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Matho war erbittert. Jede Verzögerung, jedes neue Hindernis steigerte seine Wut. Er verfiel auf fürchterliche und sonderbare Dinge. So lud er Salambo in Gedanken zu einem Stelldichein und erwartete sie dann. Sie kam natürlich nicht. Das schien ihm ein neuer Verrat, und fortan verabscheute er sie. Hätte er ihren Leichnam gesehen, so wäre er vielleicht abgezogen. Er verdoppelte die Vorposten, pflanzte am Fuße der Stadtmauern Gabeln auf, legte Fußangeln an und befahl seinen Libyern, ihm einen ganzen Wald herbeizuschaffen, den er anzünden wollte, um Karthago auszuräuchern wie einen Fuchsbau.

Spendius betrieb die Belagerung mit zäher Hartnäckigkeit. Er suchte schreckliche Maschinen zu erfinden, wie man noch nie welche hergestellt hatte.

Die übrigen Barbaren, die weiter weg auf der Landenge lagerten, wunderten sich über

die Saumseligkeit der Belagerung und begannen zu murren. Man ließ sie stürmen.

Sie berannten mit ihren Säbeln und Wurfspießen die Tore. Doch ihre nackten Leiber waren mit Leichtigkeit kampfunfähig zu machen. Die Karthager erschlugen sie in Massen, und die Söldner freuten sich darüber, ohne Zweifel aus Eifersucht in Aussicht auf die Plünderung. Zwiste und Kämpfe brachen unter den Belagerern aus. Da das Hinterland verwüstet war, fing man an, sich um die Lebensmittel zu reißen. Viele verloren den Mut, und zahlreiche Banden zogen ab. Aber die Menge war so groß, daß dies nicht in Betracht kam.

Belagerungskundige versuchten Minen zu graben. Doch Hamilkar erriet stets die Richtung der Gänge, indem er sein Ohr an einen ehernen Schild legte. Er grub in der Nacht Gegenminen an Stellen, wo die Holztürme darüber hinwegfahren mußten. Wenn man sie dann am andern Tage vorschob, brachen sie ein.

Am Ende kam man allgemein zu der Ansicht, daß die Stadt uneinnehmbar war, solange

man nicht einen langen Erdwall in gleicher Höhe mit der Stadtmauer aufwarf, der es gestattete, mit den Belagerten auf gleicher Höhe zu kämpfen. Die Wallkrone sollte gepflastert werden, um die Geschütze darauf hin und her fahren zu können.

Dann aber konnte Karthago unmöglich länger Widerstand leisten!

Die Stadt begann an Wassermangel zu leiden. Das Wasser, das zu Beginn der Belagerung zwei Kesitah das Bat gegolten hatte, kostete jetzt einen Silbersekel. Auch die Fleisch- und Kornvorräte nahmen stark ab. Man fürchtete eine Hungersnot. Manche sprachen sogar von unnützen Mäulern, was alle Welt in Schrecken setzte.

Vom Khamonplatze bis zum Melkarthtempel versperrten Leichen die Straßen; und da es

Hochsommer war, quälten große schwarze Fliegen die Kämpfenden. Greise schafften die

Verwundeten fort. Fromme feierten Scheinbegräbnisse von Verwandten und Freunden, die

draußen auf dem Schlachtfelde gefallen waren. Wachsbilder mit Haaren nnd Kleidern

lagen quer vor den Türen und schmolzen unter der Hitze der neben ihnen brennenden Kerzen. Die Bemalung lief ihnen über die Schultern. Tränen aber rannen über die Gesichter der Lebenden, die um sie herum ihre Klagelieder sangen. Währenddem lief die Menge auf den Straßen hin und her. Scharen Bewaffneter zogen vorüber. Die Hauptleute

gaben laute Befehle. Dazu hörte man immerfort den Stoß der Widder, die draußen gegen

den Wall donnerten.

Die Witterung ward so schwül, daß die Leichen aufschwollen und nicht mehr in die Särge hineinpaßten. Man verbrannte sie auf den Höfen. Doch in der Enge sprang das Feuer auf die benachbarten Wände über, und plötzlich schossen lange Flammen aus den Häusern, wie Blut, das aus einer Ader in die Höhe spritzt. So hauste Moloch in Karthago.

