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von innen, während David in seinem Wahnsinn draußen schrie.

Da sagte Achisch zu seinen Knechten:

Hab ich zu wenig Wahnsinnige, dass ihr diesen herbrachtet, um bei mir zu toben?! (1 Sa 21,16)

1

Nach der Tugendlehre Platons sind die Grundtugenden: Mäßigkeit, Da frohlockte David darüber, dass ihm der Wahnsinn zu Klugheit, Mut und Gerechtigkeit.

2

Hilfe gekommen war, und er fertigte den alphabetischen Vgl. N. Harris, Animal Symbolism in Late Medieval Germany. The Psalm, indem er zu dem Heiligen, gepriesen sei er, sprach:

“Etymachia” Treatise. In: P. Michel (Hg.), Tiersymbolik, Bern, Berlin u.a. 1991, 111-131. S. 111: „Der spätantike christliche Schrift-Welch ein Gut ist der Wahnsinn!

steller Prudentius (etwa 348-405) hat in seiner „Psychomachie“ den Ich will JHWH loben alle Zeit, sein Lob soll immerdar in innerpsychischen Kampf zwischen den Tugenden und den Lastern meinem Munde sein. (Ps 34,1)

beschrieben, indem er diese als Personifikationen paarweise gegeneinander antreten ließ. (Die Psychomachie des Prudentius, lateinisch In der Zeit der Weisheit und in der Zeit des Wahnsinns.

– deutsch, eingeführt und übersetzt von Ursemar Engelmann, mit 24

Bildtafeln, Freiburg 1959). Damit wurde er zum Schöpfer des allegori-Mit der Beantwortung der elften Frage ist eine Sinneinheit abge-schen Epos, nach dessen Muster während des Mittelalters immer neue schlossen. Nachdem bereits über Pflanzen und Insekten geredet Texte verfasst wurden.“ Ch. Meier, Überlegungen zum gegenwärtigen wurde, sucht der König ab Frage 12 nun Antworten über Säugetiere Stand der Allegorie-Forschung. Mit besonderer Berücksichtigung der (12-16) und Vögel (17-19, 22). Frage 20 ist den Fischen gewidmet, Mischformen. Frühmittelalterliche Studien 10 (1976), 1-69. J. Whit-die allerdings vom Fuchs geärgert werden. Frage 21 behandelt an-man, Allegory. The Dynamics of an Ancient and Medieval Technique, knüpfend an den Vogel Phönix1 die Frage der Unsterblichkeit. Auch Oxford 1987.

3

C. Zerling, W. Bauer, Lexikon der Tiersymbolik, 223-224. S. 223: Der alle folgenden Tiergeschichten sind Fabeln mit einem Zweitsinn.

Ochse „demonstriert mehr die friedliche Form vitaler Lebenskraft, Bedächtigkeit, Reichtum, mühevolle Arbeit und Opferbereitschaft.“

S. 223: „Im übertragenen Sinne ermittelte er das Prinzip jeder Akti-vität, wodurch ein Mensch die Verhältnisse seiner Umgebung nutzt und sie auf die Verwirklichung seiner Ziele abstimmt. Ochsen zeigten, wie Naturkräfte gebändigt, ihr Zeugungsdrang gezähmt, umgewandelt und in neue Bahnen gelenkt werden konnte.“ S. 224: „Im hebräischen Alphabet bedeutet der erste Buchstabe Aleph „Ochse“. Aleph beinhaltet die kreative Energie und das Lebensprinzip, das allen lebenden Kreaturen in physikalischer Form als Strahlungsenergie der Sonne 1

C. Zerling, W. Bauer, Lexikon der Tiersymbolik, 239-241.

erreicht, die Basis unserer irdischen Existenz.“

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Alphabet des Ben Sira

V. Eine fabelhafte Ethik

In den Fabeln zu den Fragen 12 bis 22 finden sich – mit Ausnahme sten mit „Mist“ beschäftigt. Er rackert sich tagtäglich ab, ohne Ruhe des Affen – nur Tiere, die vor allem in Mitteleuropa zu Hause sind: zu finden und ist über diese Lebensform derart frustriert, dass er sei-Ochse und Esel, Katze und Maus, Katze und Hund (Wolf, Schaf), nen potentiellen Kindern dieses Leben ersparen will. Er verweigert Rabe und Taube, Fische und Fuchs sowie der Adler.1 Eine weitere die Fortpflanzung. In dieser Reaktion spiegelt sich die Dummheit Ausnahme ist der Vogel Phönix, den Herodot der ägyptischen My-des Esels: Er ist nicht fähig zu erkennen, dass er selbst seine Arbeits-thologie zuweist.2

