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»Was hält dich auf?« rief Spendius. »Eile! Vorwärts! Der Marschall wird uns entrinnen!

Was? Deine Knie zittern? Du schaust mich an wie ein Trunkener!«

Er stampfte vor Ungeduld und trieb Matho an. Und indem er die Augen aufriß, als erblicke er plötzlich ein lang erstrebtes Ziel, setzte er hinzu:

»Ah! Da sind wir! Da sind wir! Wir haben sie!«

Spendius hatte ein so selbstbewußtes, triumphierendes Aussehn, daß Matho in aller seiner Herzensnot erstaunte und sich fortgerissen fühlte. Die Worte des Griechen trafen ihn im Augenblicke tiefster Trübsal, verwandelten seine Verzweiflung in Rachgier und zeigten seiner Wut eine Beute. Er rannte zu einem der Kamele, die bei der Bagage liefen, riß ihm die Halfter ab und schlug mit dem langen Riemen aus Leibeskräften auf die Nachzügler ein. Abwechselnd lief er rechts und links um die Nachhut herum, wie ein Schäferhund, der eine Herde vorwärts treibt.

Auf seine donnernden Zurufe schlossen sich die Reihen enger zusammen. Selbst die Lahmen beschleunigten ihren Schritt. Auf der Mitte der Landenge nahm der Abstand zwischen beiden Heeren immer mehr ab. Die Vorhut der Barbaren marschierte bereits im

Staube der Karthager. Bald waren sie einander ganz nahe und berührten sich beinahe.

Doch da taten sich das Malkaer Tor, das Tangaster Tor und das große Khamontor auf. Die punischen Massen teilten sich. In drei Kolonnen strömten sie hinein und drängten sich in die Gewölbe. Dabei wurde aber das Gewühl so groß, daß schließlich niemand mehr vorwärts kam. Die Lanzen stießen in der Luft aneinander, während die Pfeile der Barbaren gegen die Mauern prallten.

Am Khamontor erblickte man Hamilkar. Er wandte sich um und rief seinen Leuten zu,

Platz zu machen. Er selber saß ab und jagte sein Pferd, indem er es mit dem Schwert in die Kruppe stach, den Barbaren entgegen.

Es war ein oringischer Hengst, den man mit Mehlklößen fütterte und der in die Knie sank, wenn sein Herr aufsitzen wollte. Warum trieb ihn Hamilkar zurück? Wollte er damit ein Opfer bringen?

Das mächtige Tier galoppierte mitten in die feindlichen Lanzen hinein, riß Soldaten um, verwickelte sich mit den Füßen in seine Eingeweide, stürzte, sprang dann mit wütenden Sätzen wieder auf, und während die Soldaten beiseitesprangen, es aufzuhalten suchten

oder verblüfft zusahen, kamen die Karthager wieder in Ordnung und zogen durch das riesige Tor ein, das sich dröhnend hinter ihnen schloß.

Es gab nicht nach. Die Barbaren drängten dagegen an, und ein paar Minuten lang lief

durch das Heer vom Anfang bis zum Ende eine Wellenbewegung, die allmählich verebbte

und endlich ganz aufhörte.

Die Karthager hatten auf die Wasserleitung Soldaten gestellt, die Steine, Kugeln und Balken zu schleudern begannen. Spendius machte den Söldnern klar, daß sie nicht halsstarrig sein dürften. Sie lagerten sich nunmehr in größerer Entfernung, alle fest entschlossen, Karthago zu erobern.

Mittlerweile war das Gerücht von dem Kriege über die Grenzen des punischen Reiches

hinausgedrungen. Von den Säulen des Herkules bis über Kyrene hinaus träumten die Hirten davon, während sie ihre Herden weideten, und die Karawanen plauderten nachts darüber beim Sternenschein. Es gab also Menschen, die es wagten, das große Karthago anzugreifen, die Stadt, die so glänzend war wie die Sonne und furchtbar wie ein Gott! Die Königin der Meere! Man hatte schon mehrfach ihren Sturz verkündet, und alle hatten daran geglaubt, weil alle ihn wünschten: die unterworfenen Völkerschaften wie die zinspflichtigen Dörfer, die verbündeten Provinzen wie die unabhängigen kleinen Stämme, kurzum alle, die Karthagos Tyrannei haßten, es um seine Macht beneideten oder seine Schätze begehrten. Die Tapfersten hatten sich auf der Stelle den Söldnern angeschlossen.

