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»Schweinsripperln mit Sauerkraut und Salzkartoffeln«, ruft die Tochter stolz.

»Wie schnell du das Kochen gelernt hast!« sagt die Mutter, scheinbar ganz harmlos.

»Nicht wahr?« antwortet die Kleine fröhlich. »Ich hätt'

nie gedacht, daß i c h . . . « Sie bricht entsetzt ab und beißt sich auf die Lippen. Jetzt nur die Mutter nicht ansehen!

Diese lehnt an der Tür und ist bleich. Bleich wie die Wand.

Das Kind steht am offenen Küchenspind und hebt Geschirr heraus. Die Teller klappern wie bei einem Erdbeben.

Da öffnet die Mutter mühsam den Mund und sagt:

»Luise!«

Krach!

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Die Teller liegen in Scherben auf dem Boden. Luise hat's herumgerissen. Ihre Augen sind vor Schreck geweitet.

»Luise!« wiederholt die Frau sanft und öffnet die Arme weit.

»Mutti!«

Das Kind hängt der Mutter wie eine Ertrinkende am Hals und schluchzt leidenschaftlich.

Die Mutter sinkt in die Knie und streichelt Luise mit zitternden Händen. »Mein Kind, mein liebes Kind!«

Sie knien zwischen zerbrochenen Tellern. Auf dem Herd verschmoren die Schweinsripperln. Es riecht nach angebrann-tem Fleisch. Wasser zischt aus den Töpfen in die Gasflam-men.

Die Frau und das kleine Mädchen merken von alledem nichts. Sie sind, wie es manchmal heißt und ganz selten vor-kommt, nicht »von dieser Welt«.

Stunden sind vergangen. Luise hat gebeichtet. Und die Mutter hat die Absolution erteilt. Es war eine lange, wort-reiche Beichte, und es war eine kurze, wortlose Freisprechung von allen begangenen Sünden — ein Blick, ein Kuß, mehr war nicht nötig.

Jetzt sitzen sie auf dem Sofa. Das Kind hat sich eng, ganz eng an die Mutter gekuschelt. Ach, ist das schön, endlich die Wahrheit gesagt zu haben! So leicht ist einem zumute, so federleicht! Man muß sich an der Mutter festklammern, damit man nicht plötzlich davonfliegt!

»Ihr seid mir schon zwei raffinierte Frauenzimmer!« meint die Mutter.

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Luise kichert vor lauter Stolz. (Ein Geheimnis hat sie allerdings immer noch nicht preisgegeben: daß es da in Wien, wie Lotte ängstlich geschrieben hat, neuerdings ein gewisses Fräulein Gerlach gibt!)

Die Mutter seufzt.

Luise schaut sie besorgt an.

»Nun j a « , sagt die Mutter. »Ich denke darüber nach, was jetzt werden soll! Können wir tun, als sei nichts geschehen?«

Luise schüttelt entschieden den Kopf. »Lottchen hat sicher großes Heimweh nach dir. Und du doch auch nach ihr, nicht wahr, Mutti?«

Die Mutter nickt.

»Und ich ja auch«, gesteht das Kind. »Nach Lottchen u n d . . . «

»Und deinem Vater, gelt?«

Luise nickt. Eifrig und schüchtern zugleich. »Und wenn ich bloß wüßte, warum Lottchen nicht mehr schreibt?«

» J a « , murmelt die Mutter. »Ich bin recht in Sorge.«

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Z E H N T E S K A P I T E L

Ein Ferngespräch aus München — Das erlösende Wort —

Nun kennt sich auch die Resi nicht mehr aus — Zwei Flugzeugplätze nach Wien — Peperl ist wie vom Donner gerührt — Wer an Türen horcht, kriegt Beulen — Der HerrKapellmeister schläft außer Haus und bekommt unerwünschten Besuch

Lottchen liegt apathisch im Bett. Sie schläft. Sie schläft viel. »Schwäche«, hat Hofrat Strobl heute mittag gesagt.

Der Herr Kapellmeister sitzt am Kinderbett und blickt ernst auf das kleine, schmale Gesicht hinunter. Er kommt seit Tagen nicht mehr aus dem Zimmer. Beim Dirigieren läßt er sich vertreten. Eine Bettstatt ist für ihn vom Boden her-untergeholt worden.

Nebenan läutet das Telefon.

Resi kommt auf Zehenspitzen ins Zimmer. »Ein Ferngespräch aus München!« flüstert sie. »Ob Sie sprechbereit sind!«

Er steht leise auf und bedeutet ihr, beim Kind zu bleiben, bis er zurück ist. Dann schleicht er ins Nebenzimmer. München? Wer kann das sein? Wahrscheinlich die Konzertdirek-tion Keller. Ach, sie sollen ihn gefälligst in Ruhe lassen!

Er nimmt den Hörer und meldet sich. Die Verbindung wird hergestellt.

»Hier Palffy!«

»Hier Körner!« ruft eine weibliche Stimme aus München herüber.

»Was?« fragt er verblüfft. »Wer? Luiselotte?«

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» J a ! « sagt die ferne Stimme. »Entschuldige, daß ich dich anrufe. Doch ich bin wegen des Kindes in Sorge. Es ist hoffentlich nicht krank?«

»Doch.« Er spricht leise. »Es ist krank!«

»Oh!« Die ferne Stimme klingt sehr erschrocken.

Herr Palffy fragt stirnrunzelnd: »Aber ich verstehe nicht, wieso d u . . . «

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