last reduzieren (langsamer treten) und sich ein angenehmeres Leben Im Bild des (dummen) Esels sind folgende typischen Eigen-machen könnte. In seiner „Not“ sucht er die Antwort bei Gott, wie schaften angelegt. Der Esel gilt als störrischer und eigenwilliger er sein Leben verändern soll. Die von Gott gegebene Antwort wie-Lastenträger (Arbeitstier), der die Nachkommenschaft verweigert derum ist im Hebräischen alles andere als eindeutig und lädt zum (keine Zeit für Familie).3 Er gesellt sich gerne zu seinesgleichen Nachdenken über das Gesagte an.

(gemeinsame Pinkelpause). Vordergründig steht der Esel für einen Ein Beleg dafür, dass die Tiergeschichten im Alphabet des Ben Menschen, dem es nur um materielle Dinge geht, der sich am lieb-Sira als Fabeln zu lesen sind, bietet die Geschichte vom Esel, zu der sich eine Vorlage bei Äsop findet:1 „Einst schickten die Esel, 1

Dazu dass die Funktion der Tiere in Fabeln austauschbar ist, siehe verärgert über ihre beständige Plackerei und Quälerei, Gesandte zu J.E. Salisbury, The Beast Within. Animals in the Middle Ages, New Zeus und ersuchten ihn um Befreiung von ihren Nöten. Weil dieser York, London 1994, 108: “One of the characteristics of classical fab-ihnen vor Augen führen wollte, dass dies unmöglich sei, erwiderte les (that would be later changed) was that the animals did not exhibit er ihnen, sie könnten vielleicht dann aus ihrer misslichen Lage erlöst stock characteristics beyond the fact that predators remained predators werden, wenn sie aus ihrem Urin einen Fluss bildeten. Die Esel nah-and preys remained consumed. For example, foxes were not always or only sly. In a number of fables, the animals could be changed and the men das für bare Münze und halten es von daher bis auf den heutigen moral remains the same. […] The animal was less important than the Tag so, dass sie, wenn sie den Urin einer der Ihren erblicken, sich lesson of freedom, and almost any animal could be used to portray that auch hinstellen und ihr Wasser abschlagen. – Die Fabel beweist, dass truth. Thus, the fable remains useful when a relationship between hu-niemand an seinem Schicksal etwas ändern kann.“

man and particular animals changes. A second characteristic of classi-Ben Sira entwickelt in den folgenden Antworten eine Tugend-cal fables is that the morals were frequently left ambiguous. This has lehre anhand von Negativbeispielen. Er beginnt mit der klassischen allowed the same fable to be used in different cultural contexts as the morals are modified to suit different circumstances.” J.E. Salisbury, Feindschaft zwischen Katze2 und Maus3, wobei die Maus die Un-Animals in the Middle Ages, 109: “potential for fluid interpretation tugenden der Missgunst, Intriganz und des Neides symbolisiert.

that has contributed to the longevity of the stories. On an abstract le-Die Maus (klein, unbedeutend, aber frech) bindet sich vertraglich vel, the open-ended characteristic of fables allows them to be applied an einen Partner, der zu groß für sie ist (die Katze). Mit der Katze (and relevant) to different contexts, thus increasing the probability for kann eine Maus sich weder vergleichen, noch kann sie versuchen, their continued popularity. On a practical level, this quality made them mit einer Katze mithalten zu wollen. Tut die Maus es trotzdem, ge-perfect tools for the study of rhetoric. Prose fables were included in rhetoric books in the classical period for young scholars to use in prac-schieht dies auf Grund von hoffnungsloser Selbstüberschätzung. Die ticing arguing a point. By urging students to explain a truth that might Maus kann die natürlichen Grundgegebenheiten des Lebens nicht be articulated in the story, teachers were creating a perfect vehicle for akzeptieren. In ihrer Gier nach Größerem ist sie bereit, gegen den ensuring that the fables would remain viable literary creations. In this Partner zu intrigieren, ihm in den Rücken zu fallen, um selbst Er-form, fables also passed into the medieval schoolroom.” - S. Henkler, folg zu erzielen. Sie sucht nach einem noch mächtigeren Partner (im Mythos Tier. Geschichte und Mythologie einer ewigen Verbindung, Dresden 2001. J.M.C. Toynbee, Tierwelt der Antike. Kulturgeschichte der antiken Welt, Bd. 17, Mainz 1983.

