Se non quando ebbe i testimoni appresso152.
In den Krieg muß man ziehen aus Pflicht und dafür diejenige Belohnung erwarten, welche keiner schönen Tat entstehen kann, so unbekannt sie auch bleiben mag, selbst auch nicht einmal tugendhaften Gedanken; das ist die Zufriedenheit, welche ein reines Gewissen uns gibt, wenn wir recht tun. Man muß seiner selbst wegen tapfer sein und wegen des Vorzugs, der dabei ist, wenn man bei allen Anfällen des Glücks fest und standhaft bleibt.
Virtus, repulsae nescia sordidae,
Intaminatis fulget honoribus;
Nec sumit aut ponit securis
Arbitrio popularis aurae153.
Es ist nicht zur äußern Schau, daß unsere Seele ihre Rolle spielen muß, sondern in uns und für uns selbst, wohin keine anderen Augen blicken als unsere eigenen. Da deckt uns ihre Stärke vor der Furcht des Todes, vor dem Schmerz und selbst vor der Schande; da macht sie uns fest beim Verlust unserer Kinder und unserer Freunde und unserer Güter, und wenn die Gelegenheit sich dazu ergibt, führt sie uns auch in die Wagnisse des Kriegs. Non emolumento aliquo, sed ipsius honestatis decore154.
Dieser Nutzen ist weit größer und weit wünschens-und hoffenswürdiger als die Ehre und der Ruhm, welche am Ende nichts anderes sind als ein günstiges Urteil, das man über uns fällt. Um über einen Acker Landes zu urteilen, muß man aus einer ganzen Nation ein Dutzend Männer aussuchen; und über unsere Neigungen und unsere Handlungen zu urteilen, welches das schwerste und wichtigste Geschäft unter allen ist, überlassen wir der Stimme des gemeinen Haufens, der Mutter der Unwissenheit, der Ungerechtigkeit und der Unbeständigkeit! Ist wohl einiger Sinn dabei, das Leben eines weisen Mannes vom Urteile der Narren abhängig zu machen? An quidquam stultius quam, quos singulos contemnas, eos aliquid putare esse universos155? Wer es darauf angelegt, diesen zu gefallen, der ringet vergebens, und seinen Händen entwischt der Preis des Wettkampfs. Nil tam inaestimabile est quam animi multitudinis156. Demetrius sagte scherzhafterweise von der Stimme des Volks, er mache sich ebenso wenig aus der, welche ihm von oben abginge, als aus der von unten. Ego hoc judico, si quando turpe non sit, tamen non esse non turpe, cum id a multiudine laudetur157.
Keine Kunst, keine Geschmeidigkeit des Geistes könnte unsere Schritte nach einem so irrigen und unwissenden Wegweiser leiten. In dieser Verwirrung von Windgeräusch, von Volksmeinung und Gerüchten, durch welche wir uns treiben lassen, läßt sich kein Weg ausmachen, der etwas tauge. Laßt uns kein so wankelhaftes, unbeständiges Ziel vorstecken, folgen wir immer geradewegs der Vernunft. Auf diesem Wege möge uns der öffentliche Beifall folgen, wenn er will, und weil er ganz vom Glück abhängt, so haben wir keinen Grund, ihn auf einem anderen Wege zu erwarten als auf diesem. Ich würde ihm deswegen nicht folgen, weil der geradeste Weg der kürzeste ist, sondern ich würde ihm folgen, weil ich aus der Erfahrung weiß, daß er am Ende immer als der glücklichste und der nützlichste befunden wird. Dedit hoc providentia divina munus, ut honesta magis juvarent158.
Ein alter Schiffer unter den Alten sagte folgendermaßen zu Neptun: »O Gott, du kannst mich retten, wenn du willst; wenn du willst, kannst du mich untergehen lassen, aber mein Ruder halte ich immer gerade.« Ich habe zu meiner Zeit tausend geschmeidige, ängstliche, doppelsinnige Menschen gesehen, von denen niemand zweifelte, sie besäßen mehr Weltklugheit als ich, und sie sind da zugrunde gegangen, wo ich mich gerettet habe.
Risi successu posse carere dolos159.
