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Non locus effusi late maris arbiter aufert111.

Ehrsucht, Geiz, Unentschlossenheit, Furcht und andre Leidenschaften und Begierden verlassen uns deswegen nicht, weil wir die Gegend verändern!

... Et

Post equitem sedet atra cura112.

Sie folgten uns oft nach bis in die Klausen und in die Schulen der Philosophie. Weder Wüsten noch Höhlen in Felsen, noch härenes Gewand, noch Fasten schützen uns dagegen:

Haeret lateri letalis arundo113.

Man sagte dem Sokrates, ein gewisser Mensch habe sich auf seinen Reisen um nichts gebessert. »Das glaub' ich wohl,« sagte er, »er hatte sich ja selbst mitgenommen.«

Quid terras alio calentes

Sole mutamus? Patria quis exsul

Se quoque fugit114?

Wer nicht zuvor seine Seele und sich selbst von der Last erleichtert, die ihn drückt, dem wird sie durchs Rütteln und Schütteln noch schwerer zu tragen werden, so wie ein Schiff leichter segelt, wenn die Ladung gut gestaut ist. Man tut dem Kranken mehr weh als wohl, wenn man ihn den Ort verändern läßt! Das Übel sackt sich wie Mehl, wenn man es stark rüttelt; und ein Pfahl geht tiefer in die Erde, wenn man ihn dreht und wendet. Deswegen ist es nicht genug, sich vom Volke entfernt zu haben, nicht genug, den Ort zu verändern, man muß sich von der Weise des Volks entfernen; man muß sich selbst zu lösen und zu binden verstehen.

Rupi jam vincula dicas:

Nam luctata canis nodum arripit; attamen illi,

Cum fugit, a collo trahitur pars longa catenae115.

Wir nehmen unsre Ketten mit uns. Das ist keine völlige Freiheit. Wir sehen zurück nach den Sachen, die wir dahinten lassen; unser Dichten und Trachten ist darauf gerichtet.

Nisi purgatum est pectus, quae proelia nobis

Atque pericula tunc ingratis insinuandum?

Quantae conscindunt hominem cuppedinis acres

Sollicitum curae? quantique perinde timores?

Quidve superbia, spurcitia ac petulantia, quantas

Efficiunt clades? quid luxus desidiesque116?

Unser Übel liegt in der Seele; die aber kann sich selbst nicht vermeiden:

In culpa est animus, qui se non effugit unquam117.

Also muß man sie bei uns zu Hause führen und ihr ihre Wohnung heimlich machen. Das ist die wahre Einsamkeit, deren man mitten in Städten und an den Höfen der Könige genießen kann; freilich aber genießt man ihrer für sich allein mit mehr Bequemlichkeit. Da es nun aber unser Vorsatz ist, allein zu leben und der Gesellschaft zu entsagen, so laß es uns auch so anfangen, daß unsre Zufriedenheit nur bei uns stehe. Laß uns auf alle Verbindungen Verzicht tun, welche uns an andre Menschen heften. Wir müssen so viel über uns gewinnen, daß wir mit vollem Wissen und Willen allein leben und daran Behagen finden können. Stilpon war aus der allgemeinen Feuersbrunst seiner Stadt entflohen, worin er Frau, Kinder und Fahr und Habe verloren hatte. Demetrius Poliorcetes, der ihn nach dieser großen Verwüstung seiner Geburtsstadt mit unerschrockenem Gesicht einhergehen sah, fragte ihn, ob er keinen Schaden erlitten. Er antwortete, nein, und habe er, gottlob, nichts von dem Seinigen verloren. Ebenso angenehm hört sich's, was der Philosoph Antisthenes sagte, der Mensch müsse sich mit solchem Vorrat versorgen, welcher auf dem Wasser schwimmen und solchergestalt mit ihm dem Schiffbruche entgehen könnte. Gewiß, der Mensch von Verstand hat nichts verloren, solang er sich selbst besitzt. Als die Barbaren die Stadt Nola verwüsteten, hatte dabei Paulinus, der daselbst Bischof war, alles das Seinige eingebüßt und war obendrein gefangengenommen. Dennoch betete er folgendermaßen: »Behüte mich, lieber Herr Gott, daß ich diesen Verlust nicht fühle, denn du weißt, daß sie noch nichts von dem berührt haben, was mein ist.« – Die Reichtümer, die ihn reich, die Güter, die ihn gut machten, waren noch unangetastet.

