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Palffy öffnet den Mund.

»Lassen S' nur«, sagt der Hofrat spöttisch. »Das Künstlerherz wird Ihnen natürlich bluten. So viele Leute in der Wohnung! Aber nur Geduld — bald werden S' wieder hübsch allein sein.«

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Er hat's heute in sich, der Hofrat! Die Tür drückt er so rasch auf, daß die Resi, die draußen horcht, am Kopf eine Beule kriegt. Sie hält sich den brummenden Schädel.

»Mit einem sauberen Messer drücken!« empfiehlt er, jeder Zoll ein Arzt. »Ist schon gut. Der wertvolle Ratschlag kostet nix!«

Der Abend hat sich auf die Erde herabgesenkt. In Wien wie anderswo auch. Im Kinderzimmer ist es still. Luise schläft. Lotte schläft. Sie schlummert der Gesundung entgegen.

Frau Körner und der Kapellmeister sind bis vor wenigen Minuten im Nebenzimmer gesessen. Sie haben manches be-sprochen, und sie haben noch mehr beschwiegen. Dann ist er aufgestanden und hat gesagt: »So! Nun muß ich gehen!«

Dabei ist er sich — übrigens mit Recht — etwas komisch erschienen. Wenn man bedenkt, daß im Nebenzimmer zwei neunjährige Mädchen schlafen, die man von der hübschen Frau hat, die vor einem steht — und man selber muß wie ein abgeblitzter Tanzstundenlehrer davonschleichen! Aus der eigenen Wohnung! Wenn es noch, wie in den guten alten Zeiten, unsichtbare Hausgeister gäbe — wie müßten die jetzt kichern!

Sie bringt ihn bis zur Korridortür.

Er zögert. »Falls es schlimmer werden sollte — ich bin drüben im Atelier.«

»Mach dir keine Sorgen!« sagt sie zuversichtlich. »Vergiß lieber nicht, daß du viel Schlaf nachzuholen hast.«

Er nickt. »Gute Nacht.«

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»Gute Nacht.«

Während er langsam die Treppe hinabsteigt, ruft sie leise:

»Ludwig!« Er dreht sich fragend um.

»Kommst du morgen zum Frühstück?«

»Ich komme!«

Als sie die Tür verschlossen und die Kette vorgehängt hat, bleibt sie noch eine Weile sinnend stehen. Er ist wirklich älter geworden. Fast sieht er schon wie ein richtiger Mann aus, ihr ehemaliger Mann!

Dann wirft sie den Kopf zurück und geht, den Schlaf ihrer und seiner Kinder mütterlich zu bewachen.

Eine Stunde später steigt vor einem Haus am Kärntner Ring eine junge, elegante Dame aus einem Auto und ver-handelt mit dem mürrischen Portier.

»Der Herr Kapellmeister?« brummt er. »I weiß net, ob er droben ist!«

»Im Atelier ist Licht«, sagt sie. »Also ist er da! Hier!«

Sie drückt ihm Geld in die Hand und eilt an ihm vorbei.

Er betrachtet den Geldschein und schlurft in seine Wohnung zurück.

»Du?« fragt Ludwig Palffy oben an der Tür.

»Erraten!« bemerkt Irene Gerlach bissig und tritt ins Atelier. Sie setzt sich, zündet sich eine Zigarette an und mustert den Mann abwartend. Er sagt nichts.

»Warum läßt du dich am Telefon verleugnen?« fragt sie.

»Findest du das sehr geschmackvoll?«

»Ich hab' mich nicht verleugnen lassen.«

»Sondern?«

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Herr P a l f f y spielt eine neue Melodie

»Ich war nicht fähig, mit dir zu sprechen. Mir war nicht danach zumute. Das Kind war schwer krank.«

»Aber jetzt geht es ihm wohl besser. Sonst wärst du doch in der Rotenturmstraße.«

Er nickt. » J a , es geht ihm besser. Außerdem ist meine Frau drüben.«

»Wer?«

»Meine Frau. Meine geschiedene Frau. Sie kam heute morgen mit dem anderen Kind.«

»Mit dem anderen Kind?« echot die junge, elegante Frau.

» J a , es sind Zwillinge. Erst war das Luiserl bei mir. Seit Ferienschluß dann das andere. Doch das hab' ich gar nicht gemerkt. Ich weiß es erst seit gestern.«

Die Dame lacht böse. »Raffiniert eingefädelt von deiner Geschiedenen!«

»Sie weiß es auch erst seit gestern«, meint er ungeduldig.

Irene Gerlach verzieht ironisch die schön geschminkten Lippen. »Die Situation ist nicht unpikant, gelt? In der einen Wohnung sitzt eine Frau, mit der du nicht mehr, und in der anderen eine, mit der du noch nicht verheiratet bist!«

Ihn packt der Ärger. »Es gibt noch mehr Wohnungen, wo Frauen sitzen, mit denen ich noch nicht verheiratet bin!«

»Oh!« Sie erhebt sich. »Witzig kannst du auch sein?«

»Entschuldige, Irene, ich bin nervös!«

»Entschuldige, Ludwig, ich auch!«

Bums! Die Tür ist zu, und Fräulein Gerlach ist gegangen!

Nachdem Herr Palffy einige Zeit auf die Tür gestarrt hat, wandert er zum Bösendorfer-Flügel hinüber, blättert in den Noten zu seiner Kinderoper und setzt sich, ein Notenblatt herausgreifend, vor die Tasten.

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