Die Niederlage am Makar hatte dann allerdings die übrigen zurückgeschreckt, aber schließlich hatten sie wieder Mut gefaßt, waren allmählich vorgerückt und näher gekommen, und jetzt standen die Männer aus den östlichen Gegenden in den Dünen von

Klypea jenseits des Golfes. Sobald sie die Barbaren erblickten, kamen sie zum Vorschein.

Es waren nicht die Libyer aus der Umgegend Karthagos – diese bildeten schon lange das dritte Heer – , sondern Nomaden aus der Hochebene von Barka, die Banditen vom Kap Phiskus und vom Vorgebirge Derne, aus Phazzana und Marmarika. Sie hatten die Wüste durchzogen und aus den Brackwasserbrunnen getrunken, die aus Kamelsknochen aufgemauert sind. Die Zuaesen, mit Straußenfedern überladen, waren auf Viergespannen gekommen. Die Garamanten, einen schwarzen Schleier vor dem Gesicht, ritten rücklings

auf ihren angemalten Stuten. Andre kamen auf Eseln, Wildeseln, Zebras oder Büffeln herbei. Manche schleppten neben ihren Familien und Götzenbildern auch die Dächer ihrer bootförmigen Hütten mit. Man sah Ammoniter, deren Haut durch das Wasser der heißen

Quellen runzlig war, Ataranten, die die Sonne verfluchen, Troglodyten, die ihre Toten lachend unter Baumzweigen bestatten, ferner scheußliche Auseer, die Heuschrecken essen, Achyrmachiden, die Läuse verzehren, und Gysanten, die mit Zinnober bemalt sind und Affenfleisch essen.

Alle hatten sich am Meeresufer in einer langen Breitkolonne aufgestellt. Sie rückten nun näher wie Sandwolken im Wirbelwind. Auf der Mitte der Landenge machten die Scharen Halt, da die Söldner, die vor ihnen unter den Stadtmauern lagerten, sich nicht von der Stelle rührten.

Dann tauchten von Ariana her die Männer des Westens auf, Numidier. Naravas beherrschte nämlich nur die Massylier, und da ihnen überdies die Sitte gestattete, nach Mißerfolgen ihren Häuptling zu verlassen, so hatten sie sich am Zaineflusse versammelt

und ihn bei der ersten Rückwärtsbewegung Hamilkars überschritten. Zuerst kamen die Jäger vom Maleluth-Baal und den garaphischen Bergen, die Löwenfelle trugen und ihre kleinen, mageren, langmähnigen Pferde mit dem Schaft ihrer Lanzen lenkten. Hinter ihnen marschierten die Gätuler an, in Kollern aus Schlangenhaut, dann die Pharusier, mit hohen Kränzen aus Wachs und Harz auf den Köpfen, und endlich die Kauner, Makarer und Tillabaren, alle bewaffnet mit zwei Wurfspießen und einem runden Schild aus Flußpferdhaut. Sie machten am Fuße der Totenstadt an der Lagune Halt.

Als die Libyer vorgerückt waren, erblickte man an der Stelle, wo sie gestanden hatten, eine Masse Neger, die wie eine schwarze sich am Boden hinwälzende Wolke aussahen.

Sie waren aus dem weißen und schwarzen Harudsch, der augylischen Wüste, ja selbst aus dem fernen Agazymba gekommen, einem großen Reiche, das hundertundzwanzig

Tagereisen und noch weiter südlich von den Garamanten lag. Mit ihren Schmuckstücken

aus rotem Holz und ihrer schmutzigen schwarzen Haut glichen sie reifen Maulbeeren, die lange im Staube gerollt sind. Sie trugen Hosen aus Rindenfasern, Röcke aus getrockneten Gräsern und die Köpfe wilder, die Rachen aufsperrender Tiere. Indem sie wie Wölfe heulten, schwenkten sie Stangen, an denen Metallringe klirrten, und Kuhschwänze, die wie Wimpel an Stöcken flatterten.

