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Es bedurfte jedoch noch mehrerer Tage, ehe man die Zurüstungen vollendet hatte. Die

durch ihre Niederlagen gewitzigten Söldner wollten sich nicht in nutzlosen Kämpfen opfern. Man hatte beiderseits keine Eile, wohl wissend, daß der Kampf furchtbar werden und mit Sieg oder völliger Vernichtung enden mußte.

Karthago konnte lange Widerstand leisten. Seine breiten Mauern hatten eine Reihe vorspringender Basteien; eine Anlage, zur Abwehr von Stürmen sehr vorteilhaft.

Nach der Totenstadt zu war freilich ein Teil der Mauer eingestürzt, und in dunklen Nächten sah man durch die verfallenen Stellen die Lichter in den Hütten von Malka, die hie und da höher lagen als die Wälle.

Hier hausten auch die von Matho vertriebenen Weiber der Söldner mit ihren neuen Gatten. Als sie ihre alten Männer wiedersahen, konnten sie nicht widerstehen. Sie winkten von weitem mit ihren Tüchern, kamen dann in der Dunkelheit an die Mauerlücken, um mit den Söldnern zu plaudern, und eines Morgens ward dem Großen Rat vermeldet, daß sie allesamt entflohen waren. Die einen hatten sich zwischen den Steinen hindurchgezwängt, andre, beherztere, sich an Stricken hinabgelassen.

Endlich beschloß Spendius, einen bestimmten Plan auszuführen.

Der Krieg, der ihn von Karthago ferngehalten, hatte ihn bisher daran gehindert, und seitdem er wieder vor der Stadt lag, schien es ihm, als ob die Einwohner sein Vorhaben ahnten. Bald jedoch verminderten sie die Posten auf der Wasserleitung. Man branchte die Leute zur Verteidigung der Mauern.

Der einstige Sklave übte sich mehrere Tage lang im Bogenschießen, indem er auf die Flamingos am Haff jagte. Dann, an einem mondhellen Abend, bat er Matho, mitten in der Nacht ein großes Strohfeuer anzünden und gleichzeitig seine Leute ein lautes Geschrei erheben zu lassen. Begleitet von Zarzas ging er sodann am Ufer hin, in der Richtung auf Tunis.

In Höhe mit dem letzten freistehenden Bogen des Aquädukts bogen sie nach rechts und

gingen stracks auf ihn zu. Das Terrain bot keine Deckung. Sie krochen bis an den Unterbau der Pfeiler.

Die Posten oben auf der Plattform schritten ruhig auf und ab.

In diesem Augenblicke loderten in der Ferne hohe Flammen auf, und Trompeten erklangen. Die Posten glaubten, der Feind mache einen Sturmangriff, und eilten der Stadt zu.

Ein einziger war zurückgeblieben. Er hob sich schwarz vom Himmel ab. Der Mond stand gerade hinter ihm, und der riesige Schatten des Mannes fiel weit über die Ebene, einem wandelnden Obelisken gleich.

Die beiden Söldner warteten, bis der Posten schräg über ihnen stand. Da griff Zarzas nach seiner Schleuder. Doch aus Vorsicht oder aus Blutgier hielt Spendius ihn zurück.

»Nicht doch! Das Schwirren der Tonkugel macht zu viel Lärm! Ich wills tun!«

Er spannte seinen Bogen mit aller Kraft, indem er das eine Ende gegen die große Zehe

seines linken Fußes stemmte. Dann zielte er. Der Pfeil flog ab.

Der Mann fiel nicht herunter, aber er verschwand. »Wäre er verwundet, so würden wir

ihn hören!« meinte Spendius.

Mit Hilfe eines Seiles und einer Harpune, ganz wie das erstemal, kletterte er nun eiligst von Stockwerk zu Stockwerk hinauf. Als er oben neben dem Erschossenen stand, ließ er

das Seil hinab. Der Balearier band einen Hammer und eine Hacke daran und kehrte in das Lager zurück. Die Trompeten waren verstummt. Alles war wieder ruhig. Spendius hatte eine der Steinplatten aufgehoben, war ins Wasser gestiegen und hatte den Gang über sich wieder geschlossen.

Indem er die Entfernung nach der Zahl seiner Schritte berechnete, gelangte er zu einer bestimmten Stelle, wo er ehedem einen kleinen senkrechten Spalt in der Mauer bemerkt hatte. Dort arbeitete er drei Stunden lang bis zum Morgen ununterbrochen und fanatisch, wobei er durch die Fugen der Deckplatten mühsam Luft schöpfte, öfters von Atemnot befallen ward und sich zwanzigmal dem Tode nahe wähnte. Endlich krachte es. Ein riesiger Steinblock stürzte, von Stockwerk zu Stockwerk fallend, hinab, und plötzlich ergoß sich ein Katarakt, ein voller Wasserstrom aus den Lüften hinab in die Ebene. Die durchbrochene Wasserleitung entleerte sich. Das war der Tod für die Stadt und der Sieg für die Barbaren!

Bald darauf waren die Karthager alarmiert und erschienen auf den Mauern, den Häusern, den Tempeln. Die Barbaren stürzten laut jubelnd herbei. Wie rasend umtanzten sie den großen Wasserfall und tauchten im Übermaß ihrer Freude die Köpfe in die Fluten.

