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Nebukadnezar sagte zu Ben Sira: „Deine Stärke ist wahr-haftig groß. Gesegnet dein Vater und gesegnet deine Mutter.“

Daraufhin gab er ihm Perlen im Gewicht eines Reém, und er machte sich auf den Weg.

Nebukadnezar aber befahl, alle [seine] Weisen zu töten, und seither ließ er Chananja, Mischael und Asarja vor sich treten.

Ben Sira aber ging hinauf ins Land Israel und verteilte all sein Geld als milde Gabe.

Danach ließ es sich nieder und verfasste zahllose Bücher.

Er forschte und ordnete Bücher zum Besten.

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Die „Rippe“, die jedem Mann wie Adam genommen wird, um seine Frau zu erschaffen.

2

Vgl. bNid 31b; GnR 17,7.

3

Vgl. GnR 2,15; bChul 127a.

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VII. Sinnsprüche und ihre Alltagstauglichkeit Der fünfte und letzte Teil des Alphabetes des Ben Sira versetzt den Leser in die Zukunft des Ben Sira, in die Generation seines Sohnes und seines Enkels. Dieser Schlussteil besteht wie der Anfang des Werkes aus Sinnsprüchen in alphabetischer Reihenfolge, nur dass die Sinnsprüche nicht mehr Hebräisch, sondern Aramäisch formuliert sind. Aramäisch gilt als die Umgangssprache der Bevölkerung zur Zeit des Zweiten Tempels. Aramäisch ist außerdem die Kom-mentarsprache in den beiden Talmudim. In Aramäisch bezieht man sich dort auf die autoritativen Werke der Bibel und der Mischna, die in Hebräisch verfasst sind. Entweder signalisiert der Wechsel zum Aramäischen im Alphabet des Ben Sira, dass dessen Spruchweisheit

„mittlerweile“ populär geworden ist und in der Umgangssprache der Zeit weitergegeben wird, in der sich das Alphabet des Ben Sira ver-orten möchte. Oder der Sprachwechsel weist darauf hin, dass Ben Siras Spruchweisheit letztlich nicht zum Kanon der autoritativen Schriften gezählt, sondern der Kategorie der profanen Weisheitsliteratur zugerechnet wird.

Die Lehrsprüche des Ben Sira zitieren Usiel, der Sohn des Ben Sira, und Josef ben Usiel, sein Enkel. Eine Mutter wird nicht genannt, weder für die Generation des Sohnes, noch für die Generation des Enkels. Es findet außerdem kein Dialog zwischen Ben Sira und seinem Sohn Usiel statt. Im Kommentar zum Sinnspruch mit dem Buchstaben Resch wird dieselbe Charakteristik eines Weisen auf Josef ben Usiel angewendet (nie habe ich das und das getan), wie sie sich zu Beginn der Geburtsgeschichte des Ben Sira findet. Der Enkel steht also Ben Sira näher als sein Sohn und wird daher vor seinem Vater mit einem Sinnspruch zitiert. Im Kommentar zum Buchstaben Jod heißt es, dass Usiel eine „prophetische“ Gabe besitze. Er kann auf weite Distanz Gefahren erkennen, kann diese jedoch nicht selb-ständig deuten.

Zum Buchstaben Chet vertritt Usiel eine andere Meinung als Ben Sira, der im Zweifel Schweigen für das Beste hält. Usiel vertritt dagegen die Ansicht, in Gefahr könne man durchaus zu einer Notlüge greifen, und einen Sachverhalt bewusst unscharf formulieren. Ben Sira hatte dies in der Auseinandersetzung mit Nebukadnezar kate-gorisch abgelehnt.

Dass auch Enkel und Sohn nicht immer einer Meinung sind, zeigen die Kommentare zu den Buchstaben Bet und Schin, die als ein-339

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VII. Sinnsprüche und ihre Alltagstauglichkeit zige Kommentare festhalten, dass Usiel und Josef unterschiedlicher himmlischen Arzt. Gott, das wurde in den vorangehenden Texten Meinung waren. Mit dieser quasi Nichtpräsenz von Dialogen steht des Alphabets des Ben Sira immer wieder betont, hat für jede Plage, das gesamte Alphabet des Ben Sira in formalem Gegensatz zur rab-die den Menschen trifft, ein Heilmittel bereit. Der Mensch muss sich binischen Literatur, die dialogisch strukturiert ist, in der die unter-aber dieses Heilmittels würdig erweisen und Gott um Beistand bitten schiedlichsten Meinungen verschiedener Gelehrter zu einer Frage können.

stets so vollständig wie möglich zusammengestellt werden.

