: der Suffet hatte am Fuße der steilen Küste Quellen gefunden. Man eilte hin. Im Sande waren Löcher gegraben. Wasser stand darin, und schon lagen Menschen flach auf dem Bauche und tranken daraus.

Hamilkar wußte selbst nicht, ob dies eine Erleuchtung durch die Götter oder die dunkle Erinnerung an eine vertrauliche Mitteilung war, die ihm sein Vater einst gemacht hatte.

Als er die Alten verlassen, war er zum Strande hinabgestiegen und hatte mit seinen Sklaven begonnen, den Sand aufzuscharren.

Er ließ Gewänder, Schuhe und Wein verteilen. Er gab das letzte Getreide hin, das er noch besaß. Er ließ die Menge sogar in sein Schloß ein und öffnete die Küchen, die Vorratskammern und alle Gemächer außer denen Salambos. Er machte bekannt, daß sechstausend gallische Söldner unterwegs seien und daß der König von Mazedonien

Hilfstruppen schicke.

Doch schon am zweiten Tage begannen die Quellen nachzulassen, und am Abend des dritten waren sie völlig versiegt. Da lief der Befehl der Alten abermals von Mund zu Munde, und die Molochpriester gingen nunmehr an ihre Arbeit.

Männer in schwarzen Gewändern erschienen in den Häusern und Palästen. Viele Bewohner hatten sie vorher verlassen, indem sie ein Geschäft oder eine Besorgung vorschützten. Die Schergen Molochs traten rücksichtslos ein und nahmen die Kinder.

Manche lieferten sie ihnen stumpfsinnig selbst aus. Man führte die Kleinen zum Tempel der Tanit, deren Priesterinnen es oblag, sie bis zu dem Tage der Feier zu belustigen uud zu ernähren.

Man kam auch zu Hamilkar und fand ihn in seinem Garten.

»Barkas! Wir kommen. Du weißt, weshalb… . Dein Sohn … «

Sie fügten hinzu, im vergangenen Monat sei der kleine Hannibal in der Straße der Mappalier gesehen worden. Ein alter Mann habe ihn an der Hand geführt.

Hamilkar stand zuerst da wie vom Schlage gerührt. Doch er begriff rasch, daß alles Leugnen vergeblich wäre. Er verneigte sich und führte sie in das Verwaltungshaus.

Sklaven, die auf einen Wink herbeigeeilt waren, bewachten die Umgebung.

Ganz verstört betrat er Salambos Gemach. Er ergriff Hannibal mit einer Hand, riß mit

der andern die Saumschnur eines daliegenden Gewandes ab, band den Knaben an Händen

und Füßen, stopfte ihm das Ende als Knebel in den Mund und verbarg ihn unter dem rindsledernen Lager, über das er eine große Decke bis zum Fußboden breitete.

Dann schritt er auf und ab, rang die Arme, drehte sich im Kreise herum und biß sich auf die Lippen. Endlich blieb er mit stieren Blicken stehen und atmete schwer, als ob er dem Tode nahe sei.

Plötzlich klatschte er dreimal in die Hände.

Giddenem erschien.

»Gib acht!« befahl er ihm. »Suche unter den Sklaven einen Knaben im Alter von acht

bis neun Jahren mit schwarzem Haar und gewölbter runder Stirn und bring ihn hierher!

Aber sofort!«

Giddenem kehrte bald zurück und brachte einen Knaben mit, ein armseliges Kind, mager und dabei aufgedunsen. Seine Haut sah ebenso grau aus wie die häßlichen Lappen, die um seine Hüften hingen. Sein Kopf steckte zwischen den Schultern. Mit dem Handrücken rieb er sich die Augen, die voller Schmutz waren.

Wie hätte man diesen Jungen je mit Hannibal verwechseln können! Doch es war keine

Zeit mehr, einen andern zu holen. Hamilkar blickte Giddenem an. Am liebsten hätte er ihn erwürgt.

»Pack dich!« schrie er.

Der Sklavenaufseher verschwand.

So war das Unglück, das er so lange gefürchtet, also hereingebrochen! Er gab sich die

erdenklichste Mühe, einen Ausweg zu ersinnen.

Abdalonim ward hinter der Tür hörbar. Man verlangte nach dem Suffeten. Die Schergen

Molochs seien ungeduldig.

Hamilkar unterdrückte einen Schrei. Es war ihm, als wenn er mit glühendem Eisen gefoltert würde. Von neuem begann er wie ein Rasender im Zimmer auf und ab zu laufen.

Dann brach er am Geländer zusammen und preßte die Stirn in seine geballten Fäuste.

Die Porphyrwanne enthielt noch etwas klares Wasser für Salambos Waschungen. Trotz

seines Widerwillens und all seines Hochmutes tauchte der Suffet das Kind eigenhändig hinein und begann es wie ein Sklavenhändler zu waschen und mit Bürsten und mit rotem

Ocker zu reiben. Dann entnahm er den Wandschränken zwei viereckige Stück Purpur, legte ihm eins auf die Brust, das andre auf den Rücken und befestigte sie über den Schlüsselbeinen mit zwei Diamantspangen. Er goß dem Jungen noch Parfüm über den Kopf, legte ihm eine Bernsteinkette um den Hals und zog ihm Sandalen mit

perlengeschmückten Absätzen an, die Sandalen seiner Tochter. Dabei stampfte er vor Scham und Wut. Salambo, die ihm eifrig behilflich war, sah ebenso blaß aus wie er. Das Kind lachte, entzückt über all die Herrlichkeiten. Es ward dreister und begann in die Hände zu klatschen und zu springen. Da zog Hamilkar es fort. Mit starker Hand hielt er es am Arme fest, als fürchte er, es zu verlieren. Da dies dem Kinde weh tat, begann es zu weinen, während es neben ihm herlief.

In der Nähe des Gefängnisses, unter einem Palmenbaum, stammelte eine klägliche flehende Stimme:

»Herr! Ach, Herr!«

Hamilkar wandte sich um und erblickte neben sich einen widerlich aussehenden Menschen, einen der Arbeitsunfähigen, die im Hause hinvegetierten.

»Was willst du?« fragte der Suffet.

Der Sklave, wie Espenlaub zitternd, stotterte:

»Ich bin sein Vater!«

Hamilkar schritt weiter. Der Mensch folgte ihm mit gekrümmtem Rücken,

schlotternden Knien und vorgestrecktem Halse. Unsägliche Angst verzerrte sein Gesicht.

Unterdrücktes Schluchzen erstickte seine Stimme. Es drängte ihn gleichzeitig, den Suffeten zu fragen und ihn um Gnade anzuflehen.

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