Als Paulus Ämilius nach seinem glorreichen Mazedonischen Feldzuge aufbrach, ermahnte er vor allen Dingen das römische Volk, über seine Handlungen die Zunge im Zaum zu halten, solange er abwesend sei! O welch eine große Störerin ist nicht die Zügellosigkeit im Urteilen! Umso größer, weil nicht jeder die Standhaftigkeit des Fabius gegen die widrige beleidigende Volksstimme besitzt, welche lieber seine Macht von den eitlen Einfällen der Menschen vermindern ließ, als seinen Auftrag mit günstigerm Ruhme und Volksbeifall weniger gut ausrichten wollte. Es liegt ein gewisses unnennbares, süßes Gefühl darinnen, sich loben zu hören; allein wir legen dennoch viel zuviel hinein.
Laudari haut metuam, neque enim mihi cornea fibra est,
Sed recti finemque extremumque esse recuso,
Euge tuum et belle160.
Ich kümmere mich nicht so viel darum, wie ich mit anderen stehe, als ich mich darum bekümmere, wie ich mit mir selbst stehe. Ich will reich sein für mich und nicht auf Borg. Fremde sehen nur den äußern Schein und äußere Begebenheiten; ein jeglicher kann eine äußerliche gute Miene annehmen und innerlich voller Fieber und Schrecken sein, man sieht mir nicht ins Herz, man sieht nur meine Miene. Man hat recht, die Heuchelei zu verschreien, welche im Krieg ihr Wesen hat; denn was ist für einen Menschen, der die Schliche kennt, leichter, als den Gefahren auszuweichen und bei einem feigen Herzen den Bramarbas zu spielen? Es gibt so viele Mittel, den Gelegenheiten auszuweichen, bei welchen man seine eigene Person wagen müßte, daß man die Welt tausendmal betrogen haben kann, bevor man sich nur in ein Wagestück eingelassen hat, und selbst dann, wenn man darin verflochten ist, weiß man für dieses Mal auch sein Spiel mit guter Miene und mit unerschrockenen Worten zu verdecken, obgleich die ganze Seele in uns zittert. Und viele würden, wenn sie den platonischen Ring besäßen, welcher denjenigen unsichtbar machte, der ihn am Finger trug und den Stein nach der Innenseite der Hand drehte, sich oft genug da verbergen, wo sie sich am meisten stellen sollten, und würden es sehr bereuen, sich an solche Ehrenposten gestellt zu sehen, wo die Not sie herzhaft machte.
Falsus honor juvat, et mendax infamia terret
Quem, nisi mendosum et mendacem161?
Hieraus sieht man, wie alle die Urteile, die sich auf einen äußern Schein gründen, im höchsten Grade ungewiß und zweifelhaft sind, und wie kein Zeugnis so sicher ist, als was sich ein jeder selbst geben muß. Und wie viele Troßbuben haben wir nicht zu Genossen unseres Ruhms? Derjenige, der sich in einer offenen Tranchee festhält, was tut er damit, das nicht vor ihm fünfzig arme Schanzgräber tun, die ihm den Weg öffnen und für fünf Dreier täglichen Sold mit ihrem Körper decken.
Non, quidquid turbida Roma
Elevet, accedas; examenque improbum in illa
Castiges trutina: nec te quaesiveris extra162.