Der Grundstein für ein gelungenes Leben liegt aber jenseits des-Der Schlussteil des Alphabetes des Ben Sira besteht aus einer sen in der Erziehung, wie der Sinnspruch zum Buchstaben Bet und Einleitung (Alef), einem Teil, der sich mit Familienangelegenheiten Dalet verdeutlicht. Der Vater hat die Pflicht, seinem Sohn eine ge-befasst (Bet, Gimel, Dalet), einem Teil, der die Ethik des Ben Sira strenge Erziehung zukommen zu lassen. Drückt sich ein Vater davor, als aristotelische Ethik der Mitte weiterentwickelt (He, Waw, Sajin, bei Bedarf seinem Sohn eine Tracht Prügel zu verabreichen, trifft ihn Chet, Thet), und einem Teil, der sich mit der Alltagstauglichkeit die-die Schuld, wenn der Sohn auf die schiefe Bahn gerät.1 Ein Kind ist ser Ethik beschäftigt. Als höchste der praktischen (ethischen) Tu-kostbar wie Gold, glänzt aber erst bei der „richtigen“ Behandlung.

genden gilt die Wohltätigkeit (bei sich selbst und bei anderen), die Ein Mann soll eine Frau nicht des Geldes wegen heiraten (Gi-das Leben (bei sich selbst und bei anderen) verlängert (Jod). Die mel), sie soll vielmehr aus einer guten, jüdischen Familie stammen.

entsprechende dianoetische Tugend, die Tugend der Seele und des Ist einem Mann nicht möglich, eine solche Frau zu heiraten, kann Geistes, ist das Gottvertrauen, dass alles so wird, wie es werden soll er eine Frau heiraten, die während eines Krieges in Gefangenschaft (Kaf).

geraten und dann befreit worden ist. Sie steht unter dem dringenden Dass es nicht einfach ist, die rechte Mitte zwischen dem Zuviel Verdacht, ihre Jungfrauenschaft (gewaltsam) verloren zu haben und und dem Zuwenig zu finden, wird in Bezug auf die Tugenden und wurde daher, wenn überhaupt, als zweite Wahl betrachtet. Beide sind Untugenden der Dummheit und Klugheit (Lamed), des falschen letztlich in ihrem Schicksal, ihrem Partner erster Wahl nicht zu be-Mitleids (Mem) und der üblen Nachrede (Nun) dargestellt. Es wird gegnen, miteinander verbunden.

festgehalten, dass der Lebensraum des Menschen immer mit ande-Ein Mann soll sich auch dann nicht von seiner Frau scheiden ren Menschen gefüllt ist. Allen ist Respekt zu erweisen, insbeson-lassen, wenn sie ihm das Leben zur Hölle macht. Der aramäische dere denjenigen, die auf eine lange Lebenserfahrung zurückblicken Sinnspruch legt nahe, daran zu denken, dass das Verhalten der Frau können (Samech).

wechselseitig von dem Verhalten ihres Mannes bestimmt ist. Stimmt Ein weiterer Teil gibt Lebensregeln für diejenigen, die sich noch es aber, dass das Verhalten der Frau das Verhältnis ihres Mannes im Berufsleben befinden und sich dort bewähren müssen. Sie müssen zu ihr spiegelt, dann hülfe auch keine Scheidung. Die nächste Frau für ihre Familien sorgen, dürfen dies aber nicht auf Kosten anderer würde ähnlich oder sogar noch intensiver seine Gefühle widerspie-tun. Es wird der gute Rat gegeben, auch die Mitte zwischen zu reich geln, so er sich nicht zunächst selbst ändert.

und zu arm zu erstreben (Ajin). In der Familie sind Streitereien, insbesondere um das Erbe, zu vermeiden (Pe). Es gilt, sich einen gu-2. Der rechte Lebenswandel

ten Ruf als Geschäftsmann zu erwerben (Zade). Der Standort des Geschäfts ist von großer Bedeutung (Pe), ebenso die Auswahl der Die Anleitung zum rechten Lebenswandel beginnt mit der Aufforde-Geschäftspartner (Resch). Der Schlussteil (Schin, Taw) gibt einen rung zur Gottesfurcht, die ja auch im Dialog zwischen dem kleinen guten Ratschlag über das Annehmen von Ratschlägen und wünscht Ben Sira und seinem Lehrer den Kern des Gesprächs bildete. Diese dem Leser, rechtschaffen und – wie das Buch – vollendet zu sein.

allerdings soll nicht zur Schau getragen werden. In einem anderen 1

1. Die Familie

Die theologische Diskussion zwischen Usiel und Josef, die die rabbinische Rechtsprechung zum aufsässigen und störrischen Sohn behandelt, diskutiert lediglich den Aspekt, wer die Strafe zu vollziehen hat, Die Reihe der aramäischen alphabetischen Sinnsprüche beginnt eher wenn der Sohn als aufsässig erwiesen ist. Usiel vertritt die Auffas-lakonisch. Der Mensch kann sein Leben zwar gestalten, aber er hat sung, dass der Vater sogar die Todesstrafe vollziehen muss, sein Sohn es nicht in der Hand, Tod oder Krankheit zu verhindern. Daher tut vertritt die Auffassung, dass das Urteil sich von selbst vollstreckt (wer er gut daran, den irdischen Arzt ebenso in Ehren zu halten wie den die Gefahr sucht, kommt in ihr um).