Darin eben besteht die Richtigkeit der Wahl der Schätze, die weder Motten noch Rost fressen, und des Orts ihrer Niederlage, wozu niemand gelangen und den niemand verraten kann als wir selbst. Sorge derjenige, der's vermag, daß er Weib, Kinder, Vermögen und vor allen Dingen Gesundheit habe; aber laß ihn seine Seele nicht so fest daran hängen, daß er sein ganzes Glück darauf baue. Man muß ein Hinterstübchen für sich absondern, in welchem man seinen wahren Freiheitssitz und seine Einsiedelei aufschlagen kann. Hier müssen wir vernünftigen Umgang mit uns selbst unterhalten; und zwar so abgesondert, daß darin keine andre Bekanntschaft oder Mitteilung fremder Dinge stattfinde. Hier mache man ernsthafte Überlegungen, und hier lache man, als ob man weder Frau noch Kinder, noch Verwandte, noch Hausgesinde hätte, damit, wenn der Fall eintreten sollte, daß man sie verlöre, es einem nicht schwer sei, sich ohne sie zu behelfen. Unsre Seele ist, ihrer Natur nach, für alle Lagen geschickt. Sie ist fähig, sich selbst Gesellschaft zu sein; fähig anzugreifen; fähig sich zu verteidigen, zu empfangen und zu geben; in dieser Einsamkeit haben wir nicht zu besorgen, daß wir vor langweiligem Müßiggange verrosten werden.

In solis sis tibi turba locis118.

Die Tugend ist sich selbst genug; ohne Vorschrift, ohne Worte, ohne Wirkung nach außen. Unter unseren gewöhnlichen Handlungen ist nicht eine unter tausend, die uns selbst angehe. Jenen dort, den du, außer sich selbst vor Wut, die durchlöcherte Mauer hinan klimmen und so vielen Feuerschlünden bloßgestellt siehst, und diesen anderen, den du bedeckt mit Narben, vor Hunger bleich und kraftlos erblickst, fest entschlossen gleichwohl eher zu sterben als jenem das Tor zu öffnen: meinst du, sie wären da für ihr eigenes Interesse? Es hat sich wohl! Für das Interesse einer Person vielleicht, die sie nie mit Augen gesehen haben und die sich um ihre Taten gar nicht bekümmert und während der Zeit im Müßiggang und Wohlleben ihr Leben verträumt. Diesen hier, den du mit keuchender Brust, triefenden Augen, ungewaschen und ungekämmt nach Mitternacht aus seiner Bücherkammer hervorschleichen siehst, von dem denkst du wohl, er forsche in den Büchern, wie er immer mehr und mehr ein rechtschaffener Mann, zufriedener und weiser werden könne? Nichts von alledem! Er will, und sollt's ihm auch das Leben kosten, die Nachwelt das Silbenmaß des plautinischen Verses lehren und die wahre Lesart eines lateinischen Wortes herstellen. Wer gibt nicht gern Gesundheit, Ruhe und Leben hin, um Ehr und Ruhm, so unnütz, leicht und falsch die eingetauschte Münze auch sein mag? Unser Tod machte uns noch nicht Furcht genug, laß uns ja noch die Furcht für unsre Frauen, Kinder und Hausgenossen auf unsre Achseln laden! Unsre Geschäfte machten uns noch nicht genug Sorgen, so laß uns, das Maß vollzumachen und uns den Kopf zu zerbrechen, die Sorgen unsrer Nachbarn und Freunde noch dazu nehmen!