Wir nennen es Vergrößerung unseres Namens, wenn wir ihn in vieler Mund bringen; wir wünschen, daß er mit Ehrerbietung ausgesprochen werde und daß diese seine Erhebung ihm nützlich werden möge. Nun, das mag denn das schlimmste bei der Sache noch nicht sein, aber das Übermaß dieser Krankheit geht so weit, daß manche suchen, von sich sprechen zu lassen, in welchem Sinne es auch sei. Trogus Pompejus sagt vom Herostratus und Titus Livius vom Manlius Capitolinus, daß sie begieriger nach einem großen als nach einem guten Namen gewesen. Dies Gebrechen ist gewöhnlich. Wir geben uns mehr Mühe darum, daß man, als wie man von uns spreche, und es genügt uns schon, daß unser Name durch der Leute Mäuler laufe, wie auch der Lauf beschaffen sein möge. Es scheint, man gebe schon gewissermaßen sein Leben und dessen Dauer in die Verwahrung der Menschen, denen man bekannt geworden. Ich meinesteils halte dafür, daß ich nur bei mir daheim bin, und von meinem anderen Leben, das in der Bekanntschaft meiner Freunde besteht, wenn ich solches ohne Schleier und bloß an und für sich selbst betrachte, so fühle ich, daß ich davon keinen anderen Nutzen oder Genuß ziehe als durch die Eitelkeit einer phantastischen Meinung. Und wenn ich tot bin, werde ich noch weit weniger davon empfinden und also den Gebrauch der wirklichen Nutzbarkeiten, die zuweilen zufälligerweise daraus entstehen, ganz rein verlieren. Ich werde keinen Berührungspunkt mehr finden, woran ich den Ruhm fassen, noch der Ruhm, woran er mich fassen, noch zu mir gelangen könne. Denn mir zu versprechen, daß mein Name ihn erlangen werde, so habe ich erstlich keinen Namen, der so ganz ausschließlich der meinige wäre; von den beiden, die ich habe, ist der erste meinem ganzen Geschlecht gemein, ja sogar noch einigen anderen: es gibt eine Familie in Paris und eine in Montpellier, welche den Zunamen Montaigne führen, eine andere in Bretagne und Saintonge, die sich de la Montaigne nennt. Die Versetzung einer einzigen Silbe kann unsere Wappenschilder so vermischen, daß ich teil an ihrem Ruhm und sie vielleicht an meiner Schande nehmen, und wenn die Meinigen ehedem noch den Zunamen Eyquem geführt haben, so ist das ein Name, den noch eine bekannte Familie in England führt. Was meinen zweiten Namen betrifft, so gehört er jedem zu, der Lust hat, ihn zu nehmen. Also ehre ich vielleicht einen Karrenschieber an meiner Stelle. Und endlich, wenn ich auch ein besonderes Merkzeichen für mich allein hätte, was kann es dann bezeichnen, wenn ich nicht mehr bin; kann es die Nichtigkeit bezeichnen und begünstigen?
Nunc levior cippus non imprimit ossa
Laudat posteritas; nunc non e manibus illis,
Nunc non e tumulo fortunataque favilla,
Nascuntur violae163?
Doch hierüber habe ich schon anderwärts gesprochen. Im übrigen, wenn in einer Schlacht zehntausend Mann zu Krüppeln oder totgeschossen worden, so spricht man kaum von fünfzehn. Es gehört eine gewisse Größe des Standes und der Geburt oder irgendeine wichtige Folge dazu, welche das Glück miteinander verbindet, um eine Tat nicht nur eines Gemeinen, sondern eines Offiziers von Rang mit Ruhm zu erheben. Denn ein oder zwei oder zehn Menschen zu töten oder sich dem Tode tapfer entgegen zu stellen, ist zwar schon für jeden von uns etwas, denn wir setzen alles gegen alles; für die Welt aber sind das sehr gewöhnliche Sachen; sie sieht derselben täglich so viele, und es gehört so vieles dergleichen dazu, um eine auf fallende Wirkung zu tun, daß wir keinen besondern Ruhm und Empfehlung erwarten dürfen.
Casus multis hic cognitus, ac iam
Tritus, et e medio fortunae ductus acervo164.
Von soviel tausendmal tausend tapfern Männern, welche in Frankreich seit fünfzehnhundert Jahren mit den Waffen in der Hand gestorben sind, sind keine hundert, deren Gedächtnis bis auf uns gekommen ist. Die Namen nicht nur der Kriegshäupter, sondern selbst der Schlachten und Siege sind in Vergessenheit begraben. Die Besitzungen des halben Teils der Welt rücken aus Mangel an Registern nicht aus ihrer Stelle und verschwinden ohne Dauer. Wenn ich die unbekannten Begebenheiten aufgezeichnet besäße, so glaube ich, wollte ich damit sehr leicht die bekannten in allen Arten von Beispielen verdrängen. Wie, daß selbst von den Römern und Griechen, von so vielen seltenen und edlen Taten, welche so viele Zeugen und Schriftsteller hatten, so wenige auf uns gekommen sind?
Ad nos vix tenuis famae perlabitur aura165.
