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»Wir hatten so eine Ahnung, ich und — Luise!«

»Luise?« Er lacht nervös. Dann lauscht er verwirrt.

Lauscht immer verwirrter. Schüttelt den Kopf. Fährt sich aufgeregt durchs Haar.

Die ferne Frauenstimme berichtet hastig, was sich nun eben in solch fliegender Hast berichten läßt.

»Sprechen Sie noch?« erkundigt sich das Fräulein vom Amt.

» J a , zum Donnerwetter!« Der Kapellmeister schreit es.

Man kann sich ja das Durcheinander, das in ihm herrscht, einigermaßen vorstellen.

»Was fehlt denn dem Kind?« fragt die besorgte Stimme seiner geschiedenen Frau.

»Nervenfieber«, antwortet er. »Die Krisis sei überstanden, sagt der Arzt. Aber die körperliche und seelische Erschöpfung ist sehr groß.«

»Ein tüchtiger Arzt?«

»Aber gewiß! Hofrat Strobl. Er kennt Luise schon von klein auf.« Der Mann lacht irritiert. »Entschuldige, es ist ja Lotte! Er kennt sie also nicht!« Er seufzt.

Drüben in München seufzt eine Frau. — Zwei Erwachsene sind ratlos. Ihre Herzen und Zungen sind gelähmt. Und ihre Gehirne, scheint es, ihre Gehirne auch.

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In dieses beklemmende, gefährliche Schweigen hinein klingt eine wilde Kinderstimme. »Vati! Lieber, lieber Vati!«

hallt es aus der Ferne. »Hier ist Luise! Grüß dich Gott, Vati!

Sollen wir nach Wien kommen? Ganz geschwind?«

Das erlösende Wort ist gesprochen. Die eisige Beklemmung der beiden Großen schmilzt wie unter einem Tauwind. »Grüß Gott, Luiserl«, ruft der Vater sehnsüchtig. »Das ist ein guter Gedanke!«

»Nicht wahr?« Das Kind lacht selig.

»Wann könnt ihr denn hier sein?« ruft er.

Nun ertönt wieder die Stimme der jungen Frau. »Ich werde mich gleich erkundigen, wann morgen der erste Zug fährt.«

»Nehmt doch ein Flugzeug!« schreit er. »Dann seid ihr schneller hier!« >Wie kann ich nur so schreien!< denkt er.

>Das Kind soll doch schlafen !< Als er ins Kinderzimmer zurückkommt, räumt ihm die Resi seinen angestammten Platz am Bett wieder ein und will auf Zehenspitzen davon.

»Resi!« flüstert er.

Sie bleiben beide stehen.

»Morgen kommt meine Frau.«

»Ihre Frau?«

»Pst! Nicht so laut! Meine geschiedene Frau! Lottchens Mutter!«

»Lottchens?«

Er winkt lächelnd ab. Woher soll sie's denn wissen? »Das Luiserl kommt auch mit!«

»Das — wieso? Da liegt's doch, das Luiserl!«

Er schüttelt den Kopf. »Nein, das ist der Zwilling.«

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»Zwilling?« Die Familienverhältnisse des Herrn Kapellmeisters wachsen der armen Person über den Kopf.

»Sorgen Sie dafür, daß wir zu essen haben! Über die Schlafgelegenheiten sprechen wir noch.«

»O du mei!« murmelt sie und schleicht aus der Tür.

Der Vater betrachtet das erschöpft schlummernde Kind, dessen Stirn feucht glänzt. Mit einem Tuch tupft er sie behutsam trocken.

Das ist nun also die andere kleine Tochter! Sein Lottchen! Welche Tapferkeit und welche Willenskraft erfüllten dieses Kind, bevor es von Krankheit und Verzweiflung überwältigt wurde! Vom Vater hat es diesen Heldenmut wohl nicht. Von wem? Von der Mutter?

Wieder läutet das Telefon.

Resi steckt den Kopf ins Zimmer. »Fräulein Gerlach!«

Herr Palffy schüttelt ablehnend den Kopf.

Frau Körner läßt sich von Doktor Bernau wegen »dringender Familienangelegenheiten« Urlaub geben. Sie telefoniert mit dem Flugplatz und bekommt für morgen früh auch richtig zwei Flugplätze. Dann wird ein Koffer mit dem Not-wendigsten gepackt.

Die Nacht scheint endlos, so kurz sie ist. Aber auch endlos scheinende Nächte vergehen.

Als am nächsten Morgen der Herr Hofrat Strobl, von Peperl begleitet, vor dem Haus in der Rotenturmstraße an-kommt, fährt gerade ein Taxi vor.

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Ein kleines Mädchen steigt aus dem Auto — und schon springt Peperl wie besessen an dem Kind hoch! Er bellt, er dreht sich wie ein Kreisel, er wimmert vor Wonne, er springt wieder hoch!

»Grüß Gott, Peperl! Grüß Gott, Herr Hofrat!«

Der Herr Hofrat vergißt vor Verblüffung, den Gruß zu erwidern. Plötzlich springt er, wenn auch nicht ganz so gra-ziös wie sein Peperl, auf das Kind zu und schreit: »Bist du denn völlig überg'schnappt? Scher dich ins Bett!«

Luise und der Hund sausen ins Haustor.

Eine Dame entsteigt dem Auto.

»Den Tod wird sich's holen, das Kind!« schreit der Hofrat empört.

Are sens