Er umzingelte draußen die Wälle, wälzte sich innen durch die Straßen und verzehrte alles, selbst die Toten.

Männer, die zum Zeichen ihrer Verzweiflung Mäntel aus aufgelesenen Lappen trugen,

stellten sich an den Straßenecken auf. Sie führten Reden gegen die Alten, gegen Hamilkar, weissagten dem Volke den völligen Untergang und forderten es auf, sich alles zu erlauben, alles zu zerstören. Die Gefährlichsten waren die Bilsenkrauttrinker. In ihrem Taumel hielten sie sich für wilde Tiere, sprangen die Vorübergehenden an und zerfleischten sie.

Um sie herum entstanden Aufläufe. Man vergaß darüber die Verteidigung der Stadt. Der

Suffet fand Abhilfe. Er besoldete Mitbürger, die seine Politik vertraten.

Um die Geister der Götter in Karthago festzuhalten, hatte man ihre Bildnisse an schwere Ketten gelegt. Man hüllte die Kabiren in schwarze Schleier und umhing die Altäre mit härenen Decken. Man versuchte, den Ehrgeiz und die Eifersucht der einzelnen Götter anzustacheln, indem man ihnen ins Ohr brüllte: »Du willst dich besiegen lassen!

Sind fremde Götter am Ende stärker? Ermanne dich! Hilf uns! Sonst sagen die andern Völker gar: Wo sind jetzt Karthagos Götter!«

Beständige Angst erfüllte die Priesterschaften, besonders die Priester der Mondgöttin, weil die Rückkehr des heiligen Mantels nichts genützt hatte. Sie hielten sich in der dritten Umfriedigung eingeschlossen, die uneinnehmbar war wie eine Burg. Ein einziger von ihnen wagte sich hinaus: der Oberpriester Schahabarim.

Er kam zu Salambo, verharrte jedoch entweder in tiefem Schweigen und schaute sie mit

starren Blicken an, oder er machte ihr in einer Flut von Worten härtere Vorwürfe denn je.

Infolge eines unerklärlichen Widerspruches verzieh er ihr nicht, daß sie seinen Befehlen folgsam gewesen war.

Schahabarim hatte alles erraten. Aber diese Vermutung, die nicht von ihm wich, mehrte seine ohnmächtige Eifersucht. Er beschuldigte sie, die Ursache des Krieges zu sein.

Matho, so sagte er, belagere Karthago, um den Zaimph wieder zu erobern. Dabei überschüttete er den Barbaren, der sich anmaße, heilige Dinge zu besitzen, mit Verwünschungen und Spott. Und doch wollte der Priester damit etwas ganz anderes ausdrücken.

Salambo empfand jetzt keine Furcht mehr vor ihm. Die Beängstigungen, an denen sie

früher gelitten, hatten sich verloren. Eine seltsame Ruhe erfüllte sie. Ihre Blicke waren nicht mehr unstet, und ihre Augen glänzten in klarem Feuer. Die Pythonschlange dagegen war abermals erkrankt, und da Salambo im Gegensatz zu ihr sichtlich gesünder ward, so

freute sich die alte Taanach darüber. Sie war überzeugt, daß das Tier durch sein Hinsiechen die Krankheit von ihrer Herrin nehme.

Eines Morgens fand sie es hinter seinem Lager in sich zusammengerollt, kälter als Marmor. Sein Kopf wimmelte von Würmern. Auf ihr Geschrei kam Salambo herbei. Sie

drehte die Schlange mehrere Male mit der Spitze ihrer Sandale um. Die Sklavin war erstaunt über die Gleichgültigkeit ihrer Herrin.