Vah quemquamne hominem in animum instituere, aut!

Parare, quod sit carius, quam ipse est sibi119?

Die Einsamkeit, deucht mich, habe mehr Anschein von vernünftigen Gründen für diejenigen Menschen, welche nach dem Beispiel von Thales der Welt ihre tätigen wirksamen Jahre geweiht hatten. Wenn man genug für andre gelebt hat, so kann man das letzte Endchen des Lebens wenigstens auch für sich selbst leben, auf uns und unsre Ruhe laß uns unsere Gedanken und Vorsätze hinlenken. Es ist keine so leichte Sache, sich mit Sicherheit zurückzuziehen. Ein solcher Rückzug gibt uns alle Hände voll zu tun, ohne daß es noch anderer Unternehmungen bedürfe. Weil Gott uns Zeit und Muße gibt, für die Räumung unsrer Wohnung Einrichtung zu treffen; so laß uns beizeiten die Anstalten machen, unsre Sachen einpacken und von der Nachbarschaft Abschied nehmen, uns loswinden von den leidenschaftlichen Banden, die uns an andre fesseln und uns von uns selbst entfremden.

Unsre so starken Verbindlichkeiten müssen wir auflösen; dann und wann dies lieben und jenes: aber kein ewiges Band als mit uns selbst knüpfen; das heißt, das übrige sei unser, nur nicht so mit uns verfugt und verleimt, daß es nicht anders von uns abgetrennt werden könne, als daß unsre Haut dran klebe oder ein Stück von uns selbst daran hängenbleibe. Es ist Zeit, uns von der Gesellschaft loszusagen, weil wir ihr nicht weiter frommen können. Denn wer nicht mehr leihen kann, der muß sich nicht erlauben, auf Borg zu nehmen. Unsre Kräfte schwinden: laß uns davon sparen und zusammenhalten, was noch übrig ist. Wer solch eine Menge Pflichten der Freundschaft und der Geselligkeit durcheinandermengen und in seinem Unvermögen verwechseln und auf sich selbst ziehen kann, der mag es tun. In diesem Unfall aber, der ihn seinen Freunden unnütz, lästig und beschwerlich macht, mag er sich in acht nehmen, daß er nicht ihm selbst unnütz werde und beschwerlich und lästig. Mag er sich streicheln und liebkosen, besonders aber den Zügel anhalten, damit er vor seiner Vernunft und seinem Gewissen die gehörige Ehrfurcht erhalte und sich scheue, in ihrer Gegenwart zu straucheln. Rarum est enim, ut satis se quisque vereatur120.

Sokrates sagt: Jünglinge müssen sich belehren lassen, Männer sich üben, richtig zu handeln; die Alten sich aber von allen Kriegs- oder Staatsgeschäften abziehen, nach ihren eigenen Einsichten leben, ohne zu gewissen Pflichten genötigt zu sein!