1

Antike Fabeln. Hg. von J. Irmscher, Berlin, Weimar 1978, 113: Die 2

Siehe Seite 206.

Fabeln des Äsop – Die Esel vor Zeus.

3

J.E. Salisbury, Animals in the Middle Ages, 131 und 142-143. C.

2

C. Zerling, W. Bauer, Lexikon der Tiersymbolik, 157-160.

Zerling, W. Bauer, Lexikon der Tiersymbolik, 84-86. S. 86: „Grund-3

C. Zerling, W. Bauer, Lexikon der Tiersymbolik, 209: „Volksglaube bedeutungen: die Gegensätze Fruchtbarkeit und Unfruchtbarkeit, erkannte in Mäusen auch die Seelen Verstorbener. Die Seele schlüpfe Beweglichkeit und Starrheit; unser Erfahrungsweg vom Dunkel zum nach dem Tod als Maus aus dem Mund. Daher stammt wohl die Rede-Licht, von der Narrheit zur Erkenntnis.“ S. 85: „Der Physiologus be-wendung „mausetot“. S. 210: „Grundbedeutungen: natureigene Intel-hauptete, Wildesel bissen ihren männlichen Nachkommen kastrierend ligenz; nagende Unruhe; Anpassungsfähigkeit und Kreativität unseres die Hoden ab.“

Unterbewusstseins.“

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Alphabet des Ben Sira

V. Eine fabelhafte Ethik

Zweifel Gott), der ihr diesen Erfolg sichert. Sie ist nicht bereit, auf bereit ist, seine geschärften Sinne zu benutzen und sich aktiv für Warnungen zu hören, die ihr nahe legen, sich ihren Möglichkeiten Recht und Gerechtigkeit einzusetzen (Jagen von Räubern, Dieben, entsprechend zu verhalten. Sie rennt sehenden Auges in ihr Verder-Mördern), findet er seinen Platz in der Gesellschaft. Von hier gestär-ben, unfähig zu der Erkenntnis, dass die von ihr gesetzte Alternative kt, kann er die Tugenden der Langmut, Geduld und Friedfertigkeit

„entweder du oder ich“ in der Auseinandersetzung mit einer Katze praktizieren, in der Hoffnung, dass dadurch die Katze ihre Halsstar-für sie nur tödlich sein kann.

rigkeit verliert.

In der folgenden Geschichte von Hund und Katze, die dem Sprich-In der nächsten Geschichte von Katze und Maus, geht es um Ver-wort „Friede ernährt, Unfriede verzehrt“ zugeordnet werden kann, tragsbruch, Friedensbruch und versuchten Totschlag. Wenn unglei-geht es darum zu zeigen, dass ein Zusammenleben unterschiedlicher che Partner gezwungen sind, miteinander auszukommen, bedarf es Charaktere eine gewisse Kompromissbereitschaft dem anderen ge-einiger Regeln, die alle Beteiligten zu akzeptieren und umzusetzen genüber erfordert. Die Katze symbolisiert hier Egoismus, Eigennutz haben. Bricht ein Partner diese Regeln – und meistens tut dies der und Dünkel (Hochmut bei innerer Hohlheit). Ihr fehlt außerdem die Stärkere – kann eine tödliche Situation entstehen. In der Geschichte Tugend der Friedfertigkeit. Der Hund1 symbolisiert die Tugend des werden zwar nur böse Wunden geschlagen, aber es wird betont, dass Verzichtes und der Selbstlosigkeit. Er sorgt dafür, dass die Katze jedes Mittel recht sein muss, um diese Wunden zu heilen (Schadens-satt wird, auch wenn er dadurch selbst hungert und obdachlos wird.

ersatz, Kompensation, auch auf unkonventionelle Weise).

Der Hund teilt der Katze sein Wissen darüber mit, wo sie Nahrung Die Erzählung, die vordergründig die seltsame Gangart des Raben1

in Fülle finden kann (Großzügigkeit). Die Katze reagiert darauf mit erklärt,

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