Hamilkars Tochter setzte auch ihr Fasten nicht mehr mit dem alten Eifer fort. Tagelang verbrachte sie oben auf dem flachen Dache des Schlosses, die Ellbogen auf die Brüstung gelehnt, und belustigte sich damit, Ausschau zu halten. Wo die Stadt zu Ende war, da hob sich der Mauerkranz mit seiner zackigen Zinnenlinie vom Himmel ab, und die Lanzen der Posten bildeten längs seiner Krone einen Stachelzaun. Jenseits der Mauern erblickte sie zwischen den Türmen die Bewegungen der Barbaren. An den Tagen, wo die Belagerung

ruhte, konnte sie sogar erkennen, was sie in ihren Lagern trieben. Sie flickten ihre Rüstungen aus, salbten sich das Haar mit Fett oder wuschen sich ihre blutigen Arme im Haff. Die Zelte waren geschlossen, die Lasttiere fraßen. Dahinter sah man die im Halbkreise aufgestellten Sichelwagen wie einen silbernen Krummsäbel am Fuße der Berge blinken. Schahabarims Worte kamen ihr wieder in den Sinn. Sie erwartete ihren Verlobten Naravas, aber trotz ihres Hasses hätte sie auch Matho gern wiedersehn mögen. In ganz Karthago war sie vielleicht der einzige Mensch, der ohne Furcht mit ihm gesprochen hätte.

Oft kam ihr Vater in ihr Gemach. Er setzte sich tiefatmend auf die Kissen und betrachtete sie mit fast zärtlicher Miene, als fände er in ihrem Anblick eine Erholung von seinen Mühsalen. Mehrfach forschte er sie über ihre Reise in das Lager der Söldner aus.

Er fragte sogar einmal, ob sie nicht doch von jemandem dazu angestiftet worden sei. Sie verneinte es durch eine Kopfbewegung. Salambo war stolz darauf, den heiligen Mantel gerettet zu haben. Immer wieder kam der Suffet unter dem Vorwande, militärische Dinge zu erkunden, auf Matho zurück. Insgeheim begriff er nicht, wozu sie so viel Zeit in seinem Zelte gewesen war. Auch von Gisgo erzählte Salambo nichts, denn da – nach ihrem Glauben – schon bloße Worte eine wirkliche Macht besitzen, so konnten

Verwünschungen, die man jemandem berichtete, sich gegen ihn kehren. Ebenso

verschwieg sie ihr Mordgelüst, aus Furcht, getadelt zu werden, weil sie dem nicht nachgegeben hatte. Sie berichtete nur, der Schalischim sei sichtlich zornig gewesen und habe sehr laut gesprochen, dann sei er eingeschlafen. Mehr erzählte Salambo nicht, vielleicht aus Scham, vielleicht auch, weil sie in ihrer großen Unschuld den Küssen des Soldaten keine Bedeutung beimaß. Überdies flossen alle jene Vorgänge in ihrem Kopfe wehmütig und wirr durcheinander wie die Erinnerung an einen schweren Traum. Sie hätte nicht gewußt, auf welche Weise und mit welchen Worten sie alles hätte ausdrücken sollen.

Eines Abends, als sie so einander gegenübersaßen, trat Taanach ganz bestürzt ein. Ein Greis mit einem Kinde sei unten im Hofe und wolle den Suffeten sprechen.

Hamilkar erbleichte. Dann erwiderte er rasch:

»Er soll heraufkommen!«

Iddibal trat ein, ohne sich niederzuwerfen. Er führte einen Knaben an der Hand, der in einen Mantel aus Bocksfell gehüllt war. Er zog rasch die Kapuze zurück, die das Gesicht des Knaben verhüllte, und sagte:

»Da ist er, Herr! Nimm ihn!«

Der Suffet und der Sklave zogen sich in eine Ecke des Gemaches zurück.

Das Kind war in der Mitte des Gemachs aufrecht stehen geblieben und musterte mit einem mehr neugierigen als erstaunten Blick die Zimmerdecke, das Hausgerät, die Perlenschnüre auf den Purpurvorhängen und das hoheitsvolle junge Weib, das sich zu ihm herabbeugte.

Er war etwa zehn Jahre alt und nicht größer als ein Römerschwert. Krause Haare beschatteten seine gewölbte Stirn. Seine Augen sahen mit Vorliebe in die Ferne. Die feinen Nasenflügel vibrierten ihm. Über seiner ganzen Erscheinung lag ein

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