Unter den verschiedenen Temperamenten sind einige nach diesen Vorschriften für die Einsamkeit tauglicher als andre. Diejenigen, welche von langsamem, schlaffem Geiste sind, von so verweichelten Neigungen und verzärteltem Willen, daß sie sich nicht leicht an Steuer und Ruder stellen lassen, worunter ich mit gehöre, sowohl von Natur als aus Überlegung; die werden sich diesem Rate eher fügen als die wirksamen, tätigen Seelen, welche alles umfassen, sich in alles einlassen, an allem warmen Anteil nehmen; welche ihren Beistand anbieten, herbeieilen und bei jeder Gelegenheit sich hergeben. Man muß sich der zeitlichen Güter, so zufällig und unsicher sie an sich sein mögen, bedienen, solange sie uns Vergnügen machen, aber niemals daraus unsre Hauptstütze machen; das verbieten Natur und Vernunft. Und warum wollten wir, gegen deren Gebot, unsre Zufriedenheit von einer fremden Gewalt abhängig machen? Gegen ihr Gebot schon im voraus die Schläge des Glücks fühlen? Uns der Gemächlichkeiten berauben, die wir in Händen haben, wie solches schon viele aus Andächtelei und einige Philosophen aus Vernünftelei getan haben? – Sich ohne alle Bedienung behelfen? Auf hartem Lager schlafen? Sich selbst die Augen ausstechen? Seine Reichtümer in den Fluß werfen? Sich mit Fleiß Schmerzen machen? – Wenn dies einige tun, um gegen Qualen dieses Lebens die Seligkeiten eines anderen einzutauschen, und andre wieder, um, wenn sie sich auf die niedrigste Stufe stellen, gegen einen neuen Sturz umso sicherer zu sein: so sind das Handlungen einer übermäßigen Tugend. Laß andre, die steifer und stärker sind, selbst ihre Abgeschiedenheit von der Welt zum glänzenden Beispiele erheben.

Tuta et parvula laudo,

Cum res deficiunt, satis inter vilia fortis:

Verum, ubi quid melius contingit et unctius, idem

Hos sapere, et solos aio bene vivere, quorum

Conspicitur nitidis fundata pecunia villis121.

Mir wird es schon sauer genug, ohne so weit zu gehen. Mir genügt es schon, wenn ich mich während der Gunst des Glücks auf seine Ungnade vorbereiten kann und mir, solange mir's wohl ist, das künftige widrige Schicksal, soweit meine Einbildung reicht, vorstellen kann: so ungefähr, wie wir uns an Ringen und Fechten gewöhnen und mitten im tiefen Frieden Kriegsspiele treiben. Ich schätze den Philosophen Arcesilaus deswegen nicht minder, weil ich weiß, daß er aus goldnen und silbernen Gefäßen aß und trank, da es ihm seine Glücksumstände verstatteten, und halte ihn umso höher, weil er sich derselben mit Bescheidenheit und Freigebigkeit bediente, als wenn er seinen Reichtum im Kasten verschlossen hätte.

Ich kenne die Schranken der natürlichen Bedürfnisse, und wenn ich den armen Bettler vor meiner Tür betrachte, der oft froher und gesunder ist als ich, so versetz' ich mich an seine Stelle und versuche, wie meine Seele in seinen Schuhen gehen würde; und indem ich die anderen Beispiele durchlaufe, so gut ich auch denke, daß Tod, Armut, Verachtung und Krankheiten mir auf den Versen folgen, so wird mir doch der Vorsatz leicht, nicht vor Unfällen zu erschrecken, die ein Geringerer als ich so geduldig ertragen kann; und ich will und mag nicht glauben, daß ein eingeschränkter Verstand mehr vermöge als ein stärkerer oder daß die Wirkung des Nachdenkens und der Überlegung nicht so weit reichen sollte als die Wirkung der Gewohnheit. Und da ich einsehe, an wie dünnen Faden die Nebengüter hängen, so ist mitten in meinem vollen Genuß meine vornehmste Bitte, die ich zu Gott schicke, er möge mich bei der Zufriedenheit mit mir selbst und mit den Gütern, die in mir selbst liegen, erhalten. Ich kenne junge, starke und frische Leute, welche gleichwohl einen Teig zu Pillen in ihren Koffern bei sich führen, um sich derselben zu bedienen, wenn sie ein Schnupfen befallen sollte; welchen sie dann umso weniger fürchten, weil sie in ihren Gedanken das Mittel dagegen bei der Hand haben. So muß man's machen und noch dazu, wenn man sich einer schlimmern Krankheit unterworfen fühlt, und sich mit solchen Mitteln versorgen, welche das kranke Glied betäuben und einschläfern.

Are sens

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