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VII. Sinnsprüche und ihre Alltagstauglichkeit kulturellen Umfeld soll man sich davor hüten, wegen der eigenen reGing es zunächst um die Frage, wie der Mensch durch Handeln ligiösen Praktiken als Narr verspottet zu werden. Gerade die Religi-gut wird, rückt nun die Perspektive in den Vordergrund, wie der on soll mit dem gesunden Maß für die rechte Mitte ausgeübt werden.

Mensch die beste Seite seines Charakters und seines Verstandes Dazu gehört, eine gewisse Bescheidenheit zu Tage treten zu lassen, entwickeln kann. Der Lehrspruch zum Buchstaben Lamed beginnt sich nicht als allzu weise oder schlau zu gebärden (auch andere ha-mit der Tugend der Sanftmut, die eine Eigenschaft des Weisen ist.

ben gelegentlich Recht) und nicht als allzu böse aufzufallen (wenn Der Weise versteht Zeichen und Andeutungen zu lesen. Der Dum-jemand auf die falsche Bahn geraten ist). Zu dieser Tugend, das Maß me hingegen reagiert nur mit und auf Gewalt. Daher soll der Weise der Mitte für das persönliche Leben zu finden, gehört es auch, sich vermeiden, mit einem dummen Menschen zusammenzutreffen. Der vor falschem Mitleid zu hüten.

Dumme ist außerdem ein reiner Materialist. Ihn interessiert das Geld Ein Nachtrag beschäftigt sich mit dem zuvor erwähnten Bösen der anderen, das er sich ohne zu fragen nimmt oder das er sich er-

(„wehe“!). Grundsätzlich gilt, dass sich ein Mensch von bösen Men-schleicht. Ist der Weise der Leidtragende, muss er seine Sanftmut schen distanzieren muss, denn Bosheit färbt ab. Böse Menschen ver-überwinden, will er sich das Seine wiederholen. Er muss in diesem leiten andere dazu, auch böse zu werden.

Fall die Sprache des Dummen sprechen, der nichts anderes versteht.

Dass der Umgang mit Fremden besonderer Vorsicht bedarf, ver-Er muss ihm Gewalt androhen und diese auch zufügen. Da er dies deutlicht Sinnspruch und Erläuterung zum Buchstaben Chet. Grund-in jedem Fall zu vermeiden wünscht, setzt er alles daran, vor einem sätzlich gilt es, sich aus fremden Angelegenheiten herauszuhalten.

Dummen zu fliehen.

Man soll Fremden freiwillig keine Hilfe anbieten, da man nicht Der Lehrspruch zum Buchstaben Mem beschäftigt sich mit der weiß, ob man ihnen vertrauen kann. Dies wird an einem Beispielfall Tugend, die auf das Ehrgefühl gerichtet ist. Nach Aristoteles1 ist die erläutert, der außerdem vor Augen hält, dass aus Spaß sehr schnell Tugend der Hochsinnigkeit die Mitte zwischen dummem Stolz und bitterer Ernst werden kann. Jemand lügt aus Spaß und braucht später Engstirnigkeit. Sie befähigt, Taten, Werke und deren Erzeuger ange-für den eigenen Spott nicht mehr zu sorgen. Er kommt ihn teuer zu messen zu bewerten. Die Tugend des Ehrgefühls kann sich nicht entstehen. Bleibt die Moral, dass Schweigen Goldes wert ist.

wickeln, wenn eine Person falsche Vorbilder hat. Schlimmer noch Der Sinnspruch zum Buchstaben Thet greift noch einmal die Fra-ist es, wenn die Urteilskraft so geschwächt ist, dass die Taten eines ge von Gut und Böse auf. War bereits festgehalten worden, dass man bösen Menschen bewundert werden oder jemand Mitleid mit einem sich von einem bösen Menschen fernzuhalten hat, wird dies nun bösen Menschen empfindet. Der Dumme ist wie der Esel nicht fähig, weiter präzisiert: Weder soll man „mit ihm auf einem Weg gehen“, der Situation oder Sache gemäß zu entscheiden.

noch soll man ihm Gutes erweisen, noch soll man sich überhaupt Schwierig ist es, der Verachtung von Menschen zu begegnen. Ist aus Leichtsinn in Gefahr begeben. Die Tugend der Tapferkeit ist zu jemand diesem starken, negativen Gefühl ausgesetzt, darf er nicht erstreben, die zwischen Verwegenheit (der Fremde mit dem Löwen) versuchen, es durch positives Handeln zu neutralisieren, da dies nur und Feigheit liegt.

die Verachtung weiter schürt. Hier helfen nur Distanz und der Verweis aus dem Haus.

Der Sinnspruch zum Buchstaben Nun warnt vor übler Nachrede 3. Die Tugenden

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