Hinter den Numidiern, Maurusiern und Gätulern drängten die gelbfarbigen Männer aus

den jenseits von Taggir gelegenen Zedernwäldern heran. Köcher aus Katzenfell hingen auf ihrem Rücken. Sie führten an Leinen riesige Hunde, die so groß waren wie Esel und nicht bellten.

Aber als ob Afrika noch nicht genügend Menschen gespendet und als ob man, um alle

bösen Triebe zu versammeln, selbst der Hefe der Völker bedurft hätte, sah man hinter allen diesen noch blödsinnig grinsende Menschen mit Schafsprofilen, Elende, die durch widerliche Krankheiten entstellt waren, verkrüppelte Zwerge, Mischlinge von

zweifelhaftem Geschlecht, Albinos, die mit roten Augen in die Sonne blinzelten. Sie stammelten unverständliche Laute und steckten die Finger in den Mund, zum Zeichen, daß sie Hunger hätten.

Der Wirrwarr der Waffen war nicht geringer als das Chaos der Trachten und Völker.

Kein Mordwerkzeug fehlte, von den hölzernen Dolchen, den Steinbeilen und

elfenbeinernen Dreizacken bis zu den langen, dünnen, sägeartig gezähnten Säbeln, die aus biegsamen Kupferstreifen gefertigt waren. Man schwang Säbel, die wie Antilopenhörner

in mehrere Spitzen ausliefen, Messer, die an einem langen Strick befestigt waren, eiserne Triangel, Keulen und Kolben. Die Äthiopier vom Bamboflusse trugen kleine vergiftete Dolche im Haar versteckt. Manche hatten Steine in Säcken mitgebracht. Andre waren mit leeren Händen gekommen und klapperten mit ihrem Gebiß.

Ein unaufhörliches Wogen ging durch diese Massen. Dromedare, wie Schiffe über und

über mit Teer bestrichen, rissen die Weiber um, die ihre Kinder auf dem Rücken trugen.

Mundvorräte fielen aus Körben. Man trat auf Salzstücke, Säckchen mit gedörrtem Speck, verdorbene Datteln und Gurunüsse. Zuweilen sah man auf einer von Ungeziefer starrenden Brust an einer dünnen Schnur Diamanten, nach denen Satrapen gefahndet hätten, schier fabelhafte Steine, die ein Königreich wert waren. Die meisten wußten kaum, was sie eigentlich wollten. Ein rätselhafter Zauber, die Gier nach Neuem, trieb sie her.

Nomaden, die noch nie eine Stadt gesehen, empfanden Furcht vor dem Schatten der

Mauern.

Die Landenge war von der Menschenmenge völlig bedeckt, und diese breite Masse, aus

der die Zelte hervorragten wie die Häusergiebel bei einer großen Überschwemmung, dehnte sich bis zu den ersten Zeltreihen des waffenblinkenden eigentlichen Söldnerlagers, das zu beiden Seiten des hohen Aquädukts planmäßig aufgeschlagen war.

Die Karthager waren noch voller Entsetzen über das Erscheinen ihrer Feinde, da sahen

sie schon, gleich Ungeheuern oder wandelnden Häusern, die von den tyrischen Städten geschickten Belagerungsmaschinen mit ihren Masten, Tauen, Hebeln, Hauben und

Schutzschilden geradewegs auf sich zukommen: sechzig Lafettengeschütze, achtzig Schleudergeschütze, dreißig Steinböller, fünfzig Sturmkrane, zwölf größere Widder und drei besonders schwere Ballisten, die Felsblöcke im Gewicht von sieben bis acht Zentnern schleudern konnten. Große Menschenhaufen, gegen die Untergestelle der Maschinen gestemmt, schoben sie vorwärts. Bei jedem Schritt erzitterten sie. So gelangten sie vor die Mauern.

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