Auf der Höhe des Aquädukts bemerkte man einen Mann in brauner, zerrissener Tunika.

Die Hände in die Hüften gestemmt, beugte er sich über den Rand und schaute hinab, wie erstaunt über sein eigen Werk.

Dann richtete er sich hoch auf und ließ seinen Blick stolz über den Horizont schweifen, als wolle er sagen:

alles ist jetzt mein!« Die Karthager, die ihr Unglück voll begriffen, heulten vor Verzweiflung. Da begann Spendius auf der Plattform von einem Rande zum andern zu laufen, und wie ein Wagenlenker, der bei den olympischen Spielen triumphiert, hob er im Rausche seines Stolzes die Arme gen Himmel.

13

Kapitel

Moloch

Nach dem Innern des Landes zu bedurften die Barbaren keines Walles. Das Hinterland war in ihrer Gewalt. Um aber leichter an die Mauern der Stadt heranzukommen, zerstörte man die vor dem Wallgraben angelegte Brustwehr. Die Stellungen seiner Truppen ordnete Matho in einem großen Halbkreise an und schloß damit Karthago an der Landseite vollständig ab. Das schwere Fußvolk der Söldner stellte er in das vorderste Treffen, weiter hinter die Schleuderer und die Reiterei und zuhinterst das Gepäck, die Wagen und die Pferde. Vor der ganzen Heeresmasse, dreihundert Schritte von den Türmen Karthagos entfernt, standen die Geschütze und Belagerungsmaschinen.

Bei der unendlichen Mannigfaltigkeit ihrer Benennungen, die im Laufe der

Jahrhunderte mehrfach gewechselt hatten, konnte man die Geschütze immerhin noch in zwei Systeme gliedern: in Geschütze mit Horizontalspannung und in solche mit Winkelspannung. Die ersteren, die Katapulte oder Pfeilgeschütze, schossen lediglich Pfeile, auch Brandpfeile. Die andern, die Ballisten oder Steinböller, warfen Steinkugeln oder nach ihrem Gewicht genau abgemessene Steine, auch mächtige balkenartige Pfeile.

Die Katapulte hießen auch Skorpione.

Daneben gab es noch Schleudergeschütze, die Onager, so genannt nach den Wildeseln,

die mit ihren Hinterhüfen Steine werfen.

Die Erbauung aller dieser schweren Geschütze erforderte wissenschaftliche

Berechnungen. Das Holz mußte von den härtesten Sorten sein. Sämtliche feineren Teile waren aus Erz. Die größeren Kaliber wurden nicht mit der Hand gespannt, sondern durch Flaschenzüge und dergleichen. Die grobe Seitenrichtung der großen Geschütze wurde durch lange Richtbäume genommen. Die Fortbewegung erfolgte auf Walzen. Die größten,

die man stückweise herbeischaffte, wurden erst angesichts des Feindes zusammengesetzt.

Spendius richtete seine drei größten Steinböller gegen die drei Hauptvorsprünge der Mauer. Vor jedes Tor stellte er einen Widder, vor jeden Turm ein Pfeilgeschütz. Die Karroballisten, das waren die Geschütze auf fahrbaren Lafetten, fuhren weiter hinten auf.

Sie überschossen die vorderen. An den Stellen, wo man die Geschütze aus den Schanzen

herausschob, mußte man vorher den Graben zuschütten.

Alle diese Maschinen mußte man gegen das Feuer der Belagerten schützen. Man schob

Lauben aus Reisig und sogenannte Schildkröten aus Eichenholz vor, die riesigen Schilden glichen und auf drei Rädern liefen. Kleine, mit frischen Häuten überzogene und mit Seegras gepolsterte Hütten deckten die Bedienungsmannschaft. Die Katapulte und Ballisten schützte man durch Seilvorhänge, die in Essig getaucht waren, um sie unverbrennbar zu machen. Frauen und selbst Kinder halfen den Geschützbedienungen, indem sie die nötigen Steine suchten und herbeischleppten.

Die Karthager rüsteten sich gleichfalls.

Hamilkar hatte sie rasch beruhigt, indem er erklärte, daß in den Zisternen Wasser für hundertdreiundzwanzig Tage vorhanden sei. Diese Versicherung, seine Gegenwart und namentlich die des heiligen Mantels machten die Stadt guten Mutes. Sie erholte sich von ihrer Bestürzung, und auch die Einwohner nicht kanaanitischer Herkunft wurden durch den Eifer der andern mit fortgerissen.

Man bewaffnete die Sklaven. Man leerte die Zeughäuser. Jeder Bürger erhielt sein Amt

und seinen Posten. Von den Überläufern waren noch zwölfhundert da. Der Suffet ernannte sie sämtlich zu Unteroffizieren. Die Waffen-, Grob- und Goldschmiede wurden in den Geschützwerkstätten angestellt. Die Karthager besaßen noch einige schwere Geschütze, den Friedensbedingungen mit den Römern zuwider. Mau setzte sie wieder instand. Die Handwerker verstanden sich darauf.

Die Nord- uud Ostseite der Stadt, durch das Meer und den Golf geschützt, waren uneinnehmbar. Auf die von den Barbaren belagerte Mauer auf der Landenge schaffte man

Baumstämme, Mühlsteine, Bottiche mit Schwefel, und Fässer voll Öl. Man erbaute Ofen,

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