So wird es schon sehr viel sein, wenn in hundert Jahren von hier man sich nur noch so obenhin erinnert, daß zu unseren Zeiten in Frankreich bürgerliche Kriege geführt worden sind. Die Lakedämonier opferten, wenn sie in ein Treffen gingen, den Musen, damit ihre Taten schön und würdig beschrieben werden möchten, und hielten dafür, es sei nicht gemeine Gunst der Götter, wenn schöne Heldentaten Zeugen fänden, welche solchen Leben und Unsterblichkeit geben könnten. Meinen wir, daß bei jeder Flintenkugel, die uns trifft, oder bei jeder Gefahr, die uns überkommt, gleich ein Notarius bei der Hand sei, der darüber ein Protokoll aufnehme? Und hundert solche Protokollisten möchten sich dennoch darunter finden, deren Tagebücher wohl nicht über acht Tage alt werden und keinem Menschen zu Gesicht kommen würden. Wir haben von den Schriften der Alten nicht den tausendsten Teil. Es ist das Glück, welches ihnen ein längeres oder kürzeres Leben schenkte, nachdem es ihm beliebte; und es ist uns erlaubt zu zweifeln, ob das, was wir davon besitzen, nicht gerade das schlechteste sei, da wir das übrige nicht gesehen haben. Von geringfügigen Dingen schreibt man keine Geschichte. Der Held muß ein Heer geführt haben, womit er ganze Königreiche und Provinzen erobern konnte; er muß zweiunddreißig große Schlachten gewonnen haben und immer in schwächerer Anzahl als die Feinde, wenn er es dem Cäsar gleichtun will, in dessen Gefolge zehntausend brave Waffenbrüder, unter denen sich große Feldherrn befanden, tapfer und herzhaft in den Tod gingen und deren Namen nicht länger gedauert haben, als solange ihre Weiber und Kinder lebten.
Quos fama obscura recondit166.
Selbst von denjenigen, die vor unseren Augen großtun, spricht man nach drei Monaten oder drei Jahren, nachdem sie geblieben, ebenso wenig, als ob sie gar nicht dagewesen wären. Ein jeder, der nach richtigem Maß und Verhältnis beobachtet, von was für Leuten und von was für Taten sich Andenken und Ruhm in den Büchern erhält, wird befinden, daß in unserm Jahrhundert wenig Taten geschehen und wenig Personen vorhanden gewesen, die darauf mit Recht Anspruch machen könnten. Wieviel tapfere und tugendhafte Menschen haben wir ihren Ruhm überleben gesehen, welche es erduldeten, daß in ihrer Gegenwart der Ruhm und die Glorie erlosch, die sie mit allem Recht in jüngeren Jahren erworben hatten? Und um drei Jahre eines solchen phantastischen Lebens in der Einbildung sollten wir unser wahres, wesentliches Leben in die Schanze schlagen und uns zu einem immerwährenden Tode verbinden? Der Weise setzt sich bei einer so wichtigen Unternehmung einen schöneren und gerechteren Zweck vor. Recte facti, fecisse merces est: officii fructus, ipsum officium est167. Es wäre vielleicht einem Maler oder anderen Künstler oder auch an einem Rhetoriker oder Grammatiker zu entschuldigen, wenn er Schweiß und Mühe darauf verwendete, sich durch seine Werke einen großen Namen zu machen. Handlungen der Tapferkeit und Tugend aber sind schon an und für sich zu edel, um einen anderen Lohn zu suchen als in ihrem eigenen Wert, am wenigsten solchen in der Nichtigkeit menschlicher Urteile zu suchen. Wenn gleichwohl diese falsche Meinung dem Publikum dazu dient, die Menschen in ihrer Pflicht zu erhalten; wenn das Volk dadurch zur Tugend erweckt wird; wenn es den Großen der Erde zu Herzen geht, zu sehen, wie die Welt das Andenken eines Trajanus segnet und das eines Nero verwünscht, wenn es sie erschüttert, daß der Name dieses großen Scheusals, welches einst so fürchterlich und schrecklich war, jetzt durch den ersten besten Schüler, der es unternehmen will, so dreist und frei verflucht und beschimpft wird, so mag sie immerhin zunehmen und mag man sie sosehr in Ansehen erhalten, als man nur immer kann.
