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geheimnisvoller Schimmer, wie ihn die haben, die zu großen Taten vorbestimmt sind. Als er seinen schweren Mantel abgeworfen hatte, stand er in einem Luchsfell da, das seine Hüften umkleidete, und stampfte mit seinen kleinen bloßen Füßen, die weiß vom Staube

waren, fest auf die Fliesen. Offenbar erriet er, daß man wichtige Dinge verhandelte, denn er blieb unbeweglich stehen, eine Hand auf dem Rücken und den Kopf gesenkt, einen Finger im Munde.

Endlich winkte Hamilkar Salambo zu sich und sagte leise zu ihr:

»Du wirst ihn bei dir behalten, verstehst du? Niemand, selbst keiner im Hause, darf um sein Dasein wissen!«

Hinter der Tür fragte er Iddibal noch einmal, ob er sicher sei, daß ihn niemand mit dem Knaben erblickt habe.

»Sicherlich niemand!« versetzte der Sklave. »Die Straßen waren leer.«

Da sich der Krieg über alle Provinzen ausdehnte, hatte Iddibal um den Sohn seines Herrn Angst bekommen, und da er nicht wußte, wo er ihn verbergen sollte, war er in einem Boot an der Küste entlang gefahren. Drei Tage lang hatte er im Golf gekreuzt und die Wälle beobachtet. Endlich, an diesem Abend, da die Umgebung des Khamontempels

menschenleer war, hatte er die Durchfahrt schnell passiert und war am Arsenal gelandet.

Der Hafeneingang war noch frei. Nicht viel später freilich legten die Barbaren ein riesiges Floß davor, um den Karthagern die Ausfahrt zu sperren. Außerdem errichteten sie hölzerne Türme. Gleichzeitig stieg auch der Erdwall empor.

Die Verbindung nach außen war nunmehr abgeschnitten, und eine unerträgliche

Hungersnot begann.

Man schlachtete alle Hunde, Maultiere und Esel, dann auch die fünfzehn Elefanten, die der Suffet zurückgebracht hatte. Die Löwen des Molochtempels waren toll geworden, und die Tempeldiener wagten sich nicht mehr an sie heran. Man fütterte sie anfangs mit verwundeten Barbaren. Dann warf man ihnen Tote vor, die noch warm waren. Aber die Bestien verschmähten sie, und so starben sie sämtlich. In der Dämmerung irrten Leute längs der alten Mauern zwischen der Altstadt und Megara hin und pflückten zwischen den Steinen Kräuter und Blumen, die sie in Wein kochten. Wein war billiger als Wasser geworden. Andre schlichen sich bis zu den feindlichen Vorposten und drangen in die Zelte, um Nahrungsmittel zu rauben. Die Barbaren waren darüber so verblüfft, daß sie die Dreisten bisweilen entkommen ließen. Endlich kam der Tag, an dem die Alten beschlossen, die Rosse Eschmuns heimlich zu schlachten. Das waren heilige Tiere, deren

Mähnen die Priester mit goldenen Bändern durchflochten. Sie versinnbildlichten die Bewegung der Sonne, die Idee des Feuers in seiner höchsten Gestalt. Ihr Fleisch wurde in gleichgroße Stücke zerlegt und hinter dem Altar vergraben. Fortan kamen die Alten, irgendeine Andacht vorschützend, allabendlich zum Tempel hinauf und sättigten sich verstohlen. Auch nahmen sie unter ihrem Gewande Stücke für ihre Kinder mit. In den einsamen Stadtvierteln, die weit von den Mauern ablagen, hatten sich die weniger Notleidenden aus Furcht vor den andern verrammelt.

Die Steine der feindlichen Geschütze und die Zerstörungen, die zur Verteidigung der Stadt angeordnet worden waren, hatten die Straßen mit Schutt und Trümmern erfüllt. In den ruhigeren Stunden zogen oft schreiende Volksmassen durch. Von der Höhe der Burg

betrachtet, sahen die Feuersbrünste wie hie und da auf die flachen Dächer geworfene Purpurtücher aus, die im Winde zu flattern schienen.

Trotz aller andern Arbeiten ruhten die drei schwersten Geschütze der Belagerer nicht.

Die Verheerungen, die sie anrichteten, waren außerordentlich. So ward der Kopf eines Mannes bis an den Giebel der Syssitien geschleudert. In der Kinisdostraße ward eine Wöchnerin von einem herabfallenden Marmorblocke zerschmettert und ihr Kind mitsamt

dem Tragekissen bis zum Kinasyner Schlag geworfen, wo man die Decke wiederfand.

Am unangenehmsten aber waren die Schleuderkugeln. Sie fielen auf die Dächer, in die

Gärten und in die Höfe, während man ängstlich beim kargen Mahle saß. Die furchtbaren

Geschosse trugen eingeritzte Buchstaben, die sich in das Fleisch eindrückten. So konnte man auf der Haut von Toten Schimpfworte lesen wie: »Schwein!« »Raubtier!« »Dreck!«

oder Spöttereien wie: »Fang mich!« oder »Ich habs verdient!«

In den Teil des Walles, der vor den Zisternen lag, wurden Breschen gelegt. Dadurch sahen sich die Bewohner von Malka zwischen der alten Mauer, die Megara von der Altstadt trennte, zur Rechten, den Mauern des Burgbezirks im Rücken und den Barbaren

von vorn eingekeilt. Doch man hatte genug zu tun, die Innenmauer am Burgberge instand zu setzen und sie so hoch wie möglich zu machen. Man konnte sich nicht um arme Leute

kümmern und ließ sie im Stiche. Sie kamen alle um. Obgleich sie allgemein verhaßt waren, erregte das doch einen großen Abscheu gegen Hamilkar.

Am Tage darauf öffnete er die Keller, in denen er sein Getreide aufbewahrte. Seine Verwalter verteilten es unter das Volk. Drei Tage lang stopfte man sich damit voll.

Der Durst ward nun erst recht unerträglich. Dabei hatte man immerfort die große Kaskade vor Augen, in der das klare Wasser der zerstörten Leitung herabplätscherte.

Wenn die Sonne ihre Strahlen darauf warf, umhüllte ein feiner Nebel den Wasserfall, und ein Regenbogen schwang sich darüber. Ein kleiner Bach aber schlängelte sich durch die Ebene und ergoß sich in das Haff.

Hamilkar verlor den Mut nicht. Er rechnete auf ein Ereignis, auf etwas Entscheidendes, auf ein Wunder. Seine Sklaven rissen die silbernen Platten vom Melkarthtempel. Im Hafen zog man vier große Transportschiffe ans Land, schaffte sie auf Walzen bis an das Ende der Straße der Mappalier und durchbrach dort die Mauer zwischen Straße und Meer. Die Schiffe gingen von da aus nach Gallien in See, um dort um jeden Preis Söldner anzuwerben. Hamilkar war noch immer zu seinem großen Arger vom Numidierfürsten abgeschnitten, obwohl er wußte, daß Naravas hinter den Barbaren stand, bereit, ihnen in

den Rücken zu fallen. Naravas war aber allein zu schwach und konnte keinen Angriff wagen. Der Suffet ließ den Wall um drei Meter erhöhen, alles Kriegsgerät aus den Zeughäusern nach der Burg schaffen und die Geschütze abermals ausbessern.

Zu den Spannerven der Steingeschütze benutzte man Genicksehnen von Stieren oder Sprungsehnen von Hirschen. Nun aber gab es in Karthago weder Hirsche noch Stiere mehr. Hamilkar forderte daher von den Alten das Haupthaar ihrer Frauen. Alle opferten es. Doch das genügte noch nicht. In den Gebäuden der Syssitien befanden sich zwölfhundert mannbare Sklavinnen, die für die Prostitution in Griechenland und in Italien bestimmt waren und deren Haar, sehr geschmeidig durch den Gebrauch von Salben, vorzüglich geeignet gewesen wäre. Doch der Verlust hätte sich später zu fühlbar gemacht.

Daher ward beschlossen, unter den Frauen der Plebejer das schönste Haar auszuwählen.

Aber gleichgültig gegen die Bedürfnisse des Vaterlandes schreien sie verzweifelt, als die Schergen der Hundertmänner mit Scheren kamen und Hand an sie legten.

Vermehrte Wut beseelte die Barbaren. Man sah von weitem, wie sie Leichenfett ausschmolzen, um ihre Maschinen damit zu ölen. Andre rissen den Toten die Nägel von

den Händen und Füßen und nähten sie Stück für Stück aneinander, um Panzer herzustellen. Man kam auf den Einfall, Gefäße voll Schlangen, die von Negern herbeigebracht wurden, in die Ballisten zu laden. Die so in die Stadt geschleuderten Tontöpfe zerbrachen auf dem Pflaster, die Schlangen schlüpften heraus und waren schließlich in solchen Mengen anzutreffen, daß es aussah, als kämen sie aus den Mauern.

Fortwährend verbesserten die Barbaren ihre Erfindungen, da sie ihnen noch immer nicht genügten. Sie schleuderten Unrat aller Art, Menschenkot, Stücke von Aas und Leichen.

Die Pest brach in der Stadt aus. Den Karthagern fielen die Zähne aus dem Munde, und ihr Zahnfleisch ward blaß, wie das der Kamele nach einer allzu weiten Reise.

Die Maschinen wurden auf dem Erdwall aufgestellt, obwohl er noch nicht überall die Höhe der Stadtmauer erreicht hatte. Vor den dreiundzwanzig Steintürmen erhoben sich dreiundzwanzig hölzerne. Alle Tollenonen waren instand gesetzt, und etwas hinter ihrer Linie ragte die furchtbare »Helepolis«, eine Erfindung von Demetrius Poliorketes, eine fahrbare Riesenbatterie, die Spendius mühselig nachkonstruiert hatte. Sie hatte die Gestalt einer oben abgestumpften Pyramide, ähnlich wie der Leuchtturm von Alexandria. Die Seitenlänge ihrer quadratischen Basis betrug fünfundzwanzig Meter, ihre Höhe fünfzig Meter. Sie bestand aus neun Stockwerken, eins immer kleiner, im Durchmesser wie in der Höhe, als das andre. Die Front und die beiden Seiten waren mit Eisenblech ausgeschlagen und mit zahlreichen Schießscharten versehen. Diese Scharten waren durch bewegliche Lederpolster gedeckt. Der ganze Turm war voller Soldaten und durch sechsundzwanzig Geschütze, darunter zehn schwere, armiert.

Jetzt ließ Hamilkar Kreuze aufrichten, an die jeder kommen sollte, der von Übergabe rede. Sogar Frauen wurden als Soldaten eingestellt. Man schlief auf den Straßen und wartete voller Bangigkeit.

Eines Morgens kurz vor Sonnenaufgang – es war am siebenten Tage des Monats Nyssan – vernahm man in der Stadt ein ungeheures Geschrei, das alle Barbaren draußen

zugleich ausstießen. Die bleiernen Fanfaren schmetterten dumpf, und die großen paphlagonischen Hörner brüllten wie Stiere. Alles sprang auf und eilte nach dem Walle.

Ein Wald von Lanzen, Spießen und Schwertern wälzte sich heran und brandete an die Mauern. Sturmleitern wurden angelegt, und in den Scharten der Brustwehren tauchten Barbarenköpfe auf.

Balken, von langen Menschenreihen getragen, rannten gegen die Tore. An den Stellen,

wo kein Erdwall gegenüberstand, rückten die Söldner in geschaffenen Kompagnien zur Zerstörung der Mauer heran. Das erste Glied warf sich nieder, das zweite beugte ein Knie, und die übrigen duckten sich stufenweise immer weniger, so daß die letzten ganz aufrecht standen, während an andern Stellen, wo man dadurch eine Art Treppe schaffen wollte, die Aufrechtstehenden zuvorderst und die Liegenden zuhinterst standen. Alle drückten mit der Linken den Schild auf ihren Helm und hielten die Ränder so dicht zusammen, daß sie wie ein Haufen großer Schildkröten aussahen. An diesen schrägen Dächern glitten die Geschose ohnmächtig ab.

Die Karthager schleuderten Mühlsteine, Mörserkeulen, Bottiche, Tonnen und

Bettstellen herab, alles, was Gewicht hatte und jemanden erschlagen konnte. Manche lauerten mit Netzen an den Scharten, und wenn ein Barbar erschien, ward er von den Maschen umstrickt und wie ein zappelnder Fisch gefangen. Man warf sogar die Zinnen um. Die Mauerstücke stürzten hinab und wirbelten große Staubwolken auf. Die schweren

Geschütze auf den Wällen beschossen sich gegenseitig. Ihre Steine prallten in der Luft gegeneinander und zerschellten in tausend Stücke, wodurch die Kämpfer vou einem dichten Steinsplitterhagel überschüttet wurden.

Bald bildeten die beiden feindlichen Massen nur noch einen einzigen Strom von Menschenleibern, der den Raum zwischen den beiden Wällen erfüllte und, an den Rändern etwas dünner, beständig hin und her wogte, ohne seinen Platz zu verlassen. Man umschlang sich, auf dem Boden liegend, wie Ringer. Mau zertrat einander. Weiber neigten sich über die Zinnen und heulten laut. Mau zog sie an ihren Schleiern hinab, und ihre plötzlich entblößten weißen Leiber glänzten in den Armen der Neger, die ihnen den Dolch ins Gekröse stießen. In dem ungeheuren Gedränge fielen die Toten nicht um. Von den Schultern der Lebendigen hochgehalten, gingen sie noch eine Weile aufrecht weiter, mit starren Augen. Manche, denen beide Schläfen von einem Wurfspieß durchbohrt waren, wiegten den Kopf wie Bären. Zum Schreien geöffnete Lippen blieben aufgesperrt.

Abgehauene Hände flogen umher. Es fielen mächtige Streiche, von denen die

Überlebenden noch lange sprachen.

Are sens