Und Plato, der alles anwendet, seine Bürger tugendhaft zu machen, rät ihnen gleichfalls, die gute Meinung der Völker nicht zu verachten, und sagt, es geschehe durch eine göttliche Eingebung, daß selbst nichtswürdige Menschen zuweilen in Worten und Meinungen die guten und bösen Handlungen richtig zu unterscheiden wissen. Dieser große Mann und sein Pädagog sind darum vortreffliche und kühne Werkmeister, daß sie allenthalben die göttliche Vermittelung und Offenbarung hinzutun, wo menschliche Kräfte zu kurz kämen. (Aus dieser Ursache geschah es vielleicht, daß ihn Timon spottweise den großen Orakeldrechsler hieß.) Ut tragici poëtae confugiunt ad Deum, cum explicare argumenti exitum non possunt168. Weil die Menschen wegen ihres Unvermögens sich nicht hinlänglich mit guter Münze bezahlen können, so mag man immerhin falsche dazu nehmen. Alle Gesetzgeber haben sich dieses Mittels bedient, und gibt es keine Staatsverfassung, worin man nicht einige Beimischung fände, entweder von feierlicher Eitelkeit oder trüglichen Meinungen, welche zum Zügel dienen, um das Volk in Pflicht und Ordnung zu erhalten. Und daher kommt es, daß die meisten ihren fabelhaften Ursprung und Anfang haben und reich sind an übernatürlichen Mysterien. Das ist es, was die unechten Religionen in Aufnahme gebracht und ihnen die Gunst auch der Verständigen verschafft hat; und daher, um ihre Menschen zu besseren Gläubigern zu machen, speisten Numa und Sertorius dieselben mit der dummen Erzählung, der eine, daß ihm die Nymphe Egeria, der andere, daß ihm sein weißes Reh alle die Ratschläge von den Göttern zubrächte, welche er ihnen bekanntmache; und daher auch das Ansehen, welches Numa seinen Gesetzen, unter Vorspiegelung des Schutzes dieser Göttin, erwarb. Zoroaster, Gesetzgeber der Baktrianer und Perser, gab seine Gesetze den Seinigen unter dem Namen des Gottes Oromazes; Trismegistus den Ägyptern unter dem Namen der Vesta; Charondas, der Gesetzgeber der Chalcidier, wollte seine Gesetze vom Saturnus haben; Minos, der Gesetzgeber der Candier, vom Jupiter; Lykurg, der Lakedämonier, vom Apoll. Draco und Solon, der Athenienser, von der Minerva. Und jede Staatseinrichtung hat ihren Gott an der Spitze; einen falschen die übrigen, einen wahren diejenige, welche Moses dem jüdischen Volke beim Ausgang aus Ägypten gab. Die Religion der Beduinen, wie der Reisebeschreiber de Joinville erzählt, lehrt unter anderen Dingen, daß die Seele desjenigen unter ihnen, der für seinen Prinzen stürbe, in einen anderen glücklicheren, schöneren und stärkeren Körper fahre, als sein voriger gewesen: vermittelst dieses Glaubens waren sie weit williger, ihr Leben zu wagen.
In ferrum mens prona viris, animaeque capaces
Mortis, et ignavum est rediturae parcere vitae169.
Das nenne ich mir doch einen heilsamen Glauben! Laß ihn so trüglich sein, als er will! Jede Nation findet bei sich von dergleichen Beispielen mehr als eins; aber dieser Gegenstand verdient eine eigene Abhandlung. Um nur noch ein Wort über meinen ersten Satz zu sagen: Ich würde dem weiblichen Geschlecht ebenso wenig raten, ihre Pflichten mit dem Namen Ehre zu belegen: Ut enim consuetudo loquitur, id solum dicitur honestum, quod est populari fama gloriosum170. Ihre Pflicht ist das Mark; ihre Ehre ist nur die Rinde. Auch rate ich ihnen nicht, uns diese Entschuldigung als Zahlung für ihre Weigerung zu geben; denn ich setze voraus, daß ihre Absichten, ihr Wunsch und Wille, Dinge, mit denen die Ehre nichts zu schaffen hat, weil solche nicht äußerlich auffallen, noch strenger geordnet sind als ihr Tun und Lassen.
Quae, quia non liceat